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Alles andere als der harmlose Kuhschweizer

Comedian Alain Frei auf der Bühne
swissinfo.ch

Er ist nicht der niedliche Klischee-Schweizer, auch wenn der Solothurner Comedian Alain Frei mit diesem Image auf deutschen Bühnen kokettiert. In Deutschland zählt er mittlerweile zu den Grossen der Comedy-Szene.

Hier im berühmten Berliner “Quatsch Comedy Club” an der Friedrichstrasse hätte seine Karriere 2010 fast geendet, bevor sie überhaupt begann. “Ich habe mich damals spontan für eine Talent-Show angemeldet”, erinnert sich Alain Frei. “Und bin dann in der ersten Runde rausgeflogen.”

Heute Abend ist der 35-Jährige zurück im Mekka der Comedy-Szene und wartet in der Garderobe auf seinen Auftritt. Nebenan füllt sich der Saal. Er hat es geschafft. Alain Frei ist mittlerweile in der höchsten Liga der Comedians angekommen.

Alain Frei

heisst eigentlich Alain Ruetschli und übernahm seinen Künstlernamen von seiner Mutter. Der Comedian wurde 1983 in Solothurn geboren und lebt seit 2004 in Deutschland. In Hamburg absolvierte er von 2006 bis 2009 eine Schauspielausbildung und versuchte sich ab 2010 als Standup-Comedian. 

Mittlerweile wohnt er in Köln und ist regelmässiger Gast in Comedy Shows der ARD und an 150 Tagen im Jahr auf Bühnen in Deutschland, Österreich und der Schweiz unterwegs. Alain Frei hat zahlreiche Kleinkunst- und Comedy-Preise gewonnen. Er tritt mit seinen Soloprogrammen und als festes Ensemble-Mitglied von rebell comedyExterner Link auf.

Seine Auftritte werden auf Youtube bis zu eine Million Mal angesehen. “Es läuft gut”, sagt er, doch es habe seine Zeit gedauert. “Am Anfang bin ich auch mal vor 20 Zuschauern aufgetreten.”

Nervös vor dem heutigen Auftritt? Alan winkt ab, nein. Mit seiner aktuellen Show “Ich bin so Frei” tourt er bereits seit zwei Jahren durch ganz Deutschland und auch die Schweiz. Da sitzt jede Pointe und jeder Gag. 

“Es wird Zeit für mein neues Programm”, räumt er selber ein. Denn die Spontanität, der schnelle Witz, all das darf nicht in der Routine ersticken. Seine neue Show ist zu 80 Prozent fertig, sagt er. Ab Dezember geht er mit ihr auf Tour.

Wenig später unterhält Alain Frei sein Berliner Publikum, als würde er seine abstrus-komischen Geschichten und Beobachtungen aus dem Alltag zum ersten Mal erzählen. Pointen würzt er gerne mit einem leicht erstaunten Lachen, das alles frisch und unverbraucht daherkommen lässt.

Bei Rassismus kennt er keinen Spass

In der deutschen Comedy-Szene gilt Alain Frei als der Schweizer, doch was er von Schweizer Klischees hält, stellt der in Solothurn Aufgewachsene gleich anfangs klar. Vom Band ertönen Glocken, eine Kuh muht aus tiefster Kehle. 

“Ist das euer Bild von der Schweiz”, fragt er ins Publikum. Das nickt heftig. Dann werft es gleich weg, sagt er lachend. Und doch knüpfen zahlreiche seiner Geschichten an seine Herkunft an, daran, wie niedlich und harmlos ihn viele Deutsche finden, selbst wenn er derb auf Schweizerdeutsch flucht.

Doch unter dem vermeintlich harmlosen Charme verbirgt sich manch böse Bemerkung. Zum Beispiel über Rassisten, die seinen aus dem Senegal adoptierten deutschen Freund Jürgen behandeln, als sei er des Deutschen nicht mächtig. 

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Bei Rassismus kennt Alain Frei keinen Spass. “Den verstehe ich einfach nicht”, sagt er ernst – um wenig später mit rassistischen Klischees über Asiaten zu spielen. Ohne Grenzüberschreitungen und das Durchbrechen von Erwartungen kommt Comedy eben nicht aus.

Humor über die Grenze

Lachen die Schweizer über andere Witze? Eigentlich nicht, so seine Erfahrung. Nur jene Teile seines Programms, in denen er den Deutschen die Schweiz erklärt, die lässt er in seiner Heimat eben weg.

Doch Erzählungen über überprotegierende Mütter, die am Bahnhof nicht aufhören zu winken und nervige Neffen, die funktionieren grenzüberschreitend. Einziger Unterschied: In der Schweiz erzählt er sie auf Schweizerdeutsch. In Deutschland spricht er astreines Hochdeutsch.

Mit dem richtigen Gespür fürs Publikum

Comedy ist harte Arbeit, die Kunst ist, es ihr nicht anzumerken. Die Pointen müssen wirken, als seien sie spontan erdacht. Meist sind sie das natürlich nicht, aber zu Freis grossen Stärke gehört, dass er eben auch das beherrscht: spontan und witzig mit dem Publikum zu interagieren und improvisieren, zum Beispiel, wenn in der ersten Reihe ein Handy klingelt. 

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Er besitzt ein gutes Gespür dafür, welchen Zuschauer er im Laufe des Abends immer mal wieder hochnehmen kann, ohne dass es diesem oder gar dem ganzen Publikum peinlich wird. Das sind dann mit die besten Momente der Show.

Heute Abend hat Alain Frei im Publikum Monty erspäht. Der grossgewachsene junge Konditor sitzt mit seiner Freundin ganz nah an der Bühne und muss erst einmal einige Gags über seinen Namen, sein Datingverhalten und seinen Job über sich ergehen lassen. 

Doch Monty versteht Spass und lacht mit. Ganz zum Schluss wird er mit Alain Frei auf der Bühne die Sage von Wilhelm Tell nachspielen und Geräusche imitieren. Das Publikum johlt. Monty ist von der Lachnummer zum Co-Star des Abends geworden

Nur nichts persönlich nehmen

Planen lässt sich eine solche Stimmung jedoch nicht. “Jede Show ist anders”, weiss Alain Frei aus Erfahrung. Und wenn es mal nicht läuft und der Funke einfach nicht überspringe, dann dürfe man das nicht persönlich nehmen.

Sein Vater in Solothurn hatte einst schlaflose Nächte, als Alain Frei ihm eröffnete, dass er Comedian werden will. Da hatte der Sohn bereits eine Schauspiel-Ausbildung in Hamburg hinter sich. Frei lebt seit 15 Jahren in Deutschland, mittlerweile in Köln. 

“So richtig Schweizerisch fühle ich mich nicht mehr”, sagt er. Auch wenn das Land natürlich seine Heimat sei und er seine Familie dort regelmässig besuche. Seine Oma finde ihn allerdings gar nicht lustig, gestand er einmal in einem Interview.  

Und wie viel Schweizer steckt noch in ihm selber? Alain Frei muss kurz nachdenken, dann sagt er lachend: “Die Höflichkeit. Viele Deutsche merken häufig an, was ich für ein höflicher Mensch bin.” Und das sei ja ein Schweizer Klischee, mit dem es sich durchaus gut leben lasse.

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