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IWF/Weltbank-Tagung unter Schweizer Vorsitz

Kaspar Villiger in Dubai. Keystone

Die stotternde Weltwirtschaft steht im Zentrum der Jahrestagung von IWF und Weltbank in Dubai. Die internationalen Gremien wollen das Wachstum wieder ankurbeln.

Erstmals hat die Schweiz mit Finanzminister Kaspar Villiger den Vorsitz bei der Versammlung der Bretton-Woods-Institutionen.

Alexander Karrer, Botschafter für internationale Finanzfragen und Währungspolitik im Eidgenössischen Finanzdepartement (EFD), erklärte gegenüber swissinfo, das Treffen biete die Gelegenheit, das Augenmerk der Welt auf die Wirtschaftsprobleme zu lenken.

Insgesamt führt Liberalisierung zu Wachstum

«Die Art von Botschaft, die von Dubai ausgehen kann, ist die Bedeutung des Handels zu unterstreichen. Und dass die Handelsliberalisierung insgesamt der Weltwirtschaft zu Wachstum verhilft», sagt Karrer weiter.

In der vergangenen Woche hatte der Internationale Währungsfonds (IWF) in Washington gewarnt, der jüngste Aufschwung an den Weltmärkten könnte erneut ins Stocken geraten, wenn das Thema der globalen Ungleichgewichte nicht rasch angegangen werde.

Auch James Wolfensohn, der Präsident der Weltbank, brachte das Problem aufs Tapet: Die armen Länder müssten in internationalen Handels- und Entwicklungsfragen eine stärkere Stimme erhalten. Eine Forderung, die Entwicklungs-Organisationen seit Jahren erheben.

Das Scheitern der WTO-Gespräche in Cancún habe gezeigt, dass die Ungleichgewichte nicht mehr zu halten seien, so Wolfensohn. Rund 80% der Einkommen seien in reichen Ländern konzentriert, es müsse eine Umverteilung stattfinden. «Wenn weltweiter Friede erreicht werden soll, müssen sich die Gewichte verschieben.»

Auf Gedeih und Verderben mit den USA verhängt

Kenneth Rogoff, Chefökonom beim IWF, erklärte, eine nachhaltige Erholung der Weltwirtschaft hänge stark von der Entwicklung in den USA ab, deren Defizit allerdings stets grösser werde.

«Schlimm genug, dass die Weltwirtschaft in der letzten Zeit mit nur einem Motor flog, es wird noch schlimmer, wenn sie mit nur einem Rad landen muss», erklärte Rogoff.

Angriffe gegen Asien

US-Produzenten beklagen sich, dass sie wegen des schwachen chinesischen Yuan und des schwachen japanischen Yen im Wettbewerb mit Importeuren aus Asien das Nachsehen hätten.

Es wird damit gerechnet, dass die USA beim Treffen in Dubai harsche Kritik an China und Japan anbringen werden. Washington wirft den beiden Staaten vor, sie hielten ihre Währungen gegenüber dem Dollar künstlich auf niedrigem Niveau.

Das Thema könnte in Dubai zu Meinungsverschiedenheiten führen, räumte Botschafter Karrer ein.

Das Defizit der USA

Wie auch immer. Die Sorge um das US-Handelsdefizit wird allfällige Sorgen um asiatische Währungen und Wechselkurse in den Schatten stellen.

Auch das Wirtschaftsmagazin «The Economist» schrieb in seiner jüngsten Ausgabe: «Der weltweite Wohlstand hängt vor allem von der Nachfrage in den USA ab.» Wenn die Nachfrage in den USA stark zurückginge, würde die Welt in eine Rezession gestürzt. Doch über Jahre hinweg hätten die Amerikaner «viel mehr ausgegeben, als sie sich leisten können.»

Krankes Europa

Ebenfalls für Gesprächsstoff sorgen wird in Dubai, dass es Europa – und somit auch die Schweiz – bisher nicht schaffte, den globalen Wirtschafts-Motor wieder in Gang zu bringen.

IWF-Ökonom Rogoff kritisierte letzte Woche, dass die Europäer offenbar nicht fähig seien, die nötigen Strukturreformen zu beschleunigen.

Auch in der Schweiz sieht es nicht besonders gut aus. Die meisten Experten glauben, dass die einzige Chance zum Ankurbeln der Wirtschaft bei der Exportindustrie liegt.

«Vorerst werden Europäer, die eine Gesundung der Wirtschaft sehen wollen, dies am Fernsehen tun müssen», sagte Rogoff – der damit sagen wollte, dass man Wirtschaftswachstum zur Zeit ausserhalb Europas suchen muss.

Botschafter Karrer erklärt, die Schweiz sei auch der Meinung, dass es in Europa und anderswo weitere Wirtschaftsreformen brauche.

«Strukturreformen sind in jeder Wirtschaft zur permanenten Notwendigkeit geworden. Wichtig ist aber der politische Wille, diese Reformen auch zum Abschluss zu bringen», sagt Karrer.

Villigers Rolle

Die Schweiz hält in diesem Jahr den rotierenden Vorsitz des IWF-Gouverneursrates. «Das Treffen steht vom Anfang bis zum Ende unter Kaspar Villigers Vorsitz», so Karrer.

Im Vorfeld der Gouverneurstagung hatte in Dubai schon ein Treffen der von der Schweiz angeführten sogenannten Stimmrechts-Gruppe Helvetistan in den Bretton-Woods-Institutionen stattgefunden. Zu der Gruppe gehören neben der Schweiz Aserbaidschan, Kirgisien, Polen, Serbien und Montenegro, Tadschikistan, Turkmenistan sowie Usbekistan.

Fragen zur Rolle von IWF und Weltbank

Nach dem Abbruch der Weltwirtschafts-Verhandlungen in Cancún stellt sich an der Jahrestagung der Gouverneure auch die Frage nach der Rolle von IWF und Weltbank. Seit Jahren verlangen Nicht-Regierungsorganisationen eine Demokratisierung der beiden Institutionen.

Ebenfalls umstritten bleibt die Kreditpolitik des IWF gegenüber Staaten in grossen Wirtschaftskrisen. In den letzten Jahren erhielten vor allem mehrere asiatische Länder, Mexiko, Russland, die Türkei, Brasilien, Südafrika und jüngst Argentinien Gelder vom IWF.

Am Wochenende segnete der Exekutivrat das neuste Rettungsprogramm für Argentinien ab. Der IWF stellt dem bankrotten Land über eine Periode von drei Jahren insgesamt 12,5 Mrd. Dollar zur Verfügung. Argentinien muss die Summe im selben Zeitraum zurückzahlen.

Es handelt sich also nicht um neue Finanzhilfen. Die Regierung soll sich damit beim Kampf gegen die Krise Luft verschaffen können. Die Schweiz hatte sich der Stimme enthalten. Ihrer Ansicht nach ist das Programm nicht geeignet, die tiefgreifenden Probleme Argentiniens zu lösen.

swissinfo, Jacob Greber, Zürich
(Übertragung aus dem Englischen: Rita Emch)

Der IWF mit Sitz in Washington hat 184 Mitgliedsstaaten

Der IWF wurde geschaffen, um u.a. die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Währungspolitik zu fördern, das Wachstum des Welthandels zu erleichtern und die Stabilität der Wechselkurse zu fördern.

Länder, die in Wirtschaftskrisen stecken, erhalten vom IWF Kredite.

Im Zentrum des Jahrestreffens in Dubai dürfte die darbende Weltwirtschaft stehen.

Der Schweizer Finanzminister Kaspar Villiger präsidiert das Treffen. Die Schweiz ist seit 1992 Mitglied von IWF und Weltbank.

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