

Die Woche in der Schweiz
Liebe Schweizerinnen und Schweizer im Ausland
«Die Schweiz ist nicht mehr das, was sie war», hört man manchmal. Aber wie Sie in unserer Übersicht der wichtigsten Ereignisse der Woche feststellen werden, ist dieser Satz ausnahmsweise vielleicht nicht völlig unbegründet.
Zwischen den Polemiken rund um Gaza, den Schwierigkeiten der Wirtschaft, der Zersiedelung und sogar Streitigkeiten über den Preis von Brot vermitteln die Nachrichten der Woche nicht das Bild einer gelassenen und ruhigen Schweiz.
Gute Lektüre!

Das prägende internationale Ereignis der Woche ist die Einstellung der Kämpfe im Gazastreifen und die Befreiung der letzten israelischen Geiseln. Das Thema wurde täglich in den Schweizer Nachrichten behandelt.
Auch die Palästina-Demonstration, die letzten Samstag in Bern für Millionenschäden und Verletzte gesorgt hatte, bewegt die Schweiz weiterhin. Auf der einen Seite mehrten sich die Aufrufe nach grösserer Strenge gegenüber Personen, die bei Demonstrationen wüten. Auf der anderen Seite prangerten die Organisator:innen der Demo die «Brutalität» der Polizei an.
Möglicherweise entscheidet in der Schweiz das Stimmvolk über die offizielle Anerkennung eines palästinensischen Staates. Eine Koalition, die namentlich NGOs und Parlamentarier:innen der Linken vereint, hat diese Woche eine entsprechende Volksinitiative lanciert. Der Bundesrat hat die Idee vorerst abgelehnt und ist der Ansicht, dass die Bedingungen noch nicht erfüllt seien, insbesondere in Sicherheitsfragen.
Vor Ort bleibt die Situation in Gaza dramatisch. Die Glückskette hat den Waffenstillstandsvertrag zum Anlass genommen, eine neue Spendenkampagne zu lancieren. «Die schweizerische Solidarität ist wichtiger denn je, um der völlig erschöpften Zivilbevölkerung zu helfen», betont die humanitäre Stiftung.

Im Ausland ist die Schweiz für die Schönheit ihrer Landschaften bekannt, sicherlich zu Recht. Die Schweizer Gesetzgebung trägt zu deren Erhaltung bei, insbesondere durch die Vermeidung übermässiger Verbauung. Aber diese Woche haben zwei Neuigkeiten, die Volksentscheide in Frage stellen, die Naturschutzkreise aufgeschreckt.
Der Bundesrat hat beschlossen, Bauten ausserhalb der Bauzonen vermehrt zuzulassen. Diese dürfen ab 2026 um 2% zunehmen, anstatt wie vorgesehen um 1%. Dabei hatte sich die Regierung im Gegenzug zum Rückzug der Volksinitiative «Gegen die Zersiedelung unserer Landschaft» zu einer strikten Umsetzung des Raumplanungsgesetzes verpflichtet. Pro Natura wirft der Regierung nun vor, mit einer Verordnungsänderung den Bau ausserhalb der Bauzonen zu fördern.
Der Bericht «Verkehr 2045» hat in den letzten Tagen ebenfalls zahlreiche Reaktionen ausgelöst. Der Bericht wurde von ETH-Professor Ulrich Weidmann im Auftrag des Eidgenössischen Departements für Verkehr erstellt. Er definiert die Prioritäten der grossen schweizerischen Eisenbahn- und Strassenprojekte für die nächsten zwanzig Jahre.
Die Autobahnen stehen im Zentrum der Polemik. Der Bericht sieht nämlich die Rückkehr von Autobahnprojekten wie dem Rheintunnel in Basel vor. Ein Teil der Linken und Umweltschutzkreise bezeichnet den Bericht als «antidemokratisch», da das Schweizer Stimmvolk am 24. November letzten Jahres eine Erweiterung der Autobahnen abgelehnt hatte.

Die Woche war eine düstere für die Schweizer Wirtschaft. Am Donnerstag kündigte der Nahrungsmittelriese Nestlé den Abbau von nicht weniger als 16’000 Arbeitsplätzen über zwei Jahre an. Der Grossteil der Kündigungen (12’000) betrifft Bürojobs. Der Waadtländer Konzern, der weltweit 277’000 Menschen beschäftigt, davon 8600 in der Schweiz, will auf einen signifikanten Umsatzrückgang der letzten Monate reagieren.
Auch bei einem anderen Aushängeschild der Schweizer Wirtschaft, der UBS, läuft es nicht rund. Die Grossbank könnte Schulden in der Höhe von 16,5 Milliarden Franken infolge der Übernahme der Credit Suisse (CS) erben. Das Bundesverwaltungsgericht hat nämlich soeben entschieden, dass die vollständige Abschreibung der AT1-Anleihen der CS keine rechtliche Grundlage hatte. Die Angelegenheit steht erst am Anfang, lässt aber einen sehr langen Rechtsstreit zwischen UBS und dem Bund erahnen, der den Rettungsplan der CS beaufsichtigt hatte.
Die schlechten Nachrichten betreffen nicht nur die SMI-Schwergewichte. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) hat soeben seine Konjunkturprognosen nach unten korrigiert. Es rechnet mit einem BIP-Wachstum von 0,9% im nächsten Jahr, während die Prognose im Juni noch bei 1,2% lag. Das Seco erwartet auch einen Anstieg der Arbeitslosigkeit, mit einer auf 2,9% im Jahr 2025 und 3,2% im Jahr 2026 geschätzten Quote. Dieser Pessimismus ist grösstenteils auf die amerikanischen Zölle von 39% zurückzuführen, welche die Schweizer Exporte belasten.
Und auch im sozialen Bereich zeigen sich Spannungen. Die Gewerkschaften haben am Donnerstag angekündigt, dass mehr als 20’000 Arbeitnehmende des Bausektors für einen Streik sind, was in der Schweiz ein relativ seltenes Phänomen ist. Gewerkschaften und Unternehmer haben bisher keine Einigung gefunden. Der Konflikt zwischen den beiden Parteien betrifft insbesondere die Arbeitszeit und Pausen sowie das Ende der unbezahlten Anfahrten zur Baustelle.

Die Schweiz gilt allgemein als reiches Land, daher wirkt die aktuelle Polemik um den Brotpreis überraschend. Der deutschstämmige Discounter Aldi hat den ersten Stein geworfen, indem er angekündigt hat, den Preis für das Pfund Brot auf unter einen Franken zu senken.
Seit dieser Woche kostet ein halbweisses Pfünderli (500 Gramm) 99 Rappen statt 1,19 Franken, also eine Reduktion von 19%. Aldi erklärt, damit das Portemonnaie seiner Kundschaft entlasten zu wollen. Eine gewiss lobenswerte Absicht, die aber einen Preiskrieg ausgelöst hat. Die anderen grossen Detailhändler haben angekündigt, sich an die Preise von Aldi angleichen zu wollen.
Ihrerseits prangern die Bäcker-Konditoren eine «unlautere Konkurrenz» an, die die Existenz kleiner Bäckereien bedrohe, die nicht mit den Kosten der grossen Ketten konkurrieren könnten. In ihren Augen ermöglichen die von den Grossverteilern praktizierten Preise keine Rentabilität. Sie seien nur möglich, weil das Brot ein «Lockartikel» sei, der dazu bestimmt ist, die Kundschaft in den Laden zu bringen.

Die kommende Woche
Am Wochenende finden mehrere Wahlen statt. Am Samstag wird die Delegiertenversammlung der Freisinnig-Demokratischen Partei (FDP) in Bern über die Nachfolge von Thierry Burkhart an der Parteispitze entscheiden. Am Sonntag wählt der Kanton Jura eine neue Regierung und in Genf wird in einem zweiten Wahlgang die Nachfolge für den Grünen Staatsrat Antonio Hodgers bestimmt.
Auf wirtschaftlicher Ebene werden am Donnerstag und Freitag die Ergebnisse des dritten Quartals mehrerer grosser Industrieunternehmen, darunter Lonza, Roche, Sika, Schindler, Holcim und Galenica, einen guten Überblick über die aktuelle Wirtschaftslage geben.
Im kulturellen Bereich ist am Montag die offizielle Feier zum 750-jährigen Bestehen der Kathedrale von Lausanne zu erwähnen.

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards