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Auswandern im Rentenalter: Wenn Senior:innen der Schweiz den Rücken kehren

Nicole Töpperwien, Livia Tomas und Samuel Jaberg
Nicole Töpperwien (links) und Livia Tomas diskutierten in unserem Studio über das Thema Auswanderung von Pensionierten. SWI swissinfo.ch

Immer mehr Menschen in der Schweiz beschliessen, im Alter ins Ausland zu gehen. Was sind die Gründe dafür? Worauf muss man achten? Die Expertinnen Livia Tomas und Nicole Töpperwien geben Antwort.

Die Schweiz ist ein sicherer und angenehmer Ort zum Leben und bietet eines der leistungsfähigsten Gesundheitssysteme der Welt. Dennoch packen immer mehr Menschen ihre Koffer, sobald ihr Berufsleben endet.

Laut dem Bundesamt für Statistik hat sich die Zahl der Schweizer:innen, die im Ausland eine AHV-Rente beziehen, in 20 Jahren verdoppelt und erreichte Ende 2024 134’000.

Im gleichen Zeitraum ist ein ähnlicher Anstieg der AHV-Renten zu verzeichnen, die an ausländische Staatsangehörige ausgezahlt werden, die ihr gesamtes oder einen Teil ihres Erwerbslebens in der Schweiz verbracht haben (673’000 im Jahr 2024).

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Die 55- bis 69-Jährigen sind heute nach den 20- bis 35-Jährigen die zweitgrösste Altersgruppe im Besitz des roten Passes, die auswandert.

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Lebenshaltungskosten als entscheidender Faktor

«Die finanzielle Frage spielt oft eine sehr grosse Rolle. Viele Menschen müssen im Ruhestand mit weniger Geld auskommen als während ihres Berufslebens.

Sie hoffen auf ein besseres Leben im Ausland und dass sie nicht von staatlichen Ergänzungsleistungen abhängig sein müssen», sagt Nicole Töpperwien, Direktorin von Soliswiss, einer Genossenschaft, die Auslandschweizer:innen Beratungen anbietet.

Livia TomasExterner Link, Forscherin an der Universität Neuenburg und der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, hat mehrere Dutzend Menschen befragtExterner Link – Schweizer:innen oder Ausländer:innen, die in der Schweiz gearbeitet haben –, die an die spanische Südküste ausgewandert sind.

Laut den Ergebnissen ihrer Forschung gibt es drei Hauptmotive, die Pensionierte dazu bewegen, die Schweiz zu verlassen: wirtschaftliche Überlegungen, das Klima und ein Gefühl der Zugehörigkeit zum Zielland.

«Der Kaufkraftgewinn und die niedrigeren Preise ermöglichen es einigen Rentner:innen, ihren Lebensstandard aufrechtzuerhalten. Andere Menschen sind jedoch einfach gezwungen, die Schweiz zu verlassen, um über die Runden zu kommen», sagt sie.

Hören Sie sich die erste Folge unseres Gesprächs über die internationale Mobilität von Senior:innen an (auf Französisch):

«250611_Episode 1_Audio Export». Released: 2025.

Zeugnisse von Schweizer:innen, die sich aus finanziellen Gründen entschieden haben, im Ruhestand auszuwandern, häuften sich anlässlich der Abstimmung über die 13. AHV-Rente. Diese wurde im März 2024 von einer Mehrheit des Volkes und der Kantone angenommen.

Im Abstimmungskampf entstand eine heftige Kontroverse. Während Umfragen eine breite Zustimmung zur Initiative innerhalb der helvetischen Diaspora voraussagten, beschuldigten Teile der konservativen Rechten und einige Medienschaffende sie, sich auf Kosten der erwerbstätigen Bevölkerung in der Schweiz einen goldenen Ruhestand im Ausland zu gönnen.

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Gastgeber/Gastgeberin Katy Romy

Sind Sie im Rentenalter ausgewandert, weil Sie in der Schweiz nicht über die Runden kommen?

Jedes Jahr ziehen Schweizer:innen ins Ausland, um finanziellen Schwierigkeiten in der Schweiz zu entgehen. Sind Sie auch in dieser Situation?

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«Natürlich gibt es immer einige Leute, die versuchen, das System auszunutzen. Aber das gilt nicht für die grosse Mehrheit der Rentner:innen im Ausland. Letztere kosten die Schweiz in der Regel weniger, da sie keinen Anspruch auf AHV-Ergänzungsleistungen haben und das schweizerische Gesundheitssystem nicht mehr belasten», sagt Töpperwien.

In Polen und Thailand wurden beispielsweise Gesundheitseinrichtungen für deutschsprachige Menschen mit Demenz geschaffen, die aus finanziellen Gründen nicht mehr in der Schweiz behandelt werden können, sagt Livia Tomas.

«Diese Auswanderung darf nicht darauf abzielen, unsere Probleme zu verlagern. Die Schweiz muss ihre soziale Verantwortung wahrnehmen und allen älteren Menschen, die es wünschen, ermöglichen, unter guten Bedingungen hier zu leben», sagt die Forscherin.

Integration manchmal schwierig

Wenn sie nicht erzwungen ist, ist die Auswanderung im Rentenalter oft gleichbedeutend mit Freude und Entdeckung. Aber ein Weggang ist auch mit besonderen Herausforderungen verbunden. Während die Verbindung zu Familie und Freund:innen in der Heimat mit zahlreichen Video-Call-Apps gepflegt werden kann, kann die Anpassung an eine neue Umgebung ab einem gewissen Alter schwierig sein.

«Die Integration ist oft ziemlich schwierig, besonders wenn man die Sprache des Gastlandes nicht beherrscht. Die Rentner:innen, die ich im Rahmen meiner Forschung befragt habe, hatten einen recht begrenzten sozialen Kreis», sagt Tomas.

Hören Sie sich die zweite Folge unseres Gesprächs über die internationale Mobilität von Senior:innen an (auf Französisch):

«250617_Episode 2_Audio Export_new». Released: 2025.

Viele Länder, wie zum Beispiel Portugal oder Costa Rica, versuchen heute, Schweizer:innen oder europäische Rentner:innen anzulocken, indem sie ihnen beispielsweise besondere steuerliche Vorteile bieten. Mit den bilateralen Abkommen ist es zudem einfach geworden, sich in einem EU-Land niederzulassen und dabei Dienstleistungen zu geniessen, die mit denen in der Schweiz vergleichbar sind.

Einige administrative Aspekte sollten jedoch nicht unterschätzt werden. «Krankenversicherung, Steuern, Wohnsitzanmeldung, Bankkonten usw.: Es gibt enorm viele Dinge, an die man denken muss. Ausserdem ist es oft schwierig, personalisierte und aktuelle Informationen zu finden», betont Töpperwien.

Einen Traum verwirklichen

Im Falle von Problemen, sei es finanzieller oder gesundheitlicher Art, haben Personen mit einem Schweizer Pass immer die Möglichkeit, in die Schweiz zurückzukehren. Dies gilt jedoch nicht für ausländische Staatsangehörige, die nach der Pension die Schweiz verlassen.

Für letztere kann ein doppelter Wohnsitz im Ausland und in der Schweiz eine Lösung sein. «Der doppelte Wohnsitz, der vor allem aufgrund des Klimas und der Beziehungen motiviert ist, erfordert jedoch ein gewisses Einkommensniveau», sagt Tomas. «Nur eine Minderheit der Rentner kann sich das finanziell leisten.»

Der doppelte Wohnsitz kann auch für Schweizer Bürger:innen interessant sein. Er ermöglicht es insbesondere, die Schweizer Krankenversicherung beizubehalten, wenn man einen Teil des Jahres ausserhalb der EU/EFTA lebt, sagt Töpperwien.

In jedem Fall ermutigt die Direktorin von Soliswiss diejenigen, die es können, den Schritt zu wagen: «Viele Rentner:innen sind noch sehr aktiv. Wenn der Traum von der Auswanderung seit mehreren Jahren besteht und man über eine gute Planung verfügt, warum dann nicht das Abenteuer wagen?»

Unsere Sendung vor der Abstimmung über die 13. AHV-Rente (Februar 2024):

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Editiert von Pauline Turuban, Übertragung aus dem Französischen mit der Hilfe der KI Claude: Janine Gloor

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