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Schweizer Presse begrüsst Ja einhellig

Die Schweizer Presse bezeichnet die Bilateralen Abkommen als Königsweg. swissinfo.ch

Noch klarer als das deutliche Ja des Schweizer Stimmvolks zur Personenfreizügigkeit mit der erweiterten EU ist der Tenor in den Schweizer Zeitungen: Reihum wird der Entscheid inmitten der Wirtschaftskrise begrüsst und gelobt.

“Reifer Entscheid des Volkes”, “Verblüffende Schweiz”, “Klares Ja zum Bilateralismus” und gleich zweimal “Absage an Experimente” titeln die Zeitungen am Montag ihre Kommentare.

In “wirtschaftlich widrigen Zeiten” habe sich das Schweizer Stimmvolk klar für die Weiterführung des freien Personenverkehrs mit ihrem grössten Handelspartner ausgesprochen, schreibt die Neue Zürcher Zeitung.

“Sie wussten zwischen kurzfristiger Wirtschaftskrise und längerfristigem Verhältnis zur EU zu unterscheiden.” Das fünfte Ja in Folge zum Bilateralismus zeige, dass die Europapolitik der Schweiz durch das Stimmvolk legitimiert sei “wie in keinem Land der EU”.

Das Schweizer Volk zeige ein unbeirrbares Gespür für die wirtschaftliche Verflechtung der Schweiz mit der EU, schreibt der Kommentator im Berner Blatt Der Bund. “Verblüffend dabei: Die Wirtschaftskrise fördert nicht den Igel-Reflex, sondern schärft vielmehr die Einsicht, wie vital offene Märkte inklusive freien Austauschs von Arbeitskräften für unser kleines Land sind.”

Solider Partner

Das mit fast 60% sehr deutliche Votum sei auch ein klares Zeichen an die Europäische Union, so Der Bund weiter: “Gegen aussen steht die Schweiz jetzt als ein selbst in Krisenzeiten zuverlässiger Verhandlungspartner da. In künftigen Verhandlungen soll deshalb der Bundesrat gegenüber der EU selbstbewusst auftreten.”

Dies sieht die Aargauer Zeitung ebenso. Brüssel sehe sich nach den “verunsichernden Plakatkampagnen” nun bestätigt: “Die Schweiz ist und bleibt ein verlässlicher Vertragspartner. Es lohnt sich also, mit ihr in weitere Verträge zu investieren.”

Gute Erfahrungen

Für die Basler Zeitung ist die Frage, warum die Schweiz nun noch deutlicher hinter dem freien Personenverkehr steht als 2005, klar: “Offenkundig anerkennen Schweizer und Schweizerinnen – trotz Klagen über die ‘Deutschenschwemme’ und Fälle von Lohndumping – die guten Erfahrungen mit der Personenfreizügigkeit.”

Es sei interessant, dass diese positive Einschätzung auch den gegenwärtigen Wirtschaftsabschwung überstehe, “eine Zeit also, in der ausländische Arbeitskollegen schnell als Konkurrenten erscheinen”. Das Stimmvolk habe anscheinend gemerkt, dass “sich die Schweiz in schwierigen wirtschaftlichen Zeiten nicht einfach in die Abschottung retten kann”.

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Freier Personenverkehr

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Freier Personenverkehr oder Personenfreizügigkeit ist eine der vier Grundfreiheiten, auf denen die Europäische Union (EU) aufgebaut ist (neben Warenverkehrs- und Dienstleistungsfreiheit sowie freiem Kapital- und Zahlungsverkehr). Personenfreizügigkeit ist das Recht, in die Schweiz oder ein EU-Land einzureisen, dort Arbeit zu suchen, wohnen und arbeiten zu dürfen. Sie unterliegt gewissen Regulierungen und Beschränkungen. Die Schweiz hat…

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Ohrfeige für Volkspartei

Eine Reihe von Zeitungen geht mit der Schweizerischen Volkspartei (SVP), welche die Vorlage per Referendum an die Urne gebracht hatte, ins Gericht.

“Die SVP hat auf einem ihrer Kerngebiete eine Schlappe erlitten”, schreibt der Tages-Anzeiger. “Nun dürften sich die innerparteilichen Auseinandersetzungen noch einmal verschärfen. Das Abstimmungsresultat ist eine Antwort des Volkes auf die Scharf- und Angstmacher von rechts.”

Die Berner Zeitung doppelt nach: “Das Resultat ist auch eine Absage an Experimente, wie sie die SVP provozieren wollte, nämlich die vertraglich gefestigten und erfolgreichen bilateralen Beziehungen mit der EU aufs Spiel zu setzen.”

Die SVP sei die grosse Verliererin des 8. Februars. “Sie hat mit ihrem lamentablen Hüst und Hott auch ihren eigenen Wirtschaftsflügel verärgert und muss nun die Reihen wieder schliessen.”

Auch die Südostschweiz lässt keine guten Federn an der SVP. Es komme “einer Zumutung gleich, was die traditionellen Europa-Gegner, allen voran die SVP, vor dieser Abstimmung veranstaltet haben. Eine Durchschnittsvorlage wurde mit Gebrüll und Getöse zum Jahrhundertproblem emporstilisiert”.

Das “platte Nein gegen alles Europäische” sei ein Auslaufmodell, denn nicht einmal die Krise habe noch als Argument gestochen. “Die Munition der Gegner in diesem Themenkomplex wird langsam nass, und sie werfen notgedrungen mit Steinen und faulen Eiern.”

Königsweg Bilaterale

Die Tribune de Genève ist der Meinung, das Stimmvolk habe gezeigt, “dass der bilaterale Weg der Königsweg ist in unseren Beziehungen mit Europa”. Nun sollten sich die Europafreunde aber nicht von der Euphorie packen lassen. “Der Beitritt zur EU ist nicht einen Zollbreit nähergerückt.”

Die Bilateralen Abkommen sind für L’Express “ein unbestrittener Pfeiler in unseren Beziehungen mit der EU”. Dies lasse für die Zukunft hoffen, denn das Stimmvolk habe gezeigt, “dass es sich nunmehr bewusst ist, dass unser Land wohl verankert ist in Europa”.

Im Tessin, das von den vier Nein-Kantonen am deutlichsten gegen die Vorlage war, kommentierte La Regione, das Nein sei nichts anderes als “eine klare Botschaft an die Zentralregierung”. Die Tessiner seien nicht “Europagegner zum Spass”, sie würden nur gerne ernst genommen in Bern, wenn sie erklärten, es gebe ein Ungleichgewicht zwischen dem Tessin und der Lombardei betreffend Zugang zum anderen Arbeitsmarkt.

swissinfo, Christian Raaflaub

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Bilaterale Abkommen

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Die Bilateralen Abkommen I und II zwischen der Schweiz und der Europäischen Union (EU) regeln die bilateralen Beziehungen auf den verschiedensten Ebenen. Die EU ist die wichtigste Partnerin der Schweiz – politisch, kulturell und wirtschaftlich. 1992 hatte das Schweizer Stimmvolk Nein gesagt zu einem Beitritt des Landes zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR). Seither wird der bilaterale…

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Nach dem Ja tritt die Ausdehnung des freien Personenverkehrs auf Bulgarien und Rumänien in den nächsten Monaten in Kraft, sobald auch Brüssel grünes Licht gegeben hat.

Dann beginnt eine siebenjährige Übergangsfrist, in der der Personenverkehr mit den beiden Staaten schrittweise eingeführt wird.

Während dieser Frist bis 2016 bleibt die Zulassung von Arbeitskräften aus Bulgarien und Rumänien begrenzt, mit sukzessive steigenden Kontingenten.

Nach Ablauf der sieben Jahre könnte die Schweiz weitere drei Jahre lang eine “Ventilklausel” anrufen, sollte die Zuwanderung aus Bulgarien und Rumänien unerwünscht stark sein.

Inländische Arbeitskräfte haben während der Übergangsfrist bei der Anstellung vor bulgarischen und rumänischen Vorrang. Vor jeder Anstellung werden zudem Lohn- und Arbeitsbedingungen von den Schweizer Behörden kontrolliert.

Das bisher auf sieben Jahre befristete und nun auf 27 EU-Länder erweiterte Personenfreizügigkeitsabkommen gilt jetzt unbefristet weiter.

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