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Gefängnis für Immobilien-Pleitier Jürg Stäubli

Hoch gestiegen, tief gefallen: Der ehemalige Immobilien-Spekulant Jürg Stäubli. Keystone

Das Strafgericht Nyon hat Jürg Stäubli wegen Urkundenfälschung und ungetreuer Geschäftsführung zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und vier Monaten unbedingt verurteilt.

Hauptgeschädigte der 250-Millionen-Pleite ist die Genfer Kantonalbank, die laut Gericht für den erlittenen Schaden mitverantwortlich ist.

In den Achtzigern und Anfang der Neunziger Jahre hatte er als Golden Boy der Schweizer Immobilien-Branche gegolten.

Jetzt wandert der Financier Jürg Stäubli wegen Urkundenfälschung und ungetreuer Geschäftsführung ins Gefängnis. Freigesprochen wurde er von den Richtern in Nyon am Montag vom Vorwurf des Betrugs und des betrügerischen Konkurses.

Der 47-jährige Stäubli will das Urteil ans Waadtländer Kantonsgericht weiterziehen. “Wir haben eine Schlacht verloren, aber nicht den Krieg”, lautete sein Kommentar zum Urteil. Er sei kein Betrüger.

Keine Einsicht

Das Gericht beurteilte das Verschulden von Stäubli angesichts der Deliktsumme von mehreren Hunderttausend Franken als “relativ schwer”. Stäubli sei ein “wenig gewissenhafter” Mann, der aus “reinem Egoismus” gehandelt habe, um nicht “das Gesicht zu verlieren”, so der Richter bei der Urteilsverkündung. Auch habe er während der Verhandlung keine Reue oder Schuldgefühle gezeigt.

Der Fall Stäubli ist einer der grössten Wirtschaftsprozesse der Schweiz. Das Verfahren hatte zwei Monate gedauert, die Voruntersuchung ganze sieben Jahre. Stäubli präsidierte von 1989 bis 1996 die JS Holding AG mit mehr als 20 Tochtergesellschaften.

Genfer Kantonalbank kein Opfer

Sein bankrottes Imperium hinterliess ein Finanzloch von rund 250 Mio. Franken. Hauptgeschädigte Stäublis ist die Genfer Kantonalbank, die sich im Prozess als Opfer eines raffinierten Lügensystems darstellte. Die Bank verlor 150 Mio. Franken.

Das Gericht teilte aber diese Opferperspektive nicht. Vielmehr trage die Bank für den erlittenen Schaden eine Mitverantwortung. Nachdem sie 1990 gewarnt wurde, hätte die Bank die finanzielle Situation von Stäublis JS Holding erkennen sollen.

Dies umso mehr, als zwei Mitglieder der Genfer Kantonalbank in der JS Holding Stäublis gesessen seien. Ein “spezielles Lügengerüst” habe es nicht gegeben, so das Gericht weiter.

Nur halb zufrieden

Die Genfer Kantonalbank zeigte sich mit dem Urteil nur bedingt zufrieden. Zwar habe das Gericht den Tatbestand des Betruges nicht erkannt, jedoch der Bank 80’000 Franken für ihre Ausgaben zugesprochen. Die Bank will nun auf dem Zivilweg zu ihrem Geld kommen.

Von den Prozesskosten von 336’000 Franken brummte das Gericht Stäubli 150’000 auf, der Rest berappt der Staat.

Unter dem Antrag der Staatsanwaltschaft

Die Staatsanwaltschaft hatte eine Zuchthausstrafe von vier Jahren und zehn Monaten gefordert. Die Verteidigung dagegen hatte auf eine bedingte Strafe plädiert.

Stäubli hatte während des Immobilienbooms in den 80-er Jahren als “Golden Boy” gegolten. Er sorgte damals mit seinen Immobiliengeschäften und Engagements in der Sportwelt für Aufsehen und war eine Zeit lang gar Tenue-Ausrüster der Schweizer Fussball-Nationalmannschaft.

Ein abruptes Ende fanden die Geschäfte durch seine Verhaftung im Dezember 1996 am seinem Wohnort in Prangins. Er wurde nach 81 Tagen gegen Bezahlung einer halben Million Franken Kaution auf freien Fuss gesetzt.

Über CD gestolpert

Aufgeflogen waren die Machenschaften von Stäubli 1996 nach dem Konkurs seiner Waadtländer Gesellschaften WR Constructions, Bühlmann Frères und Hämmerli.

Der Berner Financier, der in den 80-er Jahren in die Romandie übergesiedelt war, war bereits Ende 2001 wegen versuchter Anstiftung zum Diebstahl zu 45 Tagen Gefängnis bedingt verurteilt worden. Er hatte versucht, in den Besitz einer CD-ROM zu gelangen, die zivil- und strafrechtlich relevante Informationen gegen ihn enthielt.

swissinfo und Agenturen

Die Pleite des Stäubli-Imperiums hinterlässt ein Loch von 250 Mio. Franken.
Neben der Affäre Werner K. Rey ist der Prozess gegen Stäubli einer der grössten der Schweizer Wirtschaftsgeschichte.
Die Untersuchung dauerte sieben Jahre, der Prozess zwei Monate.
Es wurden rund 100 Zeugen einvernommen.

Das Strafgericht Nyon hat Stäubli am Montag wegen Urkundenfälschung und ungetreuer Geschäftsführung zu zwei Jahren und vier Monaten unbedingt verurteilt.

Die Waadtländer Staatsanwaltschaft forderte eine Zuchthausstrafe von vier Jahren und zehn Monaten.

Die Verteidigung dagegen plädierte für eine bedingte Strafe.

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