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Donadoni lobt die Schweizer Elf

Roberto Donadoni: Vom offensiven Mittelfeldspielder zum Trainer der "Azzurri", der italienischen Natonalelf. Keystone

Der Trainer der italienischen Fussball-Nationalmannschaft, Roberto Donadoni, sieht das Schweizer Team als frische, junge Mannschaft. Das Niveau der Euro 08-Teilnehmer sei sehr hoch, sagt er im Gespräch mit swissinfo.

swissinfo trifft Donadoni in Mailand zum Interview und erinnert ihn gleich daran, dass in der Schweiz – vor allem unter den vielen italienischen Immigranten – die Enttäuschung gross war, dass der italienische Weltmeister sein Euro-Quartier nicht in der Schweiz, sondern in Österreich aufschlägt.

«Es war keine ‹Anti-Schweiz›-Entscheidung», sagt Donadoni. «Als mögliche Euro 08-Quartiere gab es nur wenige Orte, und andere waren schneller als wir. So haben wir gesehen, dass Baden in Österreich am Ende die beste Wahl war.»

Donadoni zählt aber auf alle Fälle auf die grosse Unterstützung der italienischen Immigranten in beiden Ländern. «Gegenüber diesen Fans spüren wir eine grosse Verantwortung. Im Übrigen haben wir in Zürich ein Testspiel gegen Portugal ausgetragen. Dabei haben wir die Begeisterung unserer Fans gespürt, und ich glaube, sie waren mit unserer Leistung zufrieden.»

Aufgepasst auf die Schweizer Elf!

Und welchen Eindruck hat Roberto Donadoni von der Schweizer Nationalmannschaft? «Es ist eine frische, junge Mannschaft, die bereits gezeigt hat, was sie wert ist. Einige Spieler spielen für italienische Klubs. Und dies mit sehr guten Resultaten. Für ein kleines Land wie die Schweiz ist es erstaunlich, auf solch einem hohen Niveau zu spielen.»

Man dürfe auch nicht vergessen, dass die Schweizer Elf immer eine grosse Hürde für die Italiener darstellte. «Das bestätigt nur den Wert des helvetischen Teams. Aber ich glaube nicht sehr an die Traditionen. Ich glaube, dass sich die Tradition jeweils auf dem Spielfeld entfaltet, Spiel für Spiel. Heute gibt es keine leichten Mannschaften mehr. Und die Schweiz ist noch nie eine leichte Mannschaft gewesen», sagt Donadoni.

Fast auf WM-Niveau

«Das gilt auch für die kommende Europameisterschaft. Meines Erachtens kann man angesichts der Qualität der Mannschaften fast von einem WM-Niveau sprechen. Es ist schwierig, einen Favoriten auszumachen. Denn die Europameisterschaften bringen immer grosse Überraschungen. Es ist wohl kein Zufall, dass Italien seit 40 Jahren die EM nicht mehr gewonnen hat.»

Es gebe Mannschaften, die von Experten zu Beginn des Turniers als zweitrangig klassifiziert würden. «Und dann schlagen sie doch zu. Ich möchte an Dänemark erinnern oder an Griechenland vor vier Jahren. Bei allen Mannschaften heisst es folglich: Aufgepasst!»

Mann der wenigen Worte

Kommen wir zur italienischen Nationalmannschaft. In der italienischen Presse gehen einmal mehr die Wogen hoch. Dabei lautet die Gretchenfrage: Werden Del Piero und Cassano in die Nationalelf berufen?

Einzig bei dieser Frage können wir Donadoni ein Lächeln entlocken. Er antwortet mit einer gewissen Ironie: «Die Presse hat immer die besten Ratschläge, wer in einer Mannschaft spielen soll. Das ist keine Neuigkeit. Aber es wäre eine Neuigkeit, wenn sie auch Ratschläge gäbe, wer ausgeschlossen werden soll. Das passiert praktisch nie. Und sicherlich müssen die Journalisten am Ende nie für Fehler bei der Aufstellung bezahlen.»

Donadoni pflegt einen guten, aber keinen herzlichen Kontakt zur Presse. Dies hängt mit seinem Charakter und Temperament zusammen. Er ist ein Mann der wenigen Worte in einem Land, in dem die «schönste Nebensache der Welt» leidenschaftliche Debatten und Diskussionen auslöst.

Gegen Gewalt: Mit gutem Beispiel voran

Hat Italien den Fussballskandal «Calciopoli» und die Gewalt in den Stadien verarbeitet? Donadoni: «Ich bin überzeugt, dass wir uns stets korrekt verhalten müssen. Wir müssen ein gutes Beispiel geben und die guten Vorsätze nicht schnell vergessen. Leider passiert in Italien häufig das Gegenteil. Nach einigen Monaten sind viele Vorsätze vergessen.»

Donadoni fordert weniger Worte und mehr konkrete Taten: «Letztlich geht es um mehr Verantwortungsbewusstsein. Und dies ganz konkret im Alltag. Es braucht mehr als schöne Appelle.»

Donadoni hat von Lippi eine Mannschaft mit WM-Titel geerbt. Hat er keine Angst, dass er an der Vergangenheit gemessen wird? «Das wäre wirklich absurd. Der Gewinn des WM-Titels 2006 war ein fantastischer Moment für Italien. Aber das Leben geht danach weiter. Die Tatsache, Weltmeister zu sein, darf im Hinblick auf die Euro 08 kein psychologisches Gewicht darstellen.»

Mannschaftsgeist

Diverse italienischer Nationalspieler sind zur Zeit in ausländischen Klubs aktiv. Das ist eine Neuheit. Kann dies zu einem Problem für den Zusammenhalt der Elf werden? «Ich glaube nicht. Es geht um Spieler wie Cannavaro oder Toni, die in grossen und ambitiösen europäischen Klubs spielen. Ihr Kampfgeist wird sich sicherlich auch vorteilhaft für die Nationalelf auswirken.»

Und Kampfgeist wird tatsächlich nötig sein. Denn die Italiener treffen bereits in den ersten Spielen auf starke Gegner wie Frankreich, Holland und Rumänien: «Wir sind in einer schwierigen Gruppe gelandet. Mit Italien-Frankreich gibt es eine Begegnung, die grosse Erwartungen weckt. Dazu kommt, dass diese Begegnung durch einige Aussagen noch an Sprengkraft gewinnt.»

In Bezug auf Holland sei er froh, dass diese Mannschaft von Van Basten trainiert wird, sagt Donadoni. Mit ihm zusammen spielte Donadoni bei der erfolgreichen AC Milan. «Für mich ist es schön zu wissen, dass auf der gegnerischen Trainerbank nicht nur ein Kollege, sondern ein Freund sitzt.»

swissinfo, Aldo Sofia, Mailand
(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)

Roberto Donadoni wurde 1963 geboren. Er spielte für Atalanta Bergamo und den AC Mailand (Klub im Besitz von Silvio Berlusconi). Beim AC Mailand spielte er unter anderen zusammen mit Marco Van Basten, dem heutigen Trainer der niederländischen Nationalmannschaft.

Zwischen den 1980er und 1990er Jahren war Donadoni eine tragende Säule des italienischen Nationalteams. Mit dieser Mannschaft erreichte er den dritten Platz bei der WM 1990 und den zweiten Platz bei der WM 1994.

Gleich nach dem Gewinn der Weltmeistertitels der Italiener am 13.Juli 2006 wurde Donadoni zum neuen Trainer und Nachfolger von Marcello Lippi ernannt. Ihm schlug einige Skepsis entgegen, aber er schaffte es, die Italiener für die Endrunde der Euro 08 zu qualifizieren.

Die Endrunde der Fussball-Europameisterschaft findet vom 7. bis 29.Juni in der Schweiz und in Österreich statt.

Genau 31 Spiele stehen auf dem Programm: 15 in der Schweiz (6 in Basel, je 3 in Zürich, Bern und Genf) und16 in Österreich (Final in Wien).

Die Spiele werden am Fernsehen weltweit in 170 Länder übertragen. Man rechnet in den Stadien und Fanzonen mit mehr als 5 Millionen Gästen, davon 1,4 Millionen aus dem Ausland.

Italien spielt in der Gruppe C. Gegner sind die Niederlande (9. Juni, Bern), Rumänien (13. Juni, Zürich) sowie Frankreich (17. Juni, Zürich).

Die Schweiz spielt in der Gruppe A gegen Tschechien (7. Juni, Basel), die Türkei (11. Juni, Basel) und Portugal (15. Juni, Basel).

Ein Aufeinandertreffen beider Mannschaften ist theoretisch in den Halbfinalen oder im Finale möglich. Bisher haben Italien und die Schweiz 56 Mal gegeneinander gespielt (28 Siege für Italien, 8 Siege für Schweiz, 20 unentschieden).

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