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Schellen Urslis «Vater»

Alois Carigiet in seinem Atelier in Trun. Kunstmuseum Chur

Am 30. August würde der Bündner Maler und Grafiker Alois Carigiet hundert Jahre alt.

Zwar umfasst Carigiets Schaffen viel mehr als den «Schellen-Ursli». Nur, das Kinderbuch wurde über 1,7 Millionen mal verkauft und begründete den Ruhm des Künstlers.

Zum ersten Mal werden sämtliche originalen Vorlagen zum internationalen Bestseller «Schellen-Ursli» öffentlich gezeigt. Das Bündner Kunstmuseum in Chur zeigt sie und, wie aus dem Museum zu erfahren war, ist die Carigiet-Ausstellung ein Renner. Sie zeigt über 100 Gemälde, Zeichnungen, Aquarelle, Pastelle sowie die Illustrationen von Alois Carigiet.

Doch Alois Carigiet, der «Schweizer, nicht nur Bündner Künstler», wie Beat Stutzer, der Museumsdirektor von Chur, bei jeder Gelegenheit sagt, ist in der Öffentlichkeit bekannt, weil er eine Geschichte der im Jahr 2000 verstorbenen Oberengadiner Schriftstellerin Selina Chönz illustrierte.

Bündner Landschaft

Der «Schellen-Ursli» ist in der Schweiz fast so bekannt wie das «Heidi». Beide Geschichten spielen im Kanton Graubünden. Beide lassen ihre Hauptfiguren die grosse Natur fühlen und erleben.

Hier, in der Bündner Bergwelt, lagen denn auch die Wurzeln von Alois Carigiet. In der freien Natur schuf der Künstler sein umfangreiches Werk. «Seine Bilder haben einen ausgesprochenen Hang zum Narrativen» (Leza Dosch, Kunst und Landschaft in Graubünden). Carigiet selber sagte von sich: «Ich male erzählend und ich beschreibe malend.»

Gib uns Frieden

1923 zog der junge Carigiet nach Zürich und wurde dort ein erfolgreicher Grafiker. Nach seiner intensiven Mitarbeit für die Realisierung der Landesausstellung 1939 gab er plötzlich sein gutgehendes Grafikatelier in Zürich auf und zog in seine ehemalige Heimat, nach Platenga im Bündner Oberland.

Der Zweite Weltkrieg verwüstete Europa. Die Kriegsereignisse in der Schweiz, die Zerstörungen und das Sterben ausserhalb des Landes beschäftigten Carigiet andauernd. Es gibt viele Notizen und Zeichnungen aus dieser Zeit. Sie zeugen von Mitleben und Mitleiden im Krieg und der Sehnsucht nach Frieden.

Einem Pastell von 1944 gab Carigiet den Titel «Wie lange dauert der Krieg?» Der Künstler fragte auch nach der neuen Ordnung der Siegermächte, die auf den Trümmern entstehen sollte. Carigiet: «Man kann gar nicht denken, dass der Krieg immer noch fordauert und dass Weltstädte bombardiert werden und Menschen unter ihren zertrümmerten Wohnstätten zerstampft werden. Dona nobis pacem.»

Der Buchhit

Kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, im Oktober 1945, erschien das von Selina Chönz geschriebene und von Carigiet illustrierte Kinderbuch «Uorsin», welches als «Schellen-Ursli» bis heute den Kindern – nicht nur in der Schweiz – die irgendwie traurige Geschichte rund um die Flucht des Knaben Ursli in eine tiefverschneite Alphütte während des Engadiner Frühlingsbrauches Chalandamarz erzählt.

Diese «künstlerische Gestaltung einer Sehnsucht nach Geborgenheit und zu Hause sein» (Leza Dosch) wurde in viele Sprachen übersetzt. Das Interesse am Bilderbuch hat bis heute nicht nachgelassen.

Im Haus der Mutter



Nach einem erneuten Abstecher nach Zürich zog es Carigiet 1960 endgültig in den Kanton Graubünden. Im Haus «Flutginas» in Truns, wo einst seine Mutter gelebt hatte, arbeitete der Künstler weiter, erhielt zahlreiche Auszeichnungen, unter anderem den «Hans Christian Andersen Award for Illustration». 1982 entstand der Film «Gespräch mit A.C» zum 80. Geburtstag von Alois Carigiet. Am Nationalfeiertag, am 1. August 1985, starb Carigiet in Trun.

Der Kunstkritiker Fritz Billeter schrieb zu Alois Carigiet: «Im Grunde blieb er der ewige Heimkehrer, der sein Graubünden nicht mit naiven, sondern mit sentimentalen Augen anschaute. Er hatte seine Heimat so gezeigt, wie die Touristen sie zu sehen lernten.»

Urs Maurer

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