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Bend it like Lehmann

Keine Angst vor dem Elfmeter: Kathrin Lehmann. kathrinlehmann.com

Die Schweizerin Kathrin Lehmann hütet im Sommer beim Frauenfussball-Team von Bayern München das Tor, und im Winter ist sie Eishockey-Flügelstürmerin.

Nun wechselt die Nationaltorhüterin in die nordamerikanische Amateur-Liga (NCAA) zu den Oklahoma Cowgirls.

Die 23-Jährige aus dem zürcherischen Küsnacht hat deutsche Sportgeschichte geschrieben: Sie ist die einzige Aktive, die in der höchsten Fussball- und Eishockey-Liga Tore schoss.

Dazu kam es, weil Kathrin Lehmann – eigentlich Torhüterin – letzten Sommer im Spiel Bayern München gegen TUS Niederkirchen kurzfristig als Stürmerin eingesetzt wurde und prompt ein Tor schoss.

Im Winter ist sie Flügelstürmerin beim deutschen Frauen-Eishockey-Meister TV Lady Kodiaks Kornwestheim. Auch dort trifft sie regelmässig.

Uni und Training

Kathrin Lehmann bezeichnet sich im Gespräch mit swissinfo als “Hochleistungs-Amateurin”. Am Tag gehe sie zur Uni und ab halb sechs bis zehn Uhr trainiere sie fünf Abende in der Woche.

Der Stellenwert des Frauenfussballs sei in Deutschland sehr hoch. “Alle Spiele werden vom Fernsehen übertragen. Die Spiele finden vor rund 20’000 Zuschauern statt.”

Generell findet Kathrin Lehmann, dass es eine veraltete Ansicht sei, immer zwischen Männer- und Frauensportarten zu unterscheiden. “Ich unterscheide zwischen solchen, welche die Leidenschaft für diese Sportart entfacht haben, und solchen, die das nicht tun.”

Sie habe zwei ältere Brüder, sei in einer Siedlung mit zwanzig Kindern aufgewachsen. Im Sommer habe man Fussball, im Winter Eishockey gespielt. “Von daher bin ich in diese zwei Sportarten hineingewachsen.”

Koffern packen

Am 18. Juni kam die Meldung, dass die Schweizer Nationaltorhüterin künftig im – wie sie sagt – Traumland des Frauenfussballs spielen wird. Das in den USA, wo Soccer bei den Männern nicht gerade einen hohen Stellenwert hat.

“Das ist die wichtige Anmerkung”, sagt die Fussballerin, “gerade weil die Männer nicht so gut sind, entstand die Nische für den Frauenfussball und der ist in den USA unglaublich attraktiv.”

Kein anderes Land der Welt könne Frauenteamsport so gut verkaufen wie die USA. “Die Begeisterung ist gross und das spielerische Niveau aussergewöhnlich hoch.”

Kathrin Lehmann studiert Literatur, und im kommenden Jahr will sie das Studium in neuer deutscher Literatur abschliessen. Der Wechsel an eine Universität in den USA ist für die Amateurin, die klassische Musik liebt, somit logisch.

Traum Profispielerin

“In Amerika wird Studium und Sport ganz gross geschrieben, nirgendwo kann ich das besser verbinden”, sagt Lehmann. Und neben Fussball könne sie in Oklahoma gar noch Eishockey spielen. “Es gibt hier ein Damen- und Herrenteam.”

In den USA wird Kathrin Lehmann kein Geld kriegen. Bei Bayern München, sagt sie, “kriege ich soviel, dass ich meine Leidenschaft gut ausleben kann.”

Die amerikanische Profiliga der Frauen, WUSA, gibt es seit zwei Jahren.
“Natürlich ist es ein Traum für mich, da reinzukommen.” Es sei aber sehr schwierig, und man müsse realistisch bleiben. In der WUSA spielen nur acht “Frauschaften” und pro Team sind lediglich fünf Ausländerinnen zugelassen.

“Ob da erstens eine Torhüterin und zweitens eine Schweizerin Platz hat, wird sich weisen.” Allerdings glaube sie, dass die höchste Amateurliga, dort spielen die Oklahoma Cowgirls, ein gutes Sprungbrett sein kann.

Fanclub

“Als Mitglied erhältst Du das regelmässig erscheinende Starmagazin, das über aktuelle Projekte des Supporters Club und der Befindlichkeit und Form unseres Stars informiert”, heisst es auf der Homepage des Kathrin Lehmann Fanclubs, des “Ka our Star” Supporter Club.

Der Fanclub wurde im Sommer 1999 in St. Gallen gegründet und soll die sportlichen Aktivitäten des Stars “moralisch und tatkräftig” unterstützen.

Der Club organisiert exklusiv für die Mitglieder Reisen zu Spielen von Kathrin Lehmann. “Mit entsprechendem Rahmenprogramm kostengünstig organisiert”, heisst es.

Frauen wollen Tore schiessen

Der Film “Bend it like Beckham” brachte einem grösseren Kinopublikum die kickenden Frauen näher. Die Kunsthalle Zürich organisierte deshalb im vergangenen November eine Frauenfussball-Talkshow. Mit dabei – und eigens aus München angereist – Kathrin Lehmann.

Das Echo war nicht sehr gross. Dies, obwohl der einzige Star des Schweizer Frauenfussballs anwesend war. Dazu mit Nicole Pétignat die einzige Schiedsrichterin Europas in der höchsten Männerliga. Die beiden und weitere Talkgäste diskutierten über Kunst und Fussball.

Geredet wurde dann vor allem über Fussball und kaum über Kunst. Die Talkrunde kam zum Ergebnis: “Frauen spielen eigentlich den besseren Fussball.”

“Bei den Männern ist das Tempo so hoch, dass die Technik nicht mithalten kann”, sagte Kathrin Lehmann. Punkto Technik und Taktik seien aber kaum Unterschiede vorhanden. Dann kam Kathrin Lehmann zum Wesentlichen: “Die Frauen wollen Tore schiessen, die Männer sie verhindern.”

Den Grund dafür sieht die Fussballerin beim grossen Geld, das bei den Männern auf dem Spiel stehe. “Und deswegen ist unser Fussball viel erfrischender als gewisser Männerfussball.”

swissinfo, Urs Maurer

Kathrin Lehmann. * 27. Februar 1980
FC Bayern München
Schweizer Fussballerin des Jahres 1999
2x Schweizermeisterin
Deutsche Vizemeisterin 2001
Deutsche Vize-Hallenmeisterin 2002

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