Deutsch-schweizerische Doppelbürger behalten roten Pass
Auslandschweizer, welche die deutsche Staatsbürgerschaft beantragen, müssen ihren Schweizer Pass nicht mehr abgeben. Seit Dienstag ist das neue deutsche Ausländerrecht in Kraft.
Für gewisse berufliche Tätigkeiten, gerade im Staatsdienst, ist der Besitz des Deutschen Passes unentbehrlich.
Deutschland war in der Europäischen Union eines der letzten Länder, das die doppelte Staatsbürgerschaft grundsätzlich ablehnte.
Mit dem neuen Ausländerrecht, das die Regierung in Berlin am letzten Dienstag in Kraft setzte, ist dies nun anders: Deutsche, die in einem anderen Land einen Antrag auf Einbürgerung stellen, behalten künftig automatisch ihren deutschen Pass.
Was die Schweiz betrifft, sind dies nicht wenige: Der südliche Nachbar avancierte für die Deutschen zum Auswanderungsland Nummer 1. Von den rund 145’000 Bürgern der Bundesrepublik, die 2006 ihre Heimat verliessen, zog es jeden Zehnten in die Schweiz.
Reger «Grenzverkehr»
Die Wirkung verläuft auch umgekehrt: Deutschland erwartet von Schweizer Bürgern, die sich im nördlichen Nachbarland einbürgern lassen wollen, nicht mehr, dass sie auf den roten Pass verzichten.
Im letzten Jahr zählte Deutschland mit über 72’000 Auslandschweizern immerhin die zweitgrösste Schweizer «Kolonie» auf dem Globus.
Bereits sehr viele Doppelbürger
Grosse Auswirkungen wird die neue rechtliche Situation für die Schweizer in Deutschland kaum bringen, schätzt Elisabeth Michel, die Präsidentin der Auslandschweizer-Organisation in Deutschland.
Der Grund: «Rund zwei Drittel der Schweizer in Deutschland sind bereits Doppelbürger, entweder aus früheren Zeiten oder durch Abstammung», sagt sie gegenüber swissinfo. 2006 waren es 44’200 Auslandschweizer, welche auch im Besitz des Passes der Bundesrepublik waren, knapp 1000 mehr als im Jahr davor.
Für sich selbst sah Michel bisher keinen Anlass, die Doppelbürgerschaft zu beantragen, denn sie fühlt sich ihren deutschen Mitbürgern praktisch gleichgestellt. «Den einzigen Nachteil, den ich habe: Ich kann nicht abstimmen und wählen.» Sie räumt aber ein, dass sie vor zehn Jahren die Doppelbürgerschaft «sofort beantragt» hätte.
Sinnvoll
Für Angehörige bestimmter Berufsgruppen ist der deutsche Pass quasi das Eintritts-Billett für die Ausübung ihrer Tätigkeit. «Wer in den Beamtendienst treten will, etwa als Lehrer oder bei der Polizei, muss die deutsche Staatsbürgerschaft haben», sagt Michel.
Sinn macht die Einbürgerung auch für Auslandschweizer-Studenten, die selber oder deren Eltern keinen Wohnsitz in der Schweiz haben. Dadurch sei es sehr schwer, in Deutschland an Unterstützungsgelder heran zu kommen. Elisabeth Michel weiss dies aus eigener Erfahrung, hat sie doch quasi als Patin während längerer Zeit einen Auslandschweizer-Studenten finanziell unterstützt.
Obwohl Michel das Einbürgerungs-Prozedere nicht aus eigener Erfahrung kennt, schätzt sie es für Schweizer als bedeutend weniger kompliziert ein als dasjenige in der Schweiz. Wer eine gewisse Zeit in Deutschland gelebt habe, könne bei der Wohngemeinde einen Antrag stellen.
«Dann muss man in Tests zeigen, dass man Kenntnisse der deutschen Sprache sowie des politischen Systems in Deutschland hat», sagt Michel.
Deutsche Welle?
Wie gross diesseits der Grenze die Zahl der deutschen Einwanderer ist, die Schweizer werden wollen, lässt sich schwer sagen.
Beim Bundesamt für Statistik in Neuenburg schätzt man immerhin, dass 40% der über 160’000 hier lebender Deutschen dafür in Frage kämen. Das wären immerin über 60’000 neue Eidgenossen.
Ob sie aber das langwierige Verfahren zur Aufnahme in den Kreis der Schweizer Bürger auf sich nehmen wollen, ist eine andere Frage.
swissinfo, Renat Künzi
Heute leben rund 650’000 Schweizerinnen und Schweizer im Ausland.
110’000 Auslandschweizerinnen und –schweizer haben sich in der Heimat registrieren lassen, um an Wahlen und Abstimmungen teilnehmen zu können.
Die grösste Gemeinschaft befindet sich in Frankreich (171’000), gefolgt von Deutschland (72’000) und Italien (47’000).
Die grösste Gemeinschaft ausserhalb Europas lebt in den USA (72’000).
Von den 144’815 Deutschen, die 2005 ihre Heimat verliessen, kamen 14’409 oder 10% in die Schweiz.
Mitte 2006 lebten über 162’000 Deutsche in der Schweiz. Ihre Zahl hat sich seit 2002, als das bilaterale Abkommen über die Personenfreizügigkeit mit den Ländern der Europäischen Union (EU) in Kraft trat, fast verdoppelt.
Die Schweiz ist auch bei deutschen Studenten beliebt: 2004 waren knapp 7000 oder 10,3% der im Ausland studierenden Deutschen an Schweizer Unis eingeschrieben.
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