The Swiss voice in the world since 1935
Top Stories
Schweizer Demokratie
Newsletter

Keine Schuldzuweisung durch gerettete Höhlenbesucher

Marc Freivogel, einer der sieben Studierenden, die mehr als 70 Stunden in der Jura-Höhle ausharren mussten. Keystone

Die acht aus der Höhle im französischen Jura geretteten Schweizerinnen und Schweizer haben am Montag Schuldzuweisungen für das Höhlendrama zurückgewiesen. An einer Medienkonferenz in Zürich schloss Marc Freivogel im Namen der Gruppe menschliches Versagen aus. Es seien Untersuchungen abzuwarten.

Freivogel schilderte den Verlauf der ursprünglich auf zwei Stunden angelegten Höhlenbegehung, die etwa 300 Meter ins Erdinnere und in eine Tiefe von etwa 250 Metern geführt hatte. Unterwegs gebe es eine bekanntermassen bis etwa Hüfthöhe überflutete Stelle; laut der Gruppenführerin der Basler Veranstalterfirma Altamira, Judith Steinle, ist diese Stelle auch in Trockenperioden überflutet. Bei der Rückkehr zur Erdoberfläche war der Ausgangsstollen laut Freivogel etwa 50 Meter vor dem Ausgang überflutet.

Steinle habe die Gruppe darauf an einen sicheren Platz zurück geführt. Als Freivogel und Steinle nach etwa einer Stunde Nachschau hielten, war das Wasser um vier bis fünf Meter angestiegen.

Die Gruppe wartete laut Freivogel zunächst gelassen. «Wir wussten, dass (Altamira-Besitzer) Valentin Von der Mühll um 21.00 Uhr Alarm schlagen würde», sagte er. Die Gruppe vertrieb sich die Zeit mit Warmgeben, Gymnastik, Geschichten und Liedern. «In der ersten Nacht kamen wir relativ gut zum Schlafen, jeweils etwa drei Stunden», sagte Freivogel. Die Gruppe hatte eine Wärmedecke, eine Bettflasche, eine kleine Apotheke, ein Seil und eine Taschenlampe mit Reservebatterien bei sich.

In der zweiten Nacht konnte jeweils nur etwa eine halbe Stunde geschlafen werden. In dieser Nacht rutschte die Teilnehmerin Gabi Müller aus und verrenkte sich ein Knie; es sei laut den Ärzten bald wieder in Ordnung.

«Am Freitagmorgen haben wir zuerst ein Hallo gehört» erzählte Steinle. Dann tauchten zwei Taucher bei den Eingeschlossenen auf. Einer kehrte um und brachte später warme Suppe und Nahrungsriegel, der andere blieb vor Ort. Als dieser Taucher die Gruppe erneut verliess, drang ein Bach aus einem Seitengang in den Stollen, der sich zum reissenden Wildbach entwickelte. Steinle schickte die Gruppe zu einem etwa 50 Meter höher gelegenen, Galerie-ähnlichenPlatz, der einigermassen trocken war.

«In dieser Zeit war erstmals jeder allein auf sich gestellt», sagte Freivogel. Die Platzverhältnisse waren prekär. So musste Silvia Wehrli rund 20 Stunden bewegungslos am gleichen Platz stehen. «Es war ziemlich schwierig», erzählte sie, und weiter: «Ich hatte grosse Angst hinunter zu fallen. Ich habe aber auch Kraft im Körper gespürt.» Alles, was draussen war, habe sie verdrängt und sich einzig auf die innere Kraft konzentriert.

Warnung bestritten

Steinle und Freivogel bestritten, von Einheimischen vor dem Einstieg in die Höhle gewarnt worden zu sein. Eine in den Medien zitierte Wirtin habe von einer andern Höhle gesprochen, sagten sie. «Ich mache mir keine Vorwürfe», sagte Steinle, und weiter: «Ich habe meine Aufgabe als Gruppenführerin erfüllt. Die mir anvertrauten sieben Leute sind am Leben.»

Die ausgebildete Lehrerin und Jugend-und-Sport-Expertin steht vor dem Abschluss des Psychologiestudiums an der Universität Bern. Steinle hat nach eigenen Angaben mehrere Dutzend Höhlenführungen gemacht. In der Höhle an der französisch-schweizerischen Grenze warsie insgesamt aber erst zweimal (richtig), und zwar am vergangenen Mittwoch zuerst an einer Besichtigung und anschliessend mit der Gruppe. Eine eigentliche Ausbildung als Höhlenführerin (richtig) gebe es nicht.

Vom Ausmass des Wassereinbruchs zeigte sich Steinle überrascht. Für dessen Herkunft erwähnte sie drei Hypothesen: Eine andere Höhle könnte durchgebrochen sein, der Berg könnte sich vollgesaugt und an dieser Stelle entladen haben oder es könnte einen Zusammenhang mit Sprengungen der Rettungsmannschaften geben.

swissinfo und Agenturen

Mit der Schweiz verbunden

Beliebte Artikel

Meistdiskutiert

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft