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Wie sich die neuen US-Zölle schon jetzt auf die Schweizer Wirtschaft auswirken

Zahnräder
Zahnräder für die Uhrenindustrie: Ob diese Schweizer Produkte weiterhin in die USA gelangen? Keystone / Christian Beutler

Am 1. August rief der amerikanische Präsident den rekordhohen Zollsatz von 39% für die Schweiz aus. Die Effekte werden langsam sichtbar.

Nur fünf Länder haben höhere Zölle für ihre Exporte in die USA als die Schweiz. Von allen Industrienationen und von allen europäischen Ländern hat die Schweiz die höchsten US-Zölle. Gleichzeitig hat die USA einen der höchsten Anteile des Schweizer Aussenhandels. Die Zölle waren also sehr schlechte Nachrichten für manche Branchen. Doch was ist seit dem 1. August passiert?

Was ist die Vorgeschichte?

Am 2. April rief der US-Präsident Donald Trump den sogenannten «Liberation Day» aus, ein Paket von Importzöllen für eine lange Reihe von Ländern. Die Schweiz stand ebenfalls auf dieser Liste, mit einem Zoll in der Höhe von 31%, was in der Schweiz grosse Unruhe auslöste. Doch die Schweizer Regierung und Wirtschaft gaben sich optimistisch, diese in Verhandlungen zu senken. Die Regierung glaubte, es sei ihr gelungen: Im Sommer sprach sie von einem «Deal» mit 10% Zöllen.

Ausgerechnet am Schweizer Nationalfeiertag kündigte Trump dann 39% Zölle für Produkte aus der Schweiz an. Die Ankündigung hat im Land einen Schock ausgelöst.

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Welche Branchen sind am stärksten betroffen?

Welchen Effekt die Zölle genau haben werden, zeigt sich erst in Ansätzen. Doch bereits sind gewisse Schlüsse möglich. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) geht davon aus, dass rund 10% aller Schweizer Exporte überhaupt betroffen sind. Denn Pharmaprodukte und Gold sind von den Zöllen ausgenommen. Dies sind jedoch die zwei Branchen, die am meisten zum amerikanischen Handelsbilanzdefizit mit der Schweiz von knapp 39 Milliarden Franken beitragen. Dabei ist es mutmasslich das Aussenhandelsdefizit, das Trump als Referenzgrösse für die Höhe der Zölle genommen hat.

Voraussichtlich haben die Uhrenbranche und die Schweizer Tech-Industrie (darunter fallen die Maschinen-, Elektro- und Metall-Industrie) am meisten von den Zöllen zu befürchten. Präzisionsinstrumente, Uhren, Schmuck und Apparate sind – neben den pharmazeutischen Produkten – die wichtigsten Schweizer Exportprodukte in die USA.

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Die Schweizer Regionen sind sehr unterschiedlich von den Zöllen betroffen. In einigen Westschweizer Kantonen sind bis zu knapp 30% aller Beschäftigen in der Tech- und Uhren-Industrie angestellt. Gewisse – teils andere – Kantone haben wiederum einen besonders hohen Exportanteil in die USA. Da viele Firmen die Zölle erwartet haben, exportierten sie vor der Zollankündigung auf Vorrat in die USA – darum ist es gegenwärtig noch zu früh, um ein genaues Bild zu haben.

Dazu kommt die relative Abschwächung des amerikanischen Dollars gegenüber dem Schweizer Franken. Diese stellt für die Exporteure eine zusätzliche Belastung dar, denn ihre Produkte werden teurer.

Was heisst das für die Schweizer Wirtschaft insgesamt?

Das BIP-Wachstum in der Schweiz ist im zweiten Quartal auf 0,1% gefallen, nachdem es in der Vorjahresperiode noch 0,7% betrug. Diese Entwicklung wurde schon lange antizipiert: Dass die zweite Trump-Administration handelspolitisch rücksichtsloser vorgehen würde, wurde erwartet. Die schwache konjunkturelle Phase ist das eine; schwerer wiege die Unsicherheit, heisst es aus dem Seco.

Immerhin: Eine schwere Rezession stehe gemäss Seco nicht bevor. Trotz allem ist der amerikanische Markt nicht der wichtigste Absatzmarkt für die Schweizer Wirtschaft.

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Einen finanziellen Einbruch wird es jedoch gesichert geben. SchätzungenExterner Link gehen von einem Rückgang von 9,5 Milliarden Dollar an Umsatz und 4 Milliarden Dollar Gewinn für Schweizer Unternehmen. Dies hauptsächlich in Industrien mit hochwertigen Produkten, die mit einem Rückgang ihrer Exporte in die USA von einem Viertel ausgehen müssten. Eine erste EinschätzungExterner Link der Konjunkturforschungsstelle KOF an der ETH Zürich ging von einem Rückgang des BIP um bis zu 0,6% pro Jahr aus. Oder noch mehr, sollte auch die Pharma mit Zöllen belegt werden.

Die Arbeitslosigkeit beträgt zurzeit rund 2,7%. Dies ist ein eher tiefer Wert für die Schweiz im Vergleich der letzten 20 Jahre. Die Prognosen des Seco sehen einen Anstieg vor, allerdings einen eher moderaten: Erwartet wird eine Arbeitslosigkeit zwischen 3% bis maximal 3,5% für 2026. Der Dachverband der Schweizer Wirtschaft Economiesuisse sprichtExterner Link von 100’000 Beschäftigten, die direkt von den Zöllen betroffen seien. Dabei seien Zulieferer und Dienstleister, die indirekt betroffen sein könnten, noch nicht einkalkuliert. Die Regierung will darum das Instrument der Kurzarbeit, das sich während der Pandemie bewährte, ausweitenExterner Link.

Der Bundesrat hat rasch klargemacht, dass er sich für tiefere Zölle einsetzen will. Unter anderem dadurch, dass er dem amerikanischen Präsidenten eine «verbesserte Offerte» anbieten möchte. Wie eine solche aussehen könnte, wird aus verhandlungstaktischen Gründen geheim gehalten. (Gegenzölle wurden von Schweizer Seite bereits ausgeschlossen.)

Im Vergleich etwa zur EU kann die Schweiz den USA jedoch nur begrenzt Angebote machen. Das Land hat zwar ein sehr hohes BIP und hohe Kaufkraft – allerdings nur eine 9-Millionen-Bevölkerung. Für amerikanische Exportindustrien ist das kein besonders attraktiver Markt.

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Was heisst das für die USA?

Die Schweiz ist der sechstgrösste ausländische Investor in den USA und ist, anders als andere Staaten, in jedem einzelnen Bundesstaat investiert, wie das Seco festhält. Dazu kommt: Bei den Schweizer Investitionen arbeiten amerikanische Arbeitskräfte mit guten Löhnen. Sollten sich die Aussichten für Investoren trüben und diese ihre Investitionen abziehen, würde das die amerikanische Wirtschaft in manchen Bereichen ebenfalls treffen.

Mittelfristig ist von einer teilweisen Abkehr vom US-amerikanischen Markt auszugehen. Beim Seco ist es das Ziel, die Schweizer Exporte mittels Handelsabkommen auf mehr Märkte zu diversifizieren. Dies ist schon lange ein zentraler Pfeiler der Aussenwirtschaftspolitik des Landes. Nun gewinnt er noch an Bedeutung.

Was passiert nun mit Pharma und Gold?

Gegenstand grosser Diskussionen sind die zwei von Zöllen ausgenommenen Bereiche. Für Trump sind sie wirtschaftspolitisch zentral: Im Wahlkampf hat er versprochen, die Medikamentenpreise zu senken, was er durch anhaltenden Druck auf Schweizer Firmen zu tun gedenkt. Und dem Präsidenten wird eine persönliche Affinität zu Gold nachgesagt, was manchmal als Erklärung für das Ausbleiben von Zöllen darauf herangezogen wird.

Die Produkte der Schweizer Pharmariesen – die viel zur Schweizer Wertschöpfung beitragen – sind zwar nicht mit Zöllen belegt. Die Unternehmen kommen aber unter grossem Druck, ihre Produktion in die USA zu verlagern. Obwohl die Preise für Medikamente grösstenteils in den USA festgelegt werden, sollen sie auf diesem indirekten Wege beeinflusst werden und gleich noch neue Arbeitsplätze schaffen.

Bei Gold ist die Situation anders. Die Schweiz ist Sitz grosser Goldraffinerien, so dass das international gehandelte Edelmetall auf den Import- und Export-Statistiken prominent auftaucht, obwohl die Branche eine geringe volkswirtschaftliche Bedeutung in der Schweiz hat. In der Schweizer Politik werden offen verschiedene Szenarien diskutiert, wie die Exporte in die USA umgeleitet werden könnten, damit sie nicht mehr das Schweizer Handelsdefizit vergrössern.

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