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Swisscom-Monopol auf letzter Meile geknackt

Netzmanagement-Center im Swisscom-Fernmeldezentrum Binz in Zürich. Keystone

Der Telekommunikations-Konzern Swisscom muss der Konkurrenz den Zugang zum Breitband-Anschluss auf seinen Kupferkabeln während vier Jahren gewähren.

Das Schweizer Parlament hat am Dienstag diesen Kompromissvorschlag angenommen, der auch den Konsumentenschutz verbessert.

Der Nationalrat, die Grosse Kammer, wollte die letzte Meile zwischen den Ortszentralen und den Hausanschlüssen nur für zwei Jahre zu kostendeckenden Preisen öffnen.

Der Ständerat, die Kleine Kammer, war dagegen für einen zeitlich unbeschränkten Zugang, das heisst so lange, wie die Swisscom marktbeherrschend ist.

Da die Räte nach drei Umgängen ihre Differenzen nicht ausmerzen konnten, musste eine Einigungs-Konferenz entscheiden. Deren Kompromissvorschlag wurde von beiden Räten stillschweigend akzeptiert. Hätte sich ein Rat dagegen gestellt, hätte die ganze Revision des Fernmeldegesetzes (FMG) abgeschrieben werden müssen.

Von der Einigungs-Konferenz aufgegeben wurde die Idee des Ständerates, dass das Parlament per Verordnung neue Zugangsformen zum Hausanschluss zulassen und so rasch auf technologische Entwicklungen reagieren kann. Bei Innovationen ist also eine weitere, dem Referendum ausgesetzte FMG-Revision nötig.

Konsumentenschutz verbessert

Bundespräsident und Kommunikationsminister Moritz Leuenberger war froh über die Einigung. Das neue FMG will den Telekommunikationsmarkt weiter liberalisieren und EU-Standards übernehmen. Es regelt die Anforderungen, die ein Unternehmen erfüllen muss, wenn es die Grundversorgungs-Konzession erhalten will.

Weiter verbessert das FMG den Konsumenten- und den Datenschutz. Es sieht eine Schlichtungsstelle vor, die Streitigkeiten zwischen Kundschaft und Anbietern von Fernmelde- und Mehrwert-Dienstleistungen beilegt. Unverlangt gesendete Massenwerbung (Spamming) per E-Mail oder SMS wird verboten.

Missbräuche bei den Mehrwertdiensten – vor allem bei teuren Sex-Angeboten – können geahndet werden. Der Bundesrat, die Schweizer Regierung, kann Preisobergrenzen festlegen und Vorschriften für die Preisbekanntgabe erlassen. Wer Fernmeldedienste erbringt, muss eine angemessene Zahl Lehrstellen anbieten.

Konkurrenz erfreut…

Die Revision des FMG biete den privaten Operateuren neue Möglichkeiten, sagte Cablecom-Sprecher Stephan Howeg. Dass alle Provider, die auf der letzten Meile präsent sein wollten, investieren müssten, werde zu einem dauerhaften Wettbewerb führen. Und davon profitierten die Konsumenten. Cablecom habe aber noch nicht über allfällige Investitionen entschieden.

Sunrise zeigte sich nach dem Parlamentsentscheid “erleichtert”. Laut Informationschef Andreas Moser kann jetzt mit der Investitions-Planung begonnen werden. Die Beschränkung des Zugangs zur letzten Meile auf vier Jahre sei aber zu kurz.

Auch von Seiten der Konsumentenschutz-Organisationen zeigte man sich erfreut. Die Preise in der Festtelefonie würden allerdings nur wenig sinken, hiess es. Bei ADSL-Internetanschlüssen könnten die Konsumenten eher profitieren.

Für die Gewerkschaft Kommunikation wäre die Liberalisierung der letzten Meile nicht nötig gewesen. Es gebe schon heute eine “lebhafte Konkurrenz”.

…und Swisscom gelassen

Die Swisscom, die bisherige Entscheide zur Öffnung der letzten Meile wiederholt erfolgreich vor Bundesgericht angefochten hatte, sprach von einem “politischen Entscheid”. Sie wolle diesen nicht werten, aber helfen, den Beschluss umzusetzen, so ihr Sprecher Christian Neuhaus.

Dabei hoffe das Unternehmen, dass die Befürworter der Öffnung sich jetzt für kostenorientierte Preise für die Swisscom einsetzten, damit die bisherige Monopolistin einen Anreiz habe, ihre Infrastrukturen zu erhalten und Investitionen zu tätigen.

swissinfo und Agenturen

Am 1. Januar 1998 tritt das neue Fernmeldegesetz (FMG) in Kraft Es gewährt der Swisscom weiterhin das Monopol auf der letzten Meile.

Am 22. Dezember 1998 spricht sich die Eidg. Kommunikations-Kommission (ComCom) für freien Wettbewerb auch auf der letzten Meile aus.

Am 15. März 2001 hebt das Bundesgericht die Verfügung der ComCom über die Öffnung der letzten Meile auf. Das Fernmeldegesetz lasse dies nicht zu.

Am 24. April 2002 trifft der Bundesrat den Grundsatzentscheid, das Swisscom-Monopol auf der letzten Meile aufzuheben. Kritisiert wird der Beschluss von der Sozialdemokratischen Partei (SP) und der Swisscom.

Von 2003 bis 2005 führt die Swisscom einen juristischen Kampf gegen die Liberalisierung der letzten Meile.

Am 21. März 2006, nach dreijähriger Diskussion über die Revision des FMG, zwingt das Schweizer Parlament die Swisscom, ihrer Konkurrenz den Zugang zum Breitband-Anschluss während vier Jahren zu gewähren. Das neue FMG tritt im Frühling 2007 in Kraft.

In der Telekommunikation bedeutet der Begriff “letzte Meile” das Kupferkabellnetz der seinerzeitigen PTT, das die Steckdosen von 4 Millionen Haushalten und Firmen mit den Ortszentralen verbindet.

Jeder Telefon- und Internetbenützer zahlt dafür monatlich mindestens Fr. 25.25, auch wenn er bei den konkurrierenden Marktneulingen abonniert ist.

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