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Braune Flecken auf weisser Weste

Baron von der Heydt, unterwegs in Berlin, hat zwielichtige Geschäfte gemacht.

Als Mäzen des Museums Rietberg in Zürich und des Monte Verità von Ascona ist der deutsche Baron Eduard von der Heydt bekannt. Seine zwielichtigen Geschäfte während des Zweiten Weltkriegs werden jetzt neu beleuchtet.

Eduard von der Heydt war zweifellos eine schillernde Figur. 1882 im deutschen Elberfeld, dem heutigen Wuppertal, geboren, erwarb der vermögende Privatbankier und Kunstsammler 1926 für nur 160’000 Franken den Hügel “Monte Verità” ob Ascona.

Auf dem Gelände liess er durch den Architekten Emil Fahrenkamp ein modernes Hotel im Bauhaus-Stil errichten und machte den Ort zu einem beliebten Treffpunkt für namhafte Persönlichkeiten aus Politik, Kunst und Gesellschaft.

Die Besucher liess er an seiner immensen Kunstsammlung teilhaben: In den Zimmern, Sälen und auch im Park stellte er Werke berühmter Meister auf. Nach dem Tod des Barons 1964 – er war geschieden und hatte keine Nachkommen – ging der Monte Verità durch Schenkung in den Besitz des Kantons Tessin über.

Umstrittene Finanzdrehscheibe

Seine bedeutende Sammlung aussereuropäischer Kunst vermachte Eduard von der Heydt hingegen definitiv der Stadt Zürich als Grundstock für das Museum Rietberg. Wertvolle Gemälde europäischer Meister landeten schliesslich im Von-der-Heydt-Museum seiner Heimatstadt Wuppertal.

Just in der Stadt Wuppertal wird seit einigen Jahren erregt über die Frage diskutiert, ob es noch angebracht ist, dass das Museum und ein entsprechender städtischer Kulturpreis unter dem Namen von der Heydt laufen.

Grund ist die Rolle des Barons während der Zeit des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs, als er bereits in der Schweiz lebte. Dort wurde er im übrigen 1937 und 1938 gleich zwei Mal eingebürgert – zuerst in Ascona (Tessin), dann in Nussbaumen (Kanton Thurgau).

Über die Schweizer Konten von der Heydts wurden erwiesenermassen Finanztransfers für die Spionageabwehr der deutschen Wehrmacht getätigt.

Prozess vor 60 Jahren

Diese umstrittenen Aktivitäten nimmt der Schweizer Journalist Francesco Welti in einem soeben erschienen Buch über Eduard von der Heydt unter die Lupe. Der Autor hat für “Der Baron, die Kunst und das Nazigold” in- und ausländische Archive durchforstet, Verhörprotokolle akribisch ausgewertet und einstige Weggefährten Eduard von der Heydts persönlich interviewt.

Entstanden ist keine Biographie oder ein klassisches Sachbuch, sondern eine Art Collage, die einem historischen Roman ähnelt. Dabei konzentriert sich der Autor insbesondere auf die Zeit der Ermittlungen durch die Schweizer Behörden – Bundesanwaltschaft und Verrechnungsstelle – gegen den Baron, seine vorübergehende Inhaftierung und auf den Prozess gegen ihn.

Dieser Prozess fand vor 60 Jahren statt, am 18. und 19. Mai 1948 in Zürich. Die Anklage der Militärjustiz lautete auf “Vorschubleistung zu militärischem Nachrichtendienst”. Die Schweizer Behörden waren auf Drängen des US-Geheimdienstes tätig geworden, der sogar Nazigold auf dem Monte Verità vermutete – zu Unrecht, wie sich später herausstellte.

Freispruch in höherem Interesse

Der Autor zeichnet einen Eduard von der Heydt, der erst unter dem Druck der Ermittlungen seine Rolle als Mittelsmann zur Finanzierung von Nazi-Spionen eingesteht; der es nicht fassen kann, dass ausgerechnet er – der grosse Kunstliebhaber – wie ein Krimineller behandelt wird. Erst der Freispruch und die Rücknahme des Ausbürgerungs-Entscheids durch den Bundesrat versöhnen ihn wieder mit der Welt.

Heftige Kritik übt Welti allerdings an dem Verfahren: “Der ganze Prozess stank schon zum Himmel, und das Urteil tut es nicht weniger.” Der Autor glaubt, dass ein Freispruch damals im höheren Interesse der Schweiz erfolgte.

Wäre bekannt geworden, dass ein Schweizer Bankier wie von der Heydt wegen Geschäften mit den Nazis verurteilt wurde, hätte der soeben beigelegte Konflikt zwischen der Schweiz und den USA zu Entschädigungs-Ansprüchen wieder ausbrechen können. Dies sollte um jeden Preis vermieden werden.

Kunstfanatiker und Privatbankier

Welti malt das Bild eines Barons, der zwar 1933 der NSDAP beitrat, aber nicht ein überzeugter Nazi, sondern eher ein Opportunist und Mitläufer war. Als Kunstfanatiker war ihm vor allem daran gelegen, dass seine Schätze die Wirren der Zeit heil überstehen. Um die Risiken so gering wie möglich zu halten, verteilte er seine Kunstwerke auf der ganzen Welt.

Von der Heydt war demnach ein Mann, der politisch dem Kaiserreich nachtrauerte und gleichzeitig Angst hatte, wieder alles zu verlieren, so wie es nach dem ersten Weltkrieg mit seiner Privatbank geschehen war. Dafür nahm er auch einige braune Flecken auf seiner weissen Weste in Kauf.

swissinfo, Gerhard Lob, Ascona

Geboren am 26. September 1882 in Elberfeld (Wuppertal), Deutschland

Das Bankhaus E. von der Heydt & Co in London wird 1917 entschädigungslos enteignet (Privatbesitz deutscher Staatsbürger in Ländern der Alliierten).

1919 Heirat mit Vera von Schwabach, Tochter des Berliner Bankiers Dr. Paul von Schwabach.

1920 Eröffnung in Amsterdam der “Von der Heydt-Kersten’s Bank”

1926 Erwerb des Monte Verità ob Ascona

1927: Scheidung

1933 bis 1938: Mitglied der NSDAP

1937/38 Erwerb der Schweizer Staatsbürgerschaft

2. Weltkrieg: Finanztransfers für Spionageabwehr der deutschen Wehrmacht

1946: Militärgerichtliches Strafverfahren in der Schweiz: Freispruch

1946: Ostasiatische Kunstsammlung geht an Stadt Zürich

1961: Das Städtische Museum Wuppertal tauft sich um in “Von der Heydt-Museum”

Gestorben am 3. April 1964 in Ascona, Tessin. Der Kanton Tessin erhält als Schenkung den Monte Verità.

Francesco Welti: “Der Baron, die Kunst und das Nazigold”, Verlag Huber Frauenfeld, 2008, 250 Seiten, 36 Franken.

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