Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Geld für ehemalige Flüchtlinge

Erhielten je 2500 Dollar: Die ehemaligen Flüchtlinge Daniel Lieberman und Ruth Schloss. Keystone

Erstmals sehen ehemalige jüdische Flüchtlinge Geld aus dem 1,25 Mrd.-Dollar-Bankenvergleich. 95 Personen aus 14 Ländern erhielten in New York zusammen 77'500 Dollar.

Wie die zuständige Organisation Claims Conference mitteilte, erhalten 15 ehemalige Nazi-Verfolgte je 2500 Dollar. Die Schweiz hatte ihnen den Eintritt verweigert. 80 weitere Personen erhalten je 500 Dollar. Sie waren als Flüchtlinge in der Schweiz aufgenommen, dort aber misshandelt worden.

6300 Namen im Internet

In nächster Zeit soll es zu weiteren Auszahlungen kommen. Schätzungen der Claims Conference zu Folge wurden bis zu 30’000 Flüchtlinge an der Schweizer Grenze abgewiesen. Mit Hilfe von Schweizer Archiven gelang es, eine Liste von 6300 Personen, die ein Anrecht auf Zahlungen haben, ins Internet zu stellen.

«Es handelt sich bei den Auszahlungen nicht um eine Wiedergutmachung, sondern um eine Anerkennung dessen, was diese Leute durchmachen mussten», sagte Gideon Taylor von der Claims Conference an einer Medienorientierung in New York.

Als Flüchtlinge von der Polizei verspottet

Zu Wort kamen bei dem Anlass auch zwei ehemalige jüdische Flüchtlinge, die ihren Namen auf der Internet-Liste entdeckten und je 2500 Dollar erhalten haben. Ruth Schloss und Daniel Lieberman wurden beide an der Schweizer Grenze abgewiesen und nach eigenen Angaben von der Polizei verspottet.

«Als ich fragte, ob ich auf die Toilette dürfe, sagte man mir, ich soll in die Hosen machen», erzählt Schloss. «Meinen Durst befahl man mir mit Salzwasser zu löschen.» Die damals Vierzehnjährige wurde in ein Lager in Frankreich deportiert, von wo man sie nach Auschwitz transportieren wollte. Ein Priester rettete jedoch das Mädchen.

Auch Lieberman wurde von der Schweizer Polizei schlecht behandelt. «Ein Jude muss vergeben, aber nie vergessen», sagte er.

Genauer Bericht der Erlebnisse genügt

Personen, die nicht dokumentieren können, dass sie von der Schweiz abgewiesen oder misshandelt wurden, haben dennoch eine Chance, in den Genuss der Zahlungen zu gelangen. «Ein möglichst genauer Bericht der Erlebnisse reicht in vielen Fällen, um die Echtheit der Forderungen nachweisen zu können», sagte Taylor.

Frist bis Ende Jahr

Abgewiesene und misshandelte Flüchtlinge sowie ehemalige Zwangsarbeiter haben noch bis zum 31. Dezember Zeit, sich bei der Claims Conference oder der International Organization for Migration zu melden, um Gelder zu erhalten.

Der 1998 geschlossene Vergleich zwischen den Schweizer Grossbanken UBS und CS mit den jüdischen Organisationen und Klägern umfasst eine Vergleichssumme von 1,25 Mrd. Dollar. Gemäss dem im letzten November verabschiedeten Verteilplan sind 800 Millionen für die Abgeltung von Ansprüchen auf nachrichtenlose Konten reserviert.

Der Rest kommt ehemaligen Zwangesarbeitern, abgewiesenen oder misshandelten Flüchtlingen sowie anderen Nazi-Geschädigten zu Gute. Erste Gelder aus der Vergleichssumme waren im Juli an ehemalige Zwangsarbeiter geflossen. Im Oktober gingen die ersten Zahlungen an Berechtigte von nachrichtenlosen Vermögen.

swissinfo und Agenturen

Beliebte Artikel

Meistdiskutiert

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft