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Der “Sportscheich” spielt um seine Zukunft

Zwei Männer gehen eine Strasse entlang
Scheich Ahmad Fahad al-Ahmad al-Sabah (rechts) bei seiner Ankunft im Genfer Justizpalast, begleitet von seinem Anwalt Albert Righini,, am 10. September 2021. Keystone / Salvatore Di Nolfi

Der umtriebige Sportfunktionär Scheich Ahmad Al-Sabah steht in Genf im Berufungsverfahren. Wollte das Mitglied des Kuwaiter Königshauses mit gefälschten Videos einen Konkurrenten aus dem Weg räumen?

Im September 2021 verurteilte das Genfer Strafgericht Ahmad Fahad Al-Sabah wegen Urkundenfälschung zu 30 Monaten Haft, davon 15 unbedingt. Der Kuwaiter Scheich, der diverse Führungsposten in internationalen Sportverbänden bekleidet, legte Berufung ein. Das Verfahren kam am vergangenen Freitag zu einem Ende, doch das Urteil ist noch nicht bekannt.

Alles begann im Dezember 2013. Da alarmierte Ahmad die kuwaitische Regierung und präsentierte einen USB-Stick mit Videoaufnahmen. Er behauptete, die Aufnahmen bewiesen ein Komplott gegen die Regierung.

Im Fokus seiner Anschuldigungen: Sein Cousin Nasser Al-Sabah, Ex-Premierminister Kuwaits, und der inzwischen verstorbene Ex-Parlamentspräsident Jassim Alkharafi.

Umstrittene Aufnahmen

Die Beiden hätten sich mit Beamten des Irans verschworen, um einen politischen Umsturz in Kuwait herbeizuführen, sagte Ahmad. In den Aufnahmen geht es auch um Gespräche mit einem Bankier aus der Schweiz, um finanzielle Transaktionen mit Israel sowie “Zahlungen an kuwaitische Personen”, wie im Urteil des Genfer Gerichts zu lesen ist.

Die Aufzeichnungen sollen 2012 heimlich in Genf sowie in der Waadtländer Gemeinde Trélex entstanden sein, wo Scheich Nasser einen Wohnsitz besass. Das Video, das swissinfo.ch einsehen konnte, ist jedoch von schlechter Qualität: Die Bilder sind unscharf und ruckeln, der Ton ist unhörbar. Laut dem Tages-Anzeiger soll die Kamera in einem Kugelschreiber versteckt gewesen sein. Die Urheberschaft ist bis heute unbekannt (1).

Am 16. Juni 2014 reichte Scheich Ahmad in Kuwait Strafanzeige gegen Scheich Nasser und Jassim Alkharafi wegen “Verbrechen gegen die Staatssicherheit” ein. Nasser hätte im Fall einer Verurteilung wohl die Todesstrafe gedroht.

Ahmad präsentierte im kuwaitischen Fernsehen auch Dokumente, die angeblich die Echtheit der Aufnahmen bewiesen. Sie seien von der “Waadtländer Polizei” überprüft worden, behauptete Ahmad gemäss Le Temps (2).

Parallel dazu wurde in Genf von einem Genfer Anwalt, S.B.*, ein privates Schiedsverfahren eingeleitet, das die Echtheit des Videos beweisen sollte. Drei britische Experten sagten aus und bescheinigen dessen Authentizität.

Am 28. Mai 2014 endete das Verfahren mit der Verkündung eines Schiedsspruchs. Dieser besagte gemäss der Genfer Justiz, dass die Aufnahmen echt seien, obwohl “weder Fachleute noch Zeuginnen und Zeugen angehört wurden oder eine Untersuchung durchgeführt worden war”. Am 5. Juni liess Scheich Ahmad den Schiedsspruch sogar in London von einem englischen Gerichtshof anerkennen.

Nahm der Scheich all diese Mühen auf sich, um einen Konkurrenten aus dem Weg zu räumen, der in der Thronfolge über ihm steht? Oder glaubte er ernsthaft, dass sein Cousin der Kopf einer Verschwörung war?

Die Ermittlungen in Kuwait kamen jedenfalls zum Schluss, dass der Inhalt des USB-Sticks “nicht authentisch” sei. Die Aufnahmen seien manipuliert worden. Am 26. März 2015 wurde Scheich Ahmad gezwungen, sich öffentlich zu entschuldigen.

Da er der Königsfamilie angehört, wurde er in Kuwait nicht bestraft. In der Schweiz sieht es aber anders aus: Am 10. September 2021 wurde er für schuldig befunden: Er habe ein Schweizer Schiedsverfahren erfunden sowie Dokumente gefälscht.

Ahmad will weiterkämpfen

“Ahmad Al-Sabahs Schuld ist gross”, hielt das Genfer Gericht im September 2021 in seiner Urteilsbegründung fest. “Er ist letztlich Nutzniesser eines Verbrechens. Zwar war er nicht der Urheber der Idee, ein simuliertes Schiedsverfahren durchzuführen, aber er hat sich voll und ganz an dem Prozess beteiligt.”

Das Mitglied der kuwaitischen Königsfamilie reagierte mit Unverständnis: “Ich weiss, dass ich nichts getan habe. Ich werde die Berufung abwarten.” Er werde nie aufhören zu kämpfen, weil er von seiner Unschuld überzeugt sei.

Sein Anwalt S.B., den swissinfo.ch mehrmals zu Gesprächen getroffen hat, verweist auf die Fachleute: “Es ist richtig, die Bilder sind nicht von guter Qualität und es ist schwierig, die Personen zu erkennen, die sprechen. Aber ich halte fest, dass drei weltberühmte britische Experten vor dem High Court of Justice in London bescheinigt haben, dass die Videos nicht manipuliert und/oder verändert wurden. In Genf wollten weder der Staatsanwalt noch das Strafgericht diese Experten anhören, trotz mehrfacher Aufforderung”, so S.B., der im selben Fall wegen Urkundenfälschung zu 18 Monaten auf Bewährung verurteilt wurde.

Erzwungener Rücktritt

Zwar gilt für Scheich Ahmad weiterhin die Unschuldsvermutung, doch der ehemalige Opec-Präsident war in seiner Karriere mehrmals in Betrugsfälle verwickelt. Als Präsident des kuwaitischen Handballverbands stand er im Verdacht, Schiedsrichter bestochen zu haben, um der Nationalmannschaft Kuwaits zum Sieg über Südkorea und damit zur Teilnahme an den Olympischen Spielen 2008 in Peking zu verhelfen (3).

Die Pariser Tageszeitung Le Monde deckte zudem die “gefährlichen Verbindungen” zwischen Thomas Bach, dem neuen Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees (IOK) und Scheich Ahmad auf (4).

Ahmad, der 1992 ins IOK eingetreten war, hatte Posten in der Kommission für Olympische Solidarität und in der Vereinigung der Nationalen Olympischen Komitees inne. Ausserdem hatte er auf dem Kongress in Buenos Aires entgegen den IOK-Regeln (die Voten müssen geheim bleiben) angekündigt, dass er die Kandidatur von Bach für das Amt des Präsidenten unterstützen würde.

Im April 2017 folgte ein weiterer schwerer Schlag für den Kuwaiter. Der bei der Fifa einst als “Königsmacher” angepriesene Ahmad sah sich gezwungen, seinen Rücktritt aus dem Exekutivkomitee des Weltfussballverbands anzukündigen.

Der Grund: Ahmad wurde wegen einer angeblich illegalen Zahlung an Richard Lai angeklagt, den Präsidenten des Fussballverbands von Guam. Lai hatte sich gemäss dem Magazin France Football “vor einer New Yorker Bundesrichterin der Korruption und der Verschleierung von Bankkonten im Ausland schuldig bekannt” (5).

Bisher wurde Scheich Ahmad vom IOK, wo er noch viel Unterstützung geniesst, nicht zum Rücktritt gedrängt. Auf die Frage nach seiner Situation antwortete uns die Pressestelle des IOK per E-Mail: “Scheich Ahmad Al-Fahad Al-Sabah hat sich am 26. November 2018 selbst vorübergehend von allen seinen Rechten und Funktionen im Zusammenhang mit seiner IOK-Mitgliedschaft suspendiert.”

Eine Bestätigung seiner Verurteilung im Genfer Berufungsverfahren würde seinem Einfluss im IOK und seiner politischen Zukunft in seinem Heimatland wohl endgültig ein Ende setzen.

*Name der Redaktion bekannt

  1. Philippe Reichen, “Scheichs Kämpfen um die Macht in Genf”, Tages-Anzeiger, 20 März 2019.
  2. Sylvain Besson, “Un cheikh et ses complices jugés pour complot à Genève”, Le Temps, 14 Februar 2021.
  3. Clément Guillou, “Ahmad al-Fadh al-Sabah, le cheikh faiseur de rois de la Fifa”, Le Monde, 22 Juli 2015.  
  4. Pierre Lepidi, “Liaisons dangereuses”, Le Monde, 14 September 2013.
  5. “Corruption à la Fifa: le Koweïtien Al Sabah démissionne”.

Editiert von Virginie Mangin, Übertragung aus dem Französischen: Christoph Kummer

Übertragung aus dem Französischen: Christoph Kummer

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