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Der Spitzenreiter und sein Spitzenpferd

Keystone

Er ist erst 26, dennoch sind Peking seine zweiten Olympische Spiele. Guerdats Medaillentraum ist nicht zu hoch gegriffen: Reiter und Pferd befinden sich in Topform.

Steve Guerdat fühlt sich wohl in seiner Haut. Darin sieht er seine grösste Stärke – neben der guten Form seiner Stute Jalisca Solier. “Ich habe ein perfektes Umfeld, dank dem ich mich auf mein Turnier konzentrieren kann. Ich bin glücklich, und das ist ein Vorteil.”

Guerdat ist ein Naturtalent, findet Alban Poudret, Chefredaktor der Zeitschrift “Cavalier romand” und Direktor des Reitturniers von Genf (CSI). “Wenn Steve aufs Pferd steigt, tut er dies mit einer seltenen Eleganz und Genauigkeit. Er ist sehr sanft, er hilft seinen Pferden eher, als dass er sie fordert”, sagt Poudret.

Er ist Klasse, und das verdankt er auch einer intensiven Arbeit. Der Schweizer ist ein intelligenter und ernsthafter Reiter. “Er arbeitet hart, plant seine Ausritte gut und kann mit seinen Pferden gut umgehen.”

Reiter und Pferd sind zurzeit “auf dem Höhepunkt ihrer Kunst”, versichert Poudret weiter.

“Meine Stute ist in Bestform”, bestätigt der Reiter. “In allen grossen Turnieren dieses Jahres hat sie auf Sieg gekämpft. Warum also nicht auch in Peking?” Aber Menschen ebenso wie Tiere seien nie vor einem schlechten Tag gefeit.

Lange Anreise, heisses Klima

Guerdat steht offen zu seinem Ziel. “Eine Medaille. Zuerst eine für die Mannschaft. Wenn Christina Liebherr, Beat Mändli und ich in Form sind, ebenso der vierte Reiter, also Pius Schwizer oder Niklaus Schurtenberger, dann haben wir sogar Aussicht auf den Sieg.”

Auch die Reise und das feucht-heisse Klima von Hongkong, wo die Reitwettbewerbe stattfinden, haben einen Einfluss. Poudret erinnert daran, dass die Turnierpferde in der früheren britischen Kolonie im August wegen der drückenden Hitze üblicherweise Ferien haben.

“Ich bin vielleicht zu optimistisch, aber ich denke nicht, dass das Klima entscheidend sein wird”, meint Steve Guerdat. “Wir haben sehr gut trainierte Pferde, die jede Woche unter den verschiedensten Bedingungen springen. Wir werden stark schwitzen, das ist vielleicht ein wenig unangenehm. Aber daran mag ich nicht dauernd denken.”

Mitfavorit

Deutschland, Holland, die Schweiz, die USA, Grossbritannien: Das sind laut Poudret die Favoriten im Mannschaftsspringen. “Die Schweiz hat eine 60%-Chance, aufs Podest zu kommen, und an einem guten Tag liegt auch Gold drin”, glaubt auch er.

Auch im Einzelspringen kann Guerdat mit einer Medaille rechnen. Er gehört zu den zehn grössten Favoriten, namentlich “weil sein Pferd auf die Spiele vorbereitet ist”, so Poudret.

“Ich versuche, mein Pferd so gut wie möglich vorzubereiten, damit es am grossen Tag bereit ist und ich die anderen besiegen kann”, fügt Guerdat bei. “Ich gehöre nicht zu den vier oder fünf Topfavoriten, sondern zum erweiterten Favoritenkreis.”

“Ab wie eine Rakete”

In einem Sport, wo die Erfahrung wichtig ist, ist Guerdats jugendliches Alter kein Nachteil. “E ging ab wie eine Rakete! Er hat an zahlreichen Meisterschaften sehr gut abgeschnitten. Er ist ruhig und ist an grossen Anlässen immer präsent”, lobt Reitexperte Poudret.

“Ich nehme zum zweiten Mal an Olympischen Spielen teil”, ergänzt Guerdat. “Das ist ein Vorteil gegenüber jenen, die noch nie dabei waren. An allen Wochenenden des Jahres war ich gleich gut wie die anderen. Meine Jugend sollte also kein Problem sein.” Guerdat gehört also sogar als junger Reiter schon zu den Grossen.

swissinfo, Pierre-François Besson
(Übertragung aus dem Französischen: Charlotte Egger)

Er wird 1982 im Kanton Jura als Sohn des international erfolgreichen Reiters Philippe Guerdat geboren.

Mit 11 hat er bereits seine Lizenz und mit 12 wird er in die beste Juniorenmannschaft des Landes aufgenommen.

Mit 20 Jahren kommt Guerdat als erster Reiter zum Stall des Holländers Jan Tops, den er aber nach einer Unstimmigkeit verlässt.

Später weigert er sich, auf seine Schweizer Nationalität zu verzichten – eine Forderung, die ein reicher Geschäftsmann aus der Ukraine stellte, der seine Karriere finanzieren wollte.

Heute gehört er zum Stall von Herrliberg über dem Zürichsee. Er wird von Yves Piaget, dem früheren Patron der gleichnamigen Uhrenmarke gesponsert.

Sollte sich sein Spitzenpferd Jalisca Solier verletzen, stehen Guerdat weitere gute Pferde zur Verfügung.

Steve Guerdat wird 1998 Schweizer Meister bei den Junioren. Im gleichen Jahr gewinnt er im Alter von 16 Jahren das internationale Turnier von Wien.

Im Folgejahr wird er Dritter der Schweizer Meisterschaft. Danach erringt er mehrmals den Prix des Nations sowie Mannschaftsmedaillen an Europameisterschaften.

Im Final der Weltmeisterschaft von Las Vegas 2005 wird er Sechster, 2007 Dritter, und im Final von Göteborg 2008 Siebter.

Zu den Olympischen Spielen vom 8. bis 24. August 2008 in Peking bringt swissinfo News, Porträts der Schweizer Stars, Interviews und Hintergründe über und aus China.

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