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Jodlerfest mit hoher Auslandschweizer-Beteiligung

Der Swiss Yodel Club aus Sydney singt im Hotel Des Alpes in Luzern. swissinfo.ch

Am Eidgenössischen Jodlerfest in Luzern melden die Organisatoren eine hohe Beteiligung von Jodlerchören aus dem Ausland. Einziger Wertmutstropfen: Sie kommen alle aus Übersee. In Europa selbst gibt es kaum noch Nachwuchs in den Jodlerclubs.

Die Veranstalter des Eidgenössischen Jodlerfests zählen gegen 360’000 Besuchende – ein neuer Rekord. Diese hören sich am Wochenende in der Innenstadt die Darbietungen der Chöre und Musikgruppen an.

Einige Sänger-Gruppen an diesem alle drei Jahre stattfindenden Grossanlass kommen von weit her: Auckland, Sydney, Calgary oder New Glaris bei Chicago.

“In Europa selbst gibt es kaum noch Jodler-Clubs wie früher”, bedauert Ueli Walther gegenüber swissinfo. Er ist im Organisationskomitee des Eidgenössischen Jodler-Verbands (EJV) zuständig für die Auslandschweiz.

“Jeweils eine Gruppe wird vom Verband als offizielle Vertreterin der Auslandschweiz eingeladen”, sagt Walther. “Wie viele aber sonst noch kommen, hängt von der jeweiligen Wirtschaftslage und der Nachwuchs-Situation ab.”

Späte Jodler-Karriere in Sydney

Ein Extremfall, was seine Rekrutierung als Nachwuchskraft betrifft, ist Alois Kretz. Der Präsident der Swiss Yodlers & Alphorn Group aus Sydney erzählt: “Ich war fast schon 60, als ich mit dem Jodeln und Singen begann.”

Andere Club-Jodler aus Sydney kämen vom Gesang her: Einer sang in der Schweiz in einem Männerchor, bevor er auswanderte, ein anderer nahm früher Gesangsstunden.

“Wichtig war mir, dass alle Schweizer im Chor das Schweizerdeutsche noch beherrschen”, betont Kretz.

Die Herausforderung in einem Chor im Ausland sei ganz anders als in einem inländisch regionalen: “In Sydney sind wir mit vielen Dialektvarianten konfrontiert, weil Leute aus allen Teilen der Deutschschweiz mitsingen. Aber die Liedertexte benutzen Worte, zum Beispiel aus dem Berndeutschen, die etliche von uns gar nicht verstehen.”

Künstler sind die australischen Schweizer Jodler offenbar auch in anderen Bereichen: Kretz kam 1967 als 24-jähriger Postbeamter nach Australien, nachdem er zuerst nach Brasilien zu seinem Onkel auf eine Kaffeeplantage wollte.

Allrounder als Sänger

“In der Basler Zeitung suchten sie Lastwagenfahrer für den äussersten Süden Australiens. Doch als ich dort ankam, gab es gar keine Lastwagen!” Das Inserat sei nur so aufgegeben worden, weil sonst keine Leute aus Europa gekommen wären.

Statt Lastwagen zu fahren, rodete er schliesslich mit einem Traktor Wald. Dann zog er Zäune, reparierte Autos und baute in Perth Chalets im Schweizer Stil, zusammen mit ausgewanderten (damals) Jugoslawen und vielen Deutschen – die ohnehin immer dachten, er sei ein Schwarzwälder.

Das Allrounder-Prinzip lässt er auch als Chor-Präsident gelten: “Beim Nachwuchs nimmt man, wen man kriegt.” Ob er musikalisch sei, zeige sich dann mit der Zeit.

“Wie falsch oder richtig man singt”, relativiert sein Jodel-Kollege Erich Hauri gegenüber swissinfo, “hängt stark vom Dirigenten ab!”.

Alphorn und Didgeridoo

Ein Instrument hätten sie zuhause gelassen, so die Australier, nämlich das “australische Alphorn” der Ureinwohner, das Didgeridoo. “Wir hatten sogar schon gemischte Auftritte Alphorn – Didgeridoo – Jodeln”, sagt Kretz.

Auch als Blasinstrumente-Duo töne die Kombination sehr gut. Einer im Yodel Club sei sogar im Stande gewesen, das Kurz-Alphorn wie ein Didgeridoo zu blasen.

Ein weiterer Alphorn-“Exote”, der in Luzern mit seinem Instrument auftritt, ist Pietro Germano. Der Italiener aus dem Trentino wohnt zwar näher bei der Schweiz als die Ausland-Schweizer aus Übersee. Doch im Gegensatz zu ihnen fühlt er sich beim Üben manchmal etwas allein.

“Deshalb geniesse ich diese Jodlerfeste sehr”, sagt er, und fügt mit Stolz an, beim letzten Fest in Aarau zusammen mit seinem Lehrer mit einem zweiten Rang ausgezeichnet worden zu sein.

“Ich bin der einzige Alphorn-Bläser in der ganzen Provinz Trento”, schätzt er gegenüber swissinfo. Seinen Lehrer Urs Patscheider treffe er jeweils wenige Mal im Jahr – meist in Graubünden, oder in Österreich. Mit ihm und seinen Kompositionen tritt er auch an den Jodlerfesten auf.

Allrounder all’italiana

Seine Passion fürs Alphorn sei eine Liebe auf den ersten Blick gewesen. Der italienische Allrounder ist eigentlich Lehrer für Betriebswirtschaft.

Das Alphorn sei ein ideales Berg-Musikinstrument, meint er. Und hofft deshalb, dass es sich mit der Zeit über das gesamte Alpengebiet verbreitet und im Trentino Wurzeln schlägt.

“Wir kennen in unserem Gebiet die so genannten Cori di montagna”, so Germano, eine Art norditalienische Bergler-Chöre. “Da liesse sich das Alphorn einführen, nur kennt Italien diese Tradition noch nicht.”

Um seine musikalische Aussenposition etwas auszugleichen, sei er nach Luzern ans Jodlerfest gekommen. “Glücklicherweise besuchte ich als Junge vier Jahre das Musikonservatorium und spielte Klavier. Ohne das Notenlesen und die musikalischen Grundkenntnisse hätte ich es wohl kaum geschafft, mir beim Alphorn so Vieles alleine anzueignen.”

swissinfo, Alexander Künzle, Luzern

Clubs aus dem Ausland:
Jodlerclub Heimattreu, Calgary, Kanada
Yodel Club New Glaris, Monticello, Wisconsin, USA
Swiss Kiwi Yodelgroup, Auckland, Neuseeland
Swiss Yodlers Sydney, Australien
Wildrose Yodel Club, Central Alberta, Kanada

Die auslandschweizerischen Jodlerchöre werden vom Eidg. Jodlerfest besonders gepflegt.

Ein Chor wird offiziell eingeladen und vertritt damit die gesamte Fünfte Schweiz.

Am Fest selber werden die Auslandschweizer in einer separaten Feier begrüsst und vorgestellt.

Zur Zeit partizipieren nur Gruppen aus Übersee. Wie viele kommen, hängt von der jeweiligen Wirtschaftslage und der Situation beim Nachwuchs ab.

Eigentlich können Ausländer laut Ueli Walther vom Organisationskomitee gar nicht Mitglieder des Jodler-Verbands werden.

Doch Musik geht über Statuten: Für interessante ausländische Interpreten werden Ausnahmen gemacht.

Dank Ausnahmebewilligungen können sie auftreten und werden im Programm aufgeführt.

Oder sie treten wie der italienische Alphornbläser Pietro Germano in gemischten Gruppen auf.

Das Gros der teilnehmenden Ausländer stammt aus dem Grenzgebiet, von wo es auch einfacher ist, das nationale Jodelgeschehen mitzuverfolgen.

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