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Ringen um die Pauschalbesteuerung in den Kantonen

Tina Turner gefällt es am Zürichsee. RDB

Die Infragestellung der Pauschalbesteuerung reicher Ausländer hat einige Kantone dazu gebracht, von den Bewohnern aus dem Ausland höhere Abgaben zu verlangen. Das ist ihnen lieber, als diese Einnahmen ganz zu verlieren.

Im Kanton Zürich hatten die Stimmberechtigten im Jahr 2009 die Pauschalbesteuerung abgeschafft. Dort wurde sie per 1. Januar 2010 abgeschafft.

Um ein solches Abstimmungsergebnis  zu vermeiden, versprechen andere Kantone, reiche Ausländer steuerlich mehr zu belasten und schliessen für die Zukunft steuerliche Vergünstigungen aus.  

Die Taktik ging im Kanton Thurgau auf, wie sich letztes Wochenende zeigte. Die Stimmberechtigten lehnten eine Initiative zur Abschaffung der Pauschalbesteuerung ab. Stattdessen nahmen sie einen Gegenvorschlag an, der verlangt, dass die jährliche Durchschnitts-Besteuerung solcher Personen von 67’000 Franken (86’000 Dollar) auf 150’000 Franken (170’000 Dollars) angehoben wird.

Im Kanton Glarus, wo fünf wohlhabende Ausländer nur gerade mit 320’000 Franken zu den Steuereinnahmen beitragen, ist das Thema weniger heikel als etwa im Kanton Thurgau, wo 127 Pauschalbesteuerte 11 Millionen Franken bezahlen müssen.

Die stimmberechtigten Glarnerinnen und Glarner entschieden am ersten Mai, das System so zu belassen. Die Behörden müssen die Schraube nicht anziehen.

Stars sind gekommen

Die Pauschalbesteuerung gibt es in der Schweiz seit 1920. Sie erlaubt den Kantonen, das Vermögen und die Einkünfte ausländischer Personen nicht in die Berechnung der Steuern einzubeziehen, sofern die Einkünfte im Ausland erzielt werden. Stattdessen erheben die Kantone eine Abgabe, die auf dem fünffachen Wert des Mietwerts des Eigentums der Person beruht.

Diese Praxis führte zu Kritik aus den Nachbarländern. Damit würden ihre wohlhabenden Bürger abgeworben. Bekannte Persönlichkeiten wie Phil Collins, Tina Turner und Michael Schumacher liessen sich aus diesem Grund in der Schweiz nieder.

Die Verfechter der Pauschalbesteuerung, insbesondere die kantonalen Finanzminister, sind der Meinung, das System bringe jedes Jahr 600 Millionen Franken in die Kassen. Insgesamt leben in der Schweiz mehr als 4000 Pauschalbesteuerte.

Seit der Finanzkrise regt sich in der Schweiz jedoch Widerstand gegen die Pauschalbesteuerung. Kritisiert wird, dass die reichen Ausländer weniger Steuern bezahlten als normale Bürgerinnen und Bürger, die im Land leben und arbeiten.

Leute, die dieses Steuersystem vorher akzeptiert hatten, weil sie die Vorteile für die Gemeindekassen erkannten, fühlen sich jetzt nicht mehr fair behandelt. Dies wegen ihrer verwöhnten Nachbarn, wie Christian Keuschnigg, Professor für Finanzwissenschaft an der Uni St. Gallen, meint.

“Die Leute schauen nun über den Zaun hinaus und empfinden es als ungerecht, dass ihr Nachbar nur 10% Steuern bezahlen muss, sie aber 30%”, sagte er gegenüber swissinfo.ch.

“Diese Angelegenheit ist nun hochgradig politisiert, die Leute wollen das Pauschalbesteuerungs-System abschaffen.”

Zudem wachse das Unbehagen darüber, dass reiche Leute keine Steuern auf ihren Einkommen bezahlten, fügt er an. Einkommen, wo auch immer in der Welt es erzeugt wird, werde im Land, in dem man wohnt, besteuert. Das Pauscha-Besteuerungssystem ignoriere jedoch Einkommen, die im Ausland generiert würden.

“Die Einkommen dieser Leute werden nicht gemäss ihrem globalen Einkommen besteuert”, sagt er.

Kritik von Links

Die Sozialdemokraten kritisieren das Pauschal-Besteuerungssystem seit langem und haben in mehreren Kantonen Initiativen eingereicht, zusammen mit anderen politischen Parteien.

Die Alternative Linke sammelt seit dem 19. April Unterschriften für eine gesamtschweizerische Initiative gegen die Pauschalbesteuerung. Die Regierung hat deshalb empfohlen, die Ansätze zur Pauschalbesteuerung auf den siebenfachen Eigen-Mietwert anzuheben. Es sollen aber nur Personen mit einem Vermögen von über 400’000 Franken so besteuert werden.

Die Stimmberechtigten in Luzern, St. Gallen und Basel werden in den kommenden Monaten über ähnliche Vorlagen abstimmen.

In Luzern und St. Gallen stehen Gegenvorschläge zur Debatte, die das System leicht ankratzen. Sie sollen weiterzugehen als die Vorschläge der Regierung, nämlich den siebenfachen Mietwert als Berechnungsgrundlage nehmen und auch ein Minimum von 600’000 Franken einführen.

Loch bei den Einnahmen

Welche Auswirkungen die Abstimmung in Zürich in Bezug auf den Wegzug reicher Ausländer hat, ist noch unklar. Viele der 137 reichen Ausländer sind bereits in einen anderen Kanton gezogen. Ihre Häuser sollen nun von gewöhnlichen Steuerzahlenden bewohnt werden. Die Pauschalbesteuerten machten nur 0,3% des Steuereinkommens aus.

Zürich bekommt den Wegzug der Pauschalbesteuerten also zu spüren. Verglichen mit anderen Kantonen ist Zürich also im Nachteil.

Um diesen Dämpfer zu verkraften, schlug der Kanton Zürich den Stimmberechtigten Steuererleichterungen für die besten und die schlechtesten Verdiener sowie Entlastung für Familien vor.

Die Kantonspolitiker argumentierten, die Mindereinnahmen von 400 Millionen würden durch den Zugzug neuer Steuerzahlender gedeckt, wenn die Stimmbürger dem Vorschlag zustimmten. Der Vorschlag wurde abgelehnt.

1920 war der Kanton Waadt der erste Kanton, der spezielle Regeln für Ausländer einführte, die in der Schweiz leben, aber nicht arbeiten.

Vierzehn Jahre später anerkannten die eidgenössischen Behörden ebenfalls eine neue Steuerkategorie für Leute, die aus gesundheitlichen Gründen in die Schweiz kamen und nicht arbeiteten.

Die Pauschalbesteuerung wird durch die Steuerharmonisierung reguliert, die 2001 eingeführt wurde, um Kantone dazu zu bringen, die gleichen Richtlinien für Individualbesteuerung zu befolgen.

Nutzniesser des Systems müssen mindestens 6 Monate und einen Tag im Kanton wohnen, ihren Hauptwohnsitz in der Schweiz haben oder mindestens 10 Jahre von ihrem Heimatland weg sein. Sie dürfen nicht in der Schweiz angestellt sein.

Die Steuerberatungsfirma KPMG verschaffte sich 2007 einen Überblick, um die Anzahl der von der Pauschalsteuer Profitierenden von 2003 und 2006 zu vergleichen.

Sie fanden heraus, dass die Zahl in drei Jahren von 2394 auf 4175 gestiegen war. Seither hat die Zahl laut dem Bundesrat auf über 5000 Personen zugenommen.

Im Kanton Waadt leben laut KPMG die meisten pauschalbesteuerten Personen (1100 im Jahr 2006, 260 im Jahr 2003), gefolgt vom Kanton Wallis (860/647), Genf (600/555), Tessin (477/410) und Graubünden (250/168).

(Übertragung aus dem Englischen: Eveline Kobler)

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