Fasnächtliche Tannenfuhr
Sie verkleiden sich nicht als Narren, sie werfen auch keine Konfetti. Nein, sie ziehen einen Tannenstamm durch die Strassen. Ein Brauch zur Fasnachts-Zeit, der sich vom närrischen Treiben in der übrigen Schweiz unterscheidet, deswegen aber nicht weniger fasnächtlich ist: Das Blochziehen im appenzellischen Urnäsch.
Vor dem Morgengrauen um sechs Uhr am Montagmorgen (26.02) in der Früh sind die Männer losmarschiert. Sie ziehen das «Bloch», einen Wagen mit einem Tannenstamm, der geschmückt ist mit Tannenreisig und Papierblumen. Der Stamm ist schwer, rund 30 Männer braucht es, um ihn zu ziehen. Sie sind gekleidet wie Waldarbeiter und Zimmerleute oder sie tragen die Sennentracht.
Angeführt wird der Zug von den «Kässelibuben». Mit einer Rasselbüchse in der Hand bitten sie Passanten um Spenden. Auf dem Stamm sitzen der Fuhrmann und Blasmusikanten. Es hat auch einen Ofen auf dem Bloch. Ein russiger Schmid sitzt dahinter und schlägt mit einem Hammer auf den Amboss. Hinter dem Bloch reitet der Förster. Daneben geht ein aufrechter Bär, das Appenzeller Wappentier.
Nach einem anstrengenden Marsch kommen die Männer mit dem Bloch in Herisau an. Am Nachmittag muss das Bloch wieder auf den Dorfplatz von Urnäsch zurückgebracht werden. Dort wird der sogenannte Blochspruch verlesen: der Förster gibt dem Publikum den Kubikinhalt des Stammes bekannt und eröffnet dessen Versteigerung.
Ursprung unklar
Über den Ursprung des Brauches wird bis heute gerätselt. Möglicherweise stammt er daher, dass Waldarbeiter jeweils am Ende der Holzschlagperiode vom Waldbesitzer ein Bloch geschenkt erhielten und dieses dann im festlichen Umzug durch das Dorf und in die Nachbardörfer zogen.
Andere wiederum meinen, es könnte ein Fruchtbarkeitsbrauch sein. Darauf hin deutet etwa der Spruch, der Hans Hürlemann, Kenner des Appenzeller Brauchtums, von einem anderen Bloch-Umzug her bekannt ist: «Wer nicht will unters Ehejoch, der muss ziehen das schwere Bloch».
In Urnäsch alle zwei Jahre
Die Blochgesellschaft von Urnäsch organisiert das Blochziehen alle zwei Jahre, jeweils am Montag vor Aschermittwoch. In den appenzellischen Orten Stein, Hundwil und Schwellbrunn findet die Tannenfuhr jährlich statt, dies am Blochmontag nach Aschermittwoch.
swissinfo
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