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ABB gelingt mit Verkauf von Lummus Schachzug

ABB will sich in Zukunft auf das Kerngeschäft konzentrieren. Keystone

Der Technologiekonzern ABB verkauft die Tochtergesellschaft Lummus Global für 950 Mio. Dollar, die wegen Asbest-Klagen jahrelang für Negativschlagzeilen sorgte.

Im Zusammenhang mit dem Verkauf von Lummus Global entdeckte ABB verdächtige Zahlungen. Drohende Bussen will der Konzern übernehmen.

“Die Veräusserung von Lummus Global ist der letzte Meilenstein in unserer Strategie, uns auf unser erfolgreiches Kerngeschäft in der Energie- und Automationstechnik zu fokussieren”, erklärte ABB-Chef Fred Kindler am Montag.

Käuferin ist die niederländische Chicago Bridge & Iron Company (CB&I). Die Behörden und die Aktionäre von CB&I müssen der Transaktion noch zustimmen.

Drohende Bussen

Im Zusammenhang mit dem Verkauf von Lummus Global entdeckte ABB erneut verdächtige Zahlungen in mehreren Ländern und meldete sie dem US-Justizministerium sowie der US-Börsenaufsicht.

ABB arbeite mit den Behörden zusammen und setze die internen Untersuchungen und Compliance-Prüfungen fort. Die Haftung für allfällige Bussen verbleibe bei ABB, hiess es. Deshalb werden sie die Käuferin CB&I nicht belasten.

Bereits in der Vergangenheit hatte ABB mehrmals verdächtige Zahlungen entdeckt und dafür Bussen zahlen müssen.

Lob…

“ABB hat einmal mehr Geschick bei einer schwierigen Veräusserung bewiesen. Lummus Global hätte vor zwei, drei Jahren nur mit grossen Verlusten verkauft werden können”, sagte der Analyst Panagiotis Spiliopoulos von der Bank Vontobel. “Wir erwarten, dass ABB jetzt einen kleinen Gewinn machen wird.”

Die Börse reagierte positiv auf den Verkauf, die ABB-Titel gewannen ein Prozent.

… für Kaufpreis

Der Preis, den CB&I für Lummus Gobal zahlt, ist überraschend hoch. Analysten hatten mit einem Betrag zwischen 450 und 800 Mio. Dollar gerechnet. Der Verkaufspreis von 950 Mio. Dollar sei somit attraktiv, schrieb die Bank Vontobel.

Neben der Bekanntgabe des Verkaufs von Lummus schienen auch jüngst gemachte Aussagen von ABB-Chef Fred Kindle den Aktienkurs positiv zu beeinflussen. In einem Interview mit der “SonntagsZeitung” hatte Kindle gesagt, das Potenzial des Konzerns sei noch nicht ausgereizt. Das Unternehmen schliesse daher grössere Übernahmen nicht aus.

Keine Überraschung

ABB hatte im Vorfeld mehrmals betont, Lummus Global verkaufen zu wollen. Lummus beschäftigt rund 2400 Mitarbeiter und wies 2006 einen Umsatz von 988 Mio. Dollar aus. Das Unternehmen liefert Ausrüstung für Öl-, Gas- und Petrochemieunternehmen und profitiert derzeit von der boomenden Ölbranche.

Hängige Asbest-Klagen hatten einen Verkauf jedoch während längerer Zeit verunmöglicht. Erst mit einem Vergleich im vergangenen September war der Weg zur Veräusserung der Tochter geebnet worden.

Über 10’000 Kläger hatten damals einem Reorganisationsplan unter Gläubigerschutz für das Unternehmen zugestimmt. Seither ist Lummus Global vor weiteren Asbest-Klagen geschützt.

swissinfo und Agenturen

1990 kaufte ABB die Firma Combustion Engineering, zu der auch Lummus gehörte (wurde in Folge zu ABB Lummus Crest).

Combustion Engineering hatte in den 1970er-Jahren asbestverseuchte Heizkessel hergestellt, obwohl die Firma deswegen bereits in ein Verfahren verwickelt war.

Mitte der 1990er-Jahre wurde daraus eine Lawine von Prozessen. Im Februar 2003 erklärte sich die CE bankrott, weil die zu erwarteten Strafzahlungen das Betriebsvermögen überstiegen.

Der letzte hängige Vergleich im Asbest-Skandal um ABB kostete den schwedisch-schweizerischen Konzern 40 Mio. Franken.

Im Vergleich zu den Gesamtzahlungen war der Betrag jedoch relativ klein: Insgesamt musste ABB zur Beilegung der Affäre rund 2 Mrd.Dollar aufwenden.

Im Januar 2007 bestrafte die EU-Kommission ein Kartell von elf Elektrokonzernen mit Rekordbussen von über 750 Millionen Euro. Der mitbeteiligten ABB wurde die Busse von 215 Mio. Euro erlassen, weil sie die Aufdeckung ermöglichte.

Im April 2006 einigten sich ABB im Fall des Asbest-Vergleichs mit Klägern und zahlte 1,43 Mrd. Dollar.

ABB meldete im Februar 2006 verdächtige Zahlungen in Nahost, die unter das Antikorruptionsgesetz der USA fallen dürften.

Im Juli 2004 zahlte ABB 20 Mio. Franken, nachdem die US-Behörden den Konzern der Bestechung von Regierungsmitgliedern in Afrika und Asien schuldig gesprochen hatte.

Einen Monat zuvor hatte ABB Unregelmässigkeiten in Italien entdeckt.

2001 schrieb ABB einen Verlust von 691 Mio. Dollar. Gleichzeitig zahlte der Konzern den beiden Leitern Percy Barnevik und Göran Lindahl Abgangsentschädigungen von 148 Mio. und 85 Mio. Franken.

In der Folge stand ABB die nächsten beiden Jahre am Abgrund.

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