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Die Schweiz abseits der Touristenpfade

Pfad mit Füssen aus Holz
Der Barfussweg in Rebeuvelier ist ein einsames Erlebnis. swissinfo.ch

Es gibt in der Schweiz auch weniger bekannte und günstigere Ferienorte als St. Moritz und Zermatt. swissinfo.ch hat den Kanton Jura ausgekundschaftet und dabei Erstaunliches entdeckt.

Weidende Pferde, Rinderherden, wilde Felsschluchten, Planwagen als Transportmittel und Trockenfleisch als Proviant – der Jura ist der Wilde Westen der Schweiz. Mit seinen bewaldeten Hügeln, den Flüssen, Teichen und grünen Hochebenen erinnert das Gebiet im Nordwesten der Schweiz an der Grenze zu Frankreich ein wenig an Montana und die steilen Kalksteinfelsen an den Grand Canyon.

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Bei Schweizer Touristen ist der Jura vor allem zum Wandern, Biken, Reiten und Kanufahren beliebt. Aber taugt er auch für günstige Familienferien mit kleinen Kindern? swissinfo.ch hat Delsberg und Rebeuvelier besucht, um sich ein Bild von der Ferienregion zu machen.

Ausgestorbene Altstadt

Wir beginnen unsere Tour am Bahnhof von Delsberg. Zu Beginn des viertelstündigen Marsches zur Altstadt, die etwas erhöht liegt, kommt es zu einer ersten Verzögerung: Beim Bahnhofsplatz erregt ein Wasserspiel die Aufmerksamkeit des zu Testzwecken mitgebrachten Kindes. An ein Weitergehen ist nicht zu denken. Das Kind gesellt sich zur Schar der anderen Kinder, die durch die Fontänen hüpfen und dem Wasser auszuweichen versuchen.

Ein lachendes Kind rennt vor den Wasserfontänen davon
Am Bahnhof Delsberg gibt es die erste Attraktion für Kinder: Wasserfontänen. Foto: Sibilla Bondolfi

Menschen sitzen um den Platz, trinken Kaffee oder Wein und beobachten das Spiel der Kinder. Das hier könnte fast Italien oder Spanien sein. Im Vergleich zu diesem bunten Treiben des lebhaften und geschäftigen Bahnhofsquartiers wirkt die pittoreske Altstadt von Delsberg ausgestorben – um nicht zu sagen museal.

Altstadtstrasse von Delsberg
Delsberg ist bevölkerungsmässig die grösste Gemeinde des Kantons Jura. swissinfo.ch

Auch der Hof vor dem SchlossExterner Link ist völlig verlassen. Während einer Stunde sind wir die einzigen Besucher, die an dem lauschigen Plätzchen verweilen. Und der Schlossbrunnen führt kein Wasser, obschon Hochsommer ist.

Jurassische Leckereien und Spielspass

Kinderwagen in einer Schneise eines Maisfeldes
Zu Fuss durch das Maislabyrinth. swissinfo.ch

Wer in Delsberg Hunger bekommt, braucht nicht unbedingt ein Restaurant aufzusuchen. Im Supermarkt der Altstadt gibt es jurassische Spezialitäten, zum Beispiel Trockenwürste mit Knoblauch, Räucherspeck, Tête de Moine (Käse) und diverse Obstschnäpse. Die jurassische Küche ist bekannt für rezenten Sauerrahmkuchen, fettige Kümmelwürste und Pflaumenschnaps.

Wir verlassen die Altstadt und spazieren auf die andere Seite des Bahnhofs. Dort liegt das grösste Maislabyrinth der Schweiz. In das Feld wurden breite Schneisen gehauen, die mit einem geländegängigen Kinderwagen relativ problemlos begehbar sind. 

Am Ende des Labyrinths lockt ein Spielparadies mit Hüpfburgen, Trampolins und Kletterwand. Animatoren spielen mit den älteren Kindern Geschicklichkeitsspiele, während die Erwachsenen sich in Liegestühlen ausruhen. Hier geht es deutlich lebhafter zu und her als in der historischen Altstadt.

Ein Kind rutscht in einer Hüpfburg die Rutschbahn runter.
Spiel und Spass in den Hüpfburgen. swissinfo.ch

Spuren der Separatisten

Gegen Abend fahren wir mit dem Postauto von Delsberg in das kleine Bauerndorf Rebeuvelier. Vom Fenster aus sieht man leere Fabrikhallen, halb verfallene Häuser und heruntergekommene Herrschaftshäuser, die von besseren Zeiten der einst blühenden Uhrenindustrie zeugen. Heute ist der Kanton Jura einer der ärmsten Kantone der Schweiz. Fast fühlt man sich in die Geisterstädte des Wilden Westens versetzt…

In Rebeuvelier geht es zu Fuss vorbei an einer hübschen Kapelle zum Dorfplatz. Dort erinnert der Schriftzug “Libre Jura” an einer Hausfassade an die bewegte Geschichte der Region. Der Jura ist nämlich nicht nur Wilder Westen und Uhrenmekka, sondern auch das Nordirland der Schweiz: Früher gehörte das französischsprachige und mehrheitlich katholische Gebiet zum deutschsprachigen und protestantischen Kanton Bern. Das führte zu ethnisch-religiösen Konflikten und einer Separatistenbewegung, die mit Sprengstoffanschlägen für Unruhe sorgte.

Der über 200-jährige Konflikt konnte unblutig gelöst werden: 1978 sagte das Schweizer Volk mit 82,3 Prozent Ja zum neuen Kanton Jura. Erst kürzlich hat sich die Stimmbevölkerung des bernischen Moutiers für einen Wechsel zum Kanton Jura ausgesprochen.

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Übernachtung im Planwagen

Im Jura gibt es viele spezielle ÜbernachtungsmöglichkeitenExterner Link, die vor allem für Kinder ein Hit sind, sei es eine Nacht im Tipi, Zirkuswagen, der Jurte oder im Baumhaus. Wir haben uns für die “Calèche” auf dem Camping du RaimeuxExterner Link entschieden. Das ist eine Art Mini-Planwagen. Das Innere des Wagens ist ausgefüllt mit einer Heumatratze, auf der es sich erstaunlich bequem liegt. Geweckt wird man vom Muhen der Kühe sowie von Vögeln, die sich unter Gekreisch auf der Plane des Wagens niederlassen, so dass dieser ins Wackeln gerät.

Ein kleiner Planwagen steht vor einer Hecke.
Abenteuerliche Übernachtung in der “Calèche” auf dem Camping du Raimeux. swissinfo.ch

Der Planwagen liegt am Rande des Zeltplatzes. Vom Bett aus hat man einen direkten Blick auf die grünen Hügel. Zum Frühstück gibt es frischen Zopf, der bei der Campingbetreiberin am Vorabend bestellt werden kann.

Eine schöne Überraschung: Auch bei einer Übernachtung auf dem Campingplatz gibt es – wie in einigen Hotels – den Jurapass gratis dazu. Dieser berechtigt zur freien Fahrt mit den öffentlichen Verkehrsmitteln durch den Jura. Die Nacht im Planwagen kostet übrigens nur 20 Franken – kleine Kinder sind gratis.

Zwei Tipis stehen im Grünen eines Campingplatzes
Auf dem Camping du Raimeux kann man auch in Tipis übernachten. swissinfo.ch

Ein einsames Abenteuer

Am nächsten Tag geht es zum Restaurant du MoulinExterner Link, das Ausgangspunkt für den Jura-AbenteuerparkExterner Link ist, der Klettern in den Baumwipfeln, Trottinettfahrten und einen Barfussweg anbietet. Doch entgegen der Angaben auf der Website ist im Café am Vormittag keine Menschenseele zu sehen. Die Türen sind verschlossen. Auch das Pförtnerhäuschen des Barfussweges ist verlassen.

Zum Glück kann der Barfussweg auch auf eigene Faust erkundet werden. Am Anfang des Weges ist eine Kasse installiert, in die man 5 Franken einwirft – und schon kann es losgehen. Mit nackten Füssen über Tannzapfen, durch Bachbeete, über Weinflaschen, Kiesel und Korken – der Barfussweg ist ein echtes Sinneserlebnis. Und eine wunderschöne Wanderung über Wiesen, durch den Wald und an einem Weiher vorbei. Der 2 km lange Pfad ist auch mit Kleinkindern gut zu bewältigen, allerdings muss man aufpassen, dass sie nicht von den schmalen Holzbrücken fallen.

Kinderfüsse auf Tannenzapfen
Barfuss über Tannzapfen – ein lustiges Gefühl. swissinfo.ch

Eher etwas für Erwachsene sind die Stationen, wo man nach Kneipp’scher Methode Unterarme und Beine in eisigem Wasser kühlt, was den Kreislauf ankurbelt und gut für die Gesundheit sein soll.

Am Ende des Weges folgt eine Enttäuschung: Der Mini-Abenteuerpark für die Kleinen ist wegen Umbauarbeiten geschlossen. Obwohl Hochsaison ist, sind wir noch immer niemandem begegnet. Fazit: Der Jura ist die perfekte Feriendestination für Abenteurer, Romantiker und Familien, welche Einsamkeit und Abgeschiedenheit schätzen.

St-Ursanne: Mittelalterliche Kleinstadt mit Stiftskirche und Kreuzgang aus dem 12. Jahrhundert

Pruntrut: Altstadt mit Kirchen und mittelalterlichem Schloss, Jurassica-Museum und Botanischer Garten

Develier: Das Museum Chappuis-Fähndrich zeigt historische Alltagsgegenstände des Juras

Les Breuleux: Pferdealtersheim Le RoseletExterner Link

Soulce: Dörfchen mit vielen alten Bauernhöfen, das unter Heimatschutz steht

Delsberg: Altstadt, Schloss und Jurassisches Museum

Réclère: Tropfsteinhöhlen und Préhisto-Park

Zwischen Tramelan und Saignelégier: Naturschutzgebiet mit Moorsee

Jurassische Eisenbahngesellschaft: Fahrten im historischen Dampfzug mit Überfall durch berittene CowboysExterner Link

Uhrenindustrie: Uhrmacherzug, Führungen sowie diverse Museen. In Pruntrut kann man eine Fabrik besichtigen und die Herstellung einer Uhr mitverfolgen, oder sogar selber eine Uhr machen und als Souvenir mit nach Hause nehmen!


Val di CampoExterner Link

Im abgelegenen Puschlaver Tal wandert man über Hochebenen, Weiden, durch Lärchen- und Arvenwälder und an türkis- und kobaltblauen Seen entlang. Wer die unberührte Natur abseits übervölkerter Touristenhotspots sucht, ist hier richtig. Eine Übernachtungsmöglichkeit gibt es in der SAC-BerghütteExterner Link. Geübte Wanderer gehen bis über die italienische Grenze und belohnen sich mit einer über dem Feuer gekochten Polenta im Rifugio ViolaExterner Link.

Kanton AargauExterner Link

Schlösser, Burgen, römische Ruinen, Heilbäder, Wandern und Velofahren – der Aargau hat mehr zu bieten als Atomkraftwerke und Autobahnen. Geschichtsinteressierten seien die Ruinen des römischen Legionslagers VindonissaExterner Link mitsamt LegionärspfadExterner Link, das antike Theater und die Thermen von Augusta RauricaExterner Link und das RömerfestExterner Link empfohlen, Weinliebhabern der Weinweg Brugg-VilligenExterner Link und Geniessern die Thermal- und Schwefelbäder Bad SchinznachExterner Link und ZurzachExterner Link. Wussten Sie, dass Endingen und Lengnau Ende des 18. Jahrhunderts die einzigen Schweizer Ortschaften waren, in denen Juden und Jüdinnen sich niederlassen durften? Der Jüdische KulturwegExterner Link zeugt vom blühenden jüdischen Leben in dieser Region.

Zürcher WeinlandExterner Link

Die schönsten und ältesten Riegelhäuser (Fachwerkbauten) der Schweiz befinden sich im Bezirk Andelfingen des Kantons Zürich, genauer: in Ober- und Unterstammheim sowie Marthalen. Im Zürcher Weinland gibt es zudem zahlreiche SchlösserExterner Link, beispielsweise das Schloss AndelfingenExterner Link mit ParkanlageExterner Link, die Schlösser GirsbergExterner Link und SchwandeggExterner Link aus dem 13. Jahrhundert oder das geschichtsträchtige Schloss Berg am IrchelExterner Link. Weitere Highlights der Region: Das mittelalterliche Dorf RheinauExterner Link mit ehemaligem Benediktinerkloster und Barockkirche, die GalluskapelleExterner Link mit Fresken aus dem 9. Jahrhundert sowie das Naturzentrum ThurauenExterner Link. Und nicht zu vergessen: Der imposante RheinfallExterner Link.

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Eine lächelnde Frau vor dem Stadthaus Baden

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Reisen wie die Einheimischen

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Die Amerikanerin Chantal Panozzo hat fast zehn Jahre in der Schweiz gelebt und ein Buch mit Reisetipps geschrieben.

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