Crossair: Trotz Untersuchungen Unfall-Ursache weiter unklar
Unmittelbar vor dem Absturz des Crossair-Jumbolinos vom vergangenen Samstag in Bassersdorf (ZH) haben die Piloten versucht durchzustarten.
Alles lief normal im Cockpit des Jumbolino auf dem Flug CRX 3597 von Berlin Tegel nach Zürich. Weshalb die Maschine plötzlich abstürzte, ist nach wie vor ein Rätsel. Jean Overney, Chef des Büros für Flugunfall-Untersuchungen (BFU) präsentierte am Freitag die bisherigen Ermittlungs-Ergebnisse – also das, was der Stimmenrecorder aufgezeichnet hat.
Zwischen 22.05 und 22.06 Uhr meldete der Captain, der selbst am Steuer des Jumbolino sass, an die Flugverkehrs-Leitstelle, er habe die minimale Anflughöhe von 2390 Fuss über Meer (rund 800 Meter) erreicht und verfüge über eine gewisse Sicht auf den Boden. Wenige Sekunden darauf meldete die synthetische Stimme des Radar-Höhenmessers, die Höhe über Boden betrage 500 Fuss (gegen 170 Meter).
Um 22.06 Uhr schnarrte das Gerät, die als Minimum eingestellte Höhe von 300 Fuss (100 Meter) über Boden sei erreicht. Unmittelbar darauf gab die Leitstelle dem Flug CRX 3597 die Lande-Erlaubnis.
Kaum war die Durchsage beendet, gab der Captain den Befehl «durchstarten» und schaltete den Autopiloten aus – ein akustisches Signal zeigte dies an. Der Copilot bestätigte das beabsichtigte Manöver – eine Sekunde später begannen Absturzgeräusche, kurz darauf brach die Aufnahme ab.
Keinerlei Hektik
Den Befehl zum Durchstarten gab der Captain laut Overney mit ganz normaler, sachlicher Stimme. Nichts von Hektik, nichts von Aufregung. Man wisse noch nicht, weshalb der Pilot das Manöver einleiten wollte. Er könnte sich vorstellen, so Overney, dass die Sicht plötzlich gestört wurde: an dem Abend gab es immer wieder Schneeschauer. Vielleicht wollte der Pilot deshalb die Landung abbrechen. Eine richtige und übliche Reaktion, so Overney.
Nur Minuten vor dem Absturz, um 22.04 Uhr, hatte der Pilot der vor dem Jumbolino auf Piste 28 gelandeten Maschine gemeldet, die Piste sei aus einer Distanz von 2,2 nautischen Meilen (gut 4 Kilometern) sichtbar. Eine «ziemlich enge» Sicht, so Overney.
Mit Instrumenten-Anflug gerechnet
Die beiden Piloten hatten offenbar mit einer Landung auf Piste 14 und damit mit einem Instrumenten-Anflug gerechnet, wie aus den Gesprächen im Cockpit hervorgeht. Erst nachdem die Maschine um 21.48 Uhr ins System Zurich Arrival übernommen wurde, kam die Anweisung, auf Piste 28 zu landen.
Damit war ein so genannter Nicht-Präzisionsflug angesagt, bei dem nur seitliche, nicht aber vertikale Abweichungen von der Fluglinie automatisch angezeigt werden; für die Einhaltung der Höhe sind die Piloten selbst verantwortlich. Der Commander besprach mit dem Co-Piloten also dieses Landeverfahren. Darauf folgten die üblichen Anflugphasen.
Als die Maschine um 22.03 Uhr an die Flugverkehrs-Leitstelle übergeben wurde, befand sie sich im Sinkflug auf einer Höhe zwischen 5000 und 4000 Fuss über Meer (rund 1600-1300 Meter). Der Captain flog nun eine Rechtskurve in Richtung Anfluglinie und sagte währenddem zum Co-Piloten, er habe Bodensicht.
Kein Alkohol im Spiel
Wie üblich nach einem Flugunfall wird auch nach medizinischen Faktoren bei den Piloten gesucht. Laut Walter Bär, Leiter des Instituts für Rechtsmedizin Zürich, hatten die Piloten keinerlei Rückstände von Alkohol, Medikamenten oder Drogen im Blut.
Wie Overney sagte, werden weiterhin sämtliche Möglichkeiten für eine Ursache abgeklärt. Man dürfe nichts ausschliessen – weder technische Mängel noch menschliches Versagen. Vorerst werden nun die Daten des Stimmenrecorders mit jenen des Flugschreibers synchronisiert, so dass man die Geschehnisse im zeitlich genauen Ablauf rekonstruieren kann.
Dies könne noch lange dauern. Das BFU gibt aber schon während den Ermittlungen laufend Empfehlungen ans Bundesamt für Zivilluftfahrt heraus. Ziel sei es, künftige Unfälle zu vermeiden.
Alle 24 Opfer identifiziert
An Bord der Maschine hatten sich 33 Personen befunden. Neun davon überlebten den Absturz in ein Waldstück, etwa zwei Kilometer vor der Piste 28 des Flughafens Zürich-Kloten.
Von den Überlebenden sind noch vier im Spital, eine von ihnen in kritischem Zustand.
Alle 24 Todesopfer wurden gemäss den Angaben bis vergangenen Mittwochabend vom Institut für Rechtsmedizin der Universität Zürich identifiziert. 17 Personen wurden anhand von DNA-Analysen identifiziert, sieben über den Vergleich von Zahnbefunden. Mit Ausnahme jener der beiden Piloten wurden alle Leichen von der zuständigen Bezirksanwaltschaft Bülach zur Bestattung freigegeben, wie es weiter hiess.
Die Bezirksanwaltschaft eröffnete mittlerweile ein Verfahren. Es soll auf Grund des BFU-Schlussberichtes feststellen, ob jemand durch sein Verhalten den Absturz verursachte.
Die Crossair hat inzwischen die Bedingungen für den Anflug auf die umstrittene Piste 28 für ihre Piloten verschärft. Vorussetzung für eine Landung sind neu eine Sicht von über 500 Metern über Grund. Die Piste 28 ist seti dem Abstruz vom letzten Samstag für Anflüge gesperrt – eine normale Prozedur nach einem Unfall. Der Entscheid über die Wiedereröffnung dürfte in den nächsten Tagen fallen.
Crossair verschärft Anflugregeln
Die Crossair verschärfte am Freitagabend für ihre Piloten die Anflugregeln auf Piste 28 in Zürich-Kloten. Die Gesellschaft legte die Mindestsichtweite für einen Anflug auf 5000 Meter und die minimale Wolkenuntergrenze auf 500 Meter über Grund fest. Das Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) verlangt als minimale Sichtweite 1500 Meter.
Auch die Höhe, auf der zu entscheiden ist, ob gelandet oder durchgestartet will, verlegte die Crossair über die vom BAZL geforderte. Die neue Regelung gilt für die Crossair-Piloten, wenn die seit dem Absturz gesperrte Piste wieder freigegeben wird.
swissinfo und Agenturen
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