Die Zähmung des edlen Wilden
Seit sieben Jahren rührt die "weisse Massai" aus Biel die Herzen von Millionen. Jetzt ist die Geschichte ihrer Amour Fou zu einem Massai in den Kinos zu sehen.
Mit einem Budget von 9 Mio. Franken wurde der Bestseller von Corinne Hofmann vor schöner kenyanischer Kulisse verfilmt – mit echten Massai als Dekor.
Entweder man liebt das Buch oder man verabscheut es. Ein Dazwischen gibt es bei «Die weisse Massai» offensichtlich nicht.
Man mag nicht nachvollziehen können, wie Corinne Hofmann sich auf ihrem Badeurlaub in Kenya Knall auf Fall in Lketinga, einen Massai vom Stamm der Samburu, verlieben und ihr Leben in Biel aufgeben konnte, um zu ihm in den Busch zu ziehen.
Ein zumindest ehrliches Buch
Vielleicht staunt man auch darüber, wie sie sich ohne Kenntnis der afrikanischen Geschichte und Kultur wie auch ohne jegliches soziales und politisches Verantwortungs-Bewusstsein in das exotische Sex-Abenteuer stürzte.
Es liegt in der Natur einer Amour Fou, dass ihr mit vernünftigen und moralischen Argumenten nicht beizukommen ist. Warum man sie und deren Scheitern allerdings in alle Welt herausposaunen und sie schamlos vermarkten muss, bleibe dahingestellt. Zumindest in ihrem ersten Erlebnisbericht wirkt Hofmann ehrlich und authentisch.
Das Schweigen der Massai
Vom Film der deutschen Regisseurin Hermine Huntgeburth kann man das jedoch nicht behaupten. Zunächst wohl, weil es sich dabei um eine Erzählung aus zweiter Hand handelt. Dann aber vor allem auch weil Lemalian, wie Lketinga im Film heisst, dessen Familie und Afrika generell dem Rührstück als exotischen Dekor dienen.
Carola Lehman, so der Filmname von Corinne Hofmann, und Lemalian leben mit einer älteren Frau und ein paar Kindern zusammen in einer kleinen Lehmhütte.
Man kann nur darüber spekulieren, dass es sich bei ihnen um die Mutter und Geschwister des Kriegers handelt. Sie werden weder mit Namen eingeführt noch erfährt man, was sie sagen. Die Passagen in Afrikanisch sind nicht übersetzt.
Ein Bild von einem Mann
Auch Lemalian bleibt eigenartig wesenlos. Zunächst hat er scheinbar nichts anderes zu tun, als den europäischen Klischees von Massai zu genügen. Frei von jeder zivilisatorischen Selbstreflexion, steht er mit der Natur noch völlig im Einklang und wird so zum schweigenden, edlen Wilden.
Gleichzeitig bedient er mit seiner Schönheit und Anmut auch die exotische Erotik, die Frauen über 50 seit dem Aufkommen des Massentourismus in Scharen nach Kenya lockt.
Lemalian gewinnt erst schärfere Konturen während seiner Erziehung durch Carola. Mit seiner Zivilisierung verliert er jedoch gleichzeitig auch die Unschuld, die die Europäer dem edlen Wilden seit Jahrhunderten andichten.
Je stärker er sich seiner selbst bewusst wird, desto grösser wird seine Angst, er könnte Carola nicht genügen. Lemalian verstrickt sich in einen Eifersuchtswahn und kann Carolas romantischen Vorstellungen immer weniger entsprechen.
Der Fall aus dem Rahmen
In einem der intensivsten Momente des Films, schneidet er sich aus Verzweiflung die traditionelle Haartracht radikal ab, schlüpft in zerschlissene Jeans und zieht sich ein verbleichtes T-Shirt über, pflanzt sich vor Carola auf und fragt in einwandfreiem Deutsch: «Respektierst du mich jetzt?»
Hier zeigt ihn der Film endlich als Mensch. Carola ist aber am Menschen Lemalian offenbar genauso wenig interessiert wie der Film. Carola zieht lieber mit ihrer gemeinsamen Tochter in die Schweiz zurück und der Film endet.
Kaum verständlich, dass das vorwiegend weibliche Publikum in der ersten öffentlichen Vorführung des Films in Bern mit verschämtem Schluchzen und empörtem Schnauben so mit Carola leidet. Eigentlich ist doch Lemalian zu bedauern. Er ist der Leidtragende in der ganzen Geschichte.
swissinfo, Nicole Aeby
Der Film «Die Weisse Massai» läuft seit dem 15. September in den Kinos.
Budget: 9 Mio. Franken
Produktion: Constantin Film AG München
Regie: Hermine Huntgeburth, Deutschland
Carola: Nina Hoss, Deutschland
Lemalian: Jacky Ido, aus Burkina Faso, lebt in Paris
Drehort: Originalschauplätze
1986 verliebt sich die Bieler Boutique-Besitzerin Corinne Hofmann in Kenya in den Massai-Krieger Lketinga.
1987 wandert sie in den Busch aus und heiratet den Massai.
1990 kehrt sie mit ihrer gemeinsamen Tochter in die Schweiz zurück und lässt sich scheiden.
1998 veröffentlicht sie ihren Erlebnisbericht «Die weisse Massai».
Das Buch wird 2,5 Millionen Mal verkauft und in 19 Sprachen übersetzt.
Es folgen 2003 «Zurück nach Afrika» und 2005 «Wiedersehen in Barsaloi».
2005 kehrt Hofmann erstmals nach Kenya zurück.
Das Familienvideo vom Wiedersehen mit ihrem Ex-Mann gibts als DVD zu kaufen.
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