Von Genf bis Bern – eine einzige Wirtschaftsregion
Um ausländische Unternehmungen anzuziehen, wollen mehrere Regionen in der Schweiz zusammenarbeiten, statt sich zu konkurrenzieren. Ab 2009 werden sechs Kantone aus der Romandie mit dem Kanton Bern gemeinsam werben.
Aus Amerika betrachtet scheinen Neuenburg, Sitten, Genf und Bern kaum weiter auseinander zu liegen als die Quartiere einer Metropole. Im Ausland verkauft sich die Schweiz deshalb bereits als «downtown Europe», als Zentrumsort von Europa.
Unter diesen Umständen macht es keinen Sinn, die Kunden für einen einzigen Kanton zu umwerben. Es ist Zeit, die Kräfte zu bündeln, auch wenn dadurch einzelne kantonale Empfindlichkeiten berührt werden.
Der Anstoss dazu kommt von oben. Vor zwei Jahren hat das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) beabsichtigt, die Aktivitäten sämtlicher Organisationen, die im Ausland aktiv am Image der Schweiz arbeiten, unter einem Dach zu vereinen. Die Wirtschaftsförderung, Schweiz Tourismus, sogar swissinfo.
Aber die Stellungnahmen haben deutlich gemacht, dass eine Zusammenlegung der verschiedenen Strukturen ein heikles Unterfangen wäre. Deshalb beschränkt sich das Projekt auf die rein wirtschaftlichen Organisationen: Export- sowie Standortförderung für ausländische Unternehmen in der Schweiz.
Leicht, wendig und billig
Der Zusammenschluss beginnt an der Basis. Am 11. Juni 2008 haben die Wirtschaftsminister der sechs Kantone aus der Romandie und jener des Kantons Bern eine Absichtserklärung unterzeichnet, dass sie ihre Anstrengungen zur Wirtschaftsförderung zusammenlegen wollen.
Bisher waren ihre Kräfte verzettelt. Waadt, Wallis, Neuenburg und Jura sind immerhin im «Development Economic Western Switzerland» (DEWS) zusammengeschlossen, Genf und Freiburg kämpften gemeinsam und Bern ganz allein.
Die neue Struktur sollte ab Anfang 2009 funktionieren. Die Konturen sind noch nicht scharf, aber die Promotoren versichern, dass sie leicht, wendig und nicht zu teuer sein werden.
«Die Teilnahme im DEWS hätte uns jährlich mehrere Millionen gekostet, ohne Garantie auf konkrete Resultate», sagt Christoph Aebischer, Kommunikationschef der Wirtschaftsförderung des Kantons Freiburg. «Die neuen Strukturen sollten flexibel sein, so wie unsere bisherige Zusammenarbeit mit Genf.»
Der Fall des Kantons Jura
Der Kanton Jura war auch skeptisch gegenüber DEWS und hatte mehrmals einen Austritt erwogen. Erst kürzlich sagte Wirtschaftsminister Michel Probst, dass die Ziele nicht einmal zu 50% erreicht wurden. 2008 habe DEWS eine einzige Unternehmung gewinnen können.
Trotzdem entschieden sich die Behörden für einen Verbleib bis eine effizientere Struktur geschaffen sei. Diese werde weniger kostspielig und flexibler sein, aber das Gravitationszentrum dürfte in der Genfersee-Region bleiben, gibt Michel Probst bekannt.
Deshalb hat der Kanton Jura ein gemeinsames Vorgehen mit der Region Basel erneut ins Spiel gebracht. Dieses Wirtschaftszentrum liegt für den Jura deutlich näher.
Gestützt auf eine vergleichende Studie wird sich die Regierung im Verlauf des nächsten Jahres entweder für Basel oder für die neue Westschweizer-Organisation entscheiden. Michel Probst könnte sich auch einen Zusammenschluss der Wirtschaftsförderung der gesamten Westschweiz von Basel bis Genf vorstellen, in welcher der Kanton Jura einen Platz in der Mitte hätte.
«Geneva and Swiss Capital Area»
Bis es soweit ist werden vorerst immerhin drei zusätzliche Kantone dazu kommen, die nicht im DEWS waren. Jacques Pasche, Direktor von DEWS, zeigt sich ein wenig überrascht, dass die Diskussionen, an denen er selber nicht beteiligt war, zu einem so schnellen Ergebnis führten. Die Ausweitung sei «eindeutig ein zusätzlicher Trumpf», sagt er.
«Es wird zweifellos einfacher werden, eine grössere, mehrheitlich frankophone Wirtschaftsregion zu verteidigen, in der starke Partner zusammenarbeiten und grosses wissenschaftliches, technologisches sowie finanzielles Potential vorhanden ist», freut sich der Chef von DEWS.
«Die Westschweiz und Bern, das bedeutet mehr Einwohner als in der ‹Greater Zurich Area›, und die Hälfte der Studenten der Hochschulen in einer ausserordentlich dynamischen Region», ergänzt Christoph Aebischer.
Diese Region könnte sich unter dem Label «Geneva and Swiss Capital Area» verkaufen. Der Name Genf ist weltweit bekannt – vielleicht noch bekannter als jener von Zürich.
Die ganze Romandie vereint mit der Hauptstadt unter dem Genfer-Banner? Ob es den Lokalpatrioten gefällt oder nicht, aber von Asien oder Amerika aus betrachtet, sind die kantonalen Grenzen wenig bedeutend.
Das gilt umso mehr, als dass die Romandie überwiegend nicht mehr von der Lex-Bonny profitiert, von jenem Gesetz, das erlaubt, Unternehmen beachtliche Steuerrabatte zu gewähren, wenn sie sich in «strukturschwachen» Wirtschaftsregionen niederlassen.
swissinfo, Marc-André Miserez
(Übertragung aus dem Französischen: Peter Siegenthaler)
Das Budget von DEWS beläuft sich auf 4,6 Mio Franken.
2007 haben sich 153 ausländische Unternehmen in den vier Kantonen (NE, VD, VS und JU) niedergelassen, die in den nächsten fünf Jahren mehr als 2000 Arbeitsplätze schaffen werden. Davon haben sich 68 Unternehmen Dank des Netzwerks von DEWS niedergelassen.
Für die Kantone haben sich die Bemühungen allerdings unterschiedlich ausgezahlt: 2007 konnten mit Unterstützung von DEWS im Kanton Waadt 24 Unternehmungen angesiedelt werden, in Neuenburg deren 19, im Wallis 21 und 4 im Kanton Jura.
Die Budgets der Kantone Freiburg (6,5 Mio.) und Genf (12,5 Mio.) lassen sich mit demjenigen von DEWS nicht vergleichen. In diesen Kantonen widmet sich die Wirtschaftsförderung nicht nur mit der Standortförderung für ausländische Unternehmen, sondern auch mit der Beratung jener Firmen, die sich bereits niedergelassen haben, und mit der Umsetzung der neuen Regionalpolitik.
Die Freiburger Wirtschaftsförderung hat nach eigenen Angaben mitgeholfen, im Jahr 2007 insgesamt 39 Gesellschaften mit 600 Arbeitsplätzen anzusiedeln.
In Genf datieren die aktuellsten Zahlen von 2006: Damals konnten 219 Firmen gegründet, erweitert oder aus dem Ausland angesiedelt werden. Wieviele Arbeitsplätze dabei geschaffen wurden, geht aus dem Jahresbericht nicht hervor.
Mit Unterstützung der Berner Wirtschaftsförderung konnten im Jahr 2007 im Kantonsgebiet 20 ausländische Firmen mit insgesamt 126 Arbeitsplätzen angesiedelt werden.
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