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Swissair-Crossair: Eine schwierige Zweckehe

Swissair und Crossair: Eine Zusammenführung ist wegen der unterschiedlichen Firmen-Philosophien eine enorme Herausforderung. Keystone

Nach dem Konkurs der Swissair werden die Reste der nationalen Fluggesellschaft der Crossair einverleibt. Die Vereinigung der beiden Partner ab dem 28.Oktober wird angesichts der unterschiedlichen Traditionen und Unternehmensphilosophien äusserst schwierig verlaufen. Die bisher dominierende Swissair muss sich mit der Rolle des kleineren Partners abfinden.

UBS und Credit Suisse sind seit 1.Oktober die Mehrheitseigner der «grossen Crossair». Ihre Pläne sehen vor, rund zwei Drittel des Swissair-Personals und der -Flotte in die neue Gruppe zu überführen. Dazu kommt das bisherige Swissair-Flugnetz. Doch die Probleme bei dieser Fusion sind gewaltig: Objektive Schwierigkeiten, aber auch interne Widerstände gilt es zu überwinden.

Zwei Mentalitäten, zwei Modelle…

«Swissair war, wie alle wichtigen Fluggesellschaften, von einer finanziellen Grösse und Schwerfälligkeit sowie von recht starken hierarchischen Strukturen gekennzeichnet», sagt der auf Fusionen spezialisierte Unternehmensberater Jakob Roost. Swissair war immer (oder wenigstens bis Anfang dieses Jahres) die grosse nationale, moderne und prestigereiche Fluggesellschaft. Ihr Status als nationale Airline mit dem Schweizer Kreuz auf der Heckflosse und die hohen Qualitätsstandards waren ihre Markenzeichen. Ihr Prestige reichte weit über die eigentliche Gruppe hinaus.

Crossair hingegen stellt die Verwirklichung von Unternehmer-Träumen des leidenschaftlichen Fliegers Moritz Suter dar. Die Gesellschaft wird von ihrem Big-Boss eher familiär geführt. Die Kostenstruktur ist leicht, was eine hohe Anpassungsfähigigkeit ermöglicht. Jakob Roost definiert sie als «Gesellschaft mittlerer Grösse.» Trotz dieser Struktur hat Crossair durchaus eigene Traditionen. Bis zum vergangenen Jahr gab es eine strikte Trennung zwischen Männer- (Piloten) und Frauenarbeit (Hostessen und Kabinenpersonal).

…. auch bei der Personalführung

Für viele kam ein Job bei der Swissair einer Religionszugehörigkeit gleich. Die Gesellschaft war ein optimales Werbemittel für die Schweiz. In einigen Bereichen der Gruppe spiegelte sich dies in einer extrem niedrigen Personalfluktuation, die um die 15 Jahre lag. Die Angestellten waren stolz auf ihre Arbeit, auch dank einer avantgardistischen Personalpolitik und grosszügigen Löhnen.

Während eine Anstellung bei der Swissair ein zu erreichendes Lebensziel darstellte, galt ein Job bei der Crossair für viele junge Leute nur als Sprungbrett. Die Airline von Moritz Suter ist weniger formal, gewerkschaftlich schwach kontrolliert und stellt Personal ohne Einfahrung ein, darunter auch Grenzgängerinnen und Grenzgänger, die zu schlechten Bedingungen arbeiten. Nach einigen Berufsjahren wechselten viele der Crossair-Leute zur attraktiveren Swissair.

Bei den Löhnen sind die Unterschiede zwischen den beiden Airlines teilsweise extrem. Ein Beispiel: Ein Swissair-Pilot erhielt ein Jahresgehalt zwischen 81’000 und 300’000 Franken. Bei der Crossair verdient ein Pilot zwischen 60’000 und 145’000 Franken. «Diese Situation muss in der neuen Gesellschaft durch einen einheitlichen Gesamtarbeitsvertrag für alle Piloten gelöst werden», sagten die Sprecher der Gewerkschaften Aeropers (Swissair) und CCP (Crossair). Als Ergebnis wird es wahrscheinlich eine Verbesserung der Lohnbedingungen für die Crossair geben, während für die Swissair-Piloten genau das Gegenteil der Fall sein wird.

Den Blick nach vorne gerichtet

Die Voraussetzungen für die Fusion sind alles andere als optimal: Viele Kaderleute und Angestellte der Swissair haben kein Vertrauen in die Crossair-Leitung. Sie werfen ihr vor, den Plan der Banken begünstigt zu haben, um die traditionsreiche und vollkommen überschuldete Fluggesellschaft zu zerstören. Neid und persönlicher Zwist hat seit jeher das Verhältnis zwischen wichtigen Vertretern der beiden Airlines bestimmt. Die beiden Unternehmenskulturen sind schwerlich ineinander zu integrieren.

Von Seiten der Angstellten werden jetzt aber auch versöhnlichere Töne angeschlagen. «Ich glaube nicht, das die Probleme zwischen dem Personal wirklich relevant sind. Wir sind uns bewusst, dass es eine gesunde nationale Airline in der Schweiz braucht und deshalb sind wir auch bereit, Zugeständnisse zu machen», beteuert Christian Frauenfelder, Sprecher von Aeropers. «Das Problem liegt momentan auf der emotionalen Ebene: Wir warten darauf, endlich an einem Tisch sitzen und verhandeln zu können, um die Zukunft zu klären,» sagt ein Sprecher der CCP.

«Normalerweise gibt es schon Probleme, wenn eine grosse Fluggesellschaft sich eine Kleine einverleibt. In diesem Fall schluckt Goliath sogar David. Da kann man wohl verstehen, dass sich die Ex-Swissair-Leute in ihrem Stolz verletzt fühlen», meint Jakob Roost.

«Entscheidend ist, dass man in Zukunft nicht über Gewinner- und Verlierermodelle spricht», meint der Unternehmsberater. Gemäss Roost wird weder das Swissair- noch das Crossair-Modell gänzlich in der neuen Gesellschaft aufgehen. «Die Zukunft der neuen Gesellschaft liegt genau darin, dass eine neue, ihr spezifische Unternehmenskultur entwickelt wird.»

Doch eine wichtige psychologische Schwierigkeit bleibt bestehen: Die Beziehungs- und Präferenzstrukturen der beiden Fusions-Gesellschaften werden noch lange weiter wirken. Es braucht viel guten Willen von beiden Seiten, damit die Heirat mehr als ein beziehungsloses Verhältnis unter einem gemeinsamen Dach wird.

Marzio Pescia (Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)

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