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Hauchdünnes Nein für Asylinitiative

Werden nicht ausgeschafft: Kinder in einem Durchgangszentrum. swissinfo.ch

Das Volk lehnt eine Initiative äusserst knapp ab, die das Asylrecht verschärfen wollte.

Nur gerade 2’700 Stimmen gaben den Ausschlag. Die Schweiz ist gespalten.

Die Asylinitiative der SVP ist mit hauchdünnem Volksmehr verworfen worden. Nur etwas über 2’734 Stimmen gaben laut amtlichem provisorischem Resultat den Ausschlag für eine ablehnende Mehrheit – dies bei 2 1/4 Millionen Stimmenden.

Das für Verfassungsänderungen nötige Ständemehr kam mit zwölfeinhalb zustimmenden gegen zehneinhalb verwerfende Kantone hingegen zu Stande.

Knapp wie noch nie

“Das habe ich noch nie erlebt”, meinte ein erstaunter Claude Longchamp, Leiter des Rechenzentrums der SRG SSR idée suisse. Denn derart knapp sei ein Resultat noch nie ausgefallen. Es war ein regelrechtes Fotofinish.

Generell lasse sich sagen: SVP- und FDP-Wähler stimmten zusammen mit ländlichen Gebieten Ja, Städter standen der Initiative eher kritisch gegenüber.

Ein weiterer Trend zeigte sich deutlich: Geschlossen stimmte die lateinische Schweiz gegen die Initiative, die deutschsprachige Innerschweiz und die Ostschweiz dafür.

Nun ist das Resultat von der Bundeskanzlei offiziell bestätigt – doch es könnte noch zu Nachzählungen kommen.

Schweiz zu attraktiv?

Die Schweiz sei viel zu attraktiv für Asylsuchende, die eigentlich nur hier arbeiten wollten, sagt die Schweizerische Volkspartei (SVP). Sie hatte daher die Initiative “gegen Asylrechtsmissbrauch” lanciert.

Diese wollte Asylbewerber zurückschicken, die über einen so genannt “sicheren Drittstaat” in die Schweiz eingereist sind und dort schon hätten Asyl beantragen können. Ausserdem hätten Sozialleistungen für in der Schweiz lebende Asylbewerber eingeschränkt und vereinheitlicht werden sollen.

Doch die laufend verschärfte Revision des Asylgesetzes scheint den Stimmenden weit genug zu gehen. Denn die Annahme der Initiative hätte die Schweiz zu einem der restriktivsten Staaten in Europa gemacht.

Asylgesetz wird verschärft

In den letzten Monaten hatte der Bundesrat in der laufenden Revision des Asylgesetzes strengere Massstäbe angesetzt und kam damit den Forderungen der Initiative in vielen Punkten entgegen.

Die SVP hatte die Verschärfungen begrüsst. In der Praxis jedoch seien diese immer wieder verwässert worden. Sie beharrte daher auf der nun gescheiterten Initiative.

Dass diese in der Praxis schwer umzusetzen gewesen wäre, bestätigte Jean-Daniel Gerber, Direktor des Bundesamtes für Flüchtlinge: “Wir können zur Zeit nur 10 Prozent der Asylsuchenden in sichere Drittländer zurückschicken.”

Alle Initiativen abgelehnt

Die gescheiterte Initiative gegen Asylrechtsmissbrauch war die dritte Initiative im Asyl- und Ausländerbereich innerhalb der letzten zehn Jahre. Die letzten beiden Initiativen wurden 1996 und 2000 von Volk und Ständen abgelehnt.

Die Initiative wurde in der Zeit des Kosovo-Krieges 1999 lanciert. Damals suchten besonders viele Menschen Schutz in der Schweiz. Nach Ende des Krieges kehrten über 42’000 Vertriebene zurück in ihre Heimat.

Damit sind zur Zeit rund 67’000 Asylsuchende und vorläufig aufgenommene Menschen in der Schweiz. Im Unterschied zum EU-Durchschnitt hat die Zahl der Asylgesuche in der Schweiz seit 2001 jedoch wieder leicht zugenommen.

swissinfo, Christian Raaflaub

1’120’967 (50,1%) der Stimmenden lehnten gemäss dem provisorischen amtlichen Endergebnis die Initiative ab.
1’118’213 (49,9%) hiessen sie gut.
Bei den Kantonen standen sich 10 5/2 annehmende und 10 1/2 ablehnende Standesstimmen gegenüber.
Am deutlichsten lehnte sie der Kanton Genf mit 61,35% Nein ab.
Die meisten Ja-Stimmen erhielt sie aus dem Kanton Glarus mit 63%.

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