Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

«Gesellschaftsspiele bringen uns Menschen zusammen»

Gesellschaftsspiele sind nach wie vor im Trend. Sie bringen uns Menschen zusammen, sagt Spielforscher Rainer Buland.
Gemeinschaftsspiele sind nach wie vor im Trend. Sie bringen uns Menschen zusammen, sagt Spielforscher Rainer Buland. KEYSTONE/Laurent Gillieron

Warum Gesellschaftsspiele im Trend sind und weshalb uns analoge Spiele immer noch faszinieren, erklärt ein Spielforscher.

Die Adventszeit rückt immer näher und damit auch der alljährliche Weihnachtsstress. Wenn Sie noch keine Geschenkideen für ihre Liebsten haben: Gesellschaftsspiele oder auch Legos für Gross und Klein sind beliebt, wie eine Umfrage des Spielwarenverbandes Schweiz zeigt.

Der Verband hat Migros, Manor, Coop, Galaxus und Spielkiste nach ersten Weihnachtstrends befragt. Dabei hat sich gezeigt: Lego – speziell auch für Erwachsene – ist bei allen Detailhändlern sehr beliebt. Auch Plüschtiere und Filmfiguren werden gerne verschenkt, allen voran die Disney-Figur Stitch.

Was überrascht: Gesellschaftsspiele gehören trotz der Digitalisierung nach wie vor zu den beliebtesten Geschenkideen. Aber warum sind diese Spiele immer noch so beliebt? «Gesellschaftsspiele, insbesondere Brettspiele, sind so beliebt, weil sie die Menschen zusammenbringen», sagt Spielforscher Rainer Buland.

Das Spannende daran sei auch, dass Erwachsene und Kinder bei diesen Spielen gleichwertig seien, was im Alltag nur selten vorkomme. «Für die Tochter oder den Sohn ist es aufregend zu schauen, wie der Vater reagiert, wenn man ihn aus dem Feld wirft. Denn hier kann er nicht sagen ‹du darfst dies oder jenes nicht›.»

Nicht überall ist Gewinnen das Ziel

Auch im Freundeskreis werde es bei Gesellschaftsspielen interessant. Denn in kaum einem anderen Bereich lerne man einen anderen Menschen so schnell und intensiv kennen, so der Spielforscher.

«Wir versuchen immer, unsere schönsten Seiten zu zeigen. Im Spiel lernen wir aber ganz andere Seiten von einander kennen. Wie reagiert der Freund wenn er verliert und wütend wird?»

Denn das Hauptziel beim Spielen ist nach wie vor zu gewinnen. Dieser eine Gewinner stehe vor allem in der westliche Welt, in der wir sehr individualistisch unterwegs sind, im Vordergrund. In anderen Weltregionen sei das Gewinnen nicht die grosse Motivation, sagt Buland, der sich mit der 5000 Jahre alten Spielkultur beschäftigt.

«In Samoa, einer Insel im Pazifik, sagen die Leute: Wenn wir alle gegeneinander spielen und nur einer gewinnt, sind alle anderen frustriert. Was soll daran interessant sein?» Doch auch im Westen, besonders in demokratischen Gesellschaften habe es in den letzten 30 Jahren einen Trend zu mehr kooperativen Spielen gegeben.

Der Spieltrieb hat sich evolutionär entwickelt, weil er eine wichtige Funktion beim Lernen erfüllt, sagt Spielforscher Rainer Buland. «Tiere wie Insekten haben feste Instinkte und Verhaltensprogramme, die ihnen sagen, was sie tun müssen.»

Im Lauf der Zeit habe die Evolution ein sehr komplexes Zentralnervensystem entwickelt, das vor allem Säugetiere und Vögel besässen. Dieses grössere Gehirnvolumen ermögliche auf der einen Seite flexiblere Verhaltensweisen.

«Auf der anderen Seite müssen die Tiere Fähigkeiten erlernen, und das geht am besten durch Spielen. Wenn sich zwei junge Löwen im Spiel bekämpfen, beissen sie sich nicht wirklich, weil sie eine Beisshemmung haben», so Buland. Dadurch würden sie sich nicht verletzten aber Fähigkeiten erlernen, die sie für die Jagt brauchen.

«Deswegen hat die Evolution das Spiel hervorgebracht», sagt Buland. Auch aus der Hirnforschung wisse man, dass Lernen am einfachsten und effektivsten sei, wenn man dabei Spass habe.

Was sich in den letzten Jahren auch verändert hat, ist das Alter der Spieler, denn vermehrt spielen auch Erwachsene gerne. Dieser Trend, dass die Jugend weiter ins Erwachsenenalter ausgedehnt wird, gebe es schon länger, sagt Buland.

«In den 50er-Jahren hat eine Frau nach ihrer Volljährigkeit geheiratet und Kinder bekommen und der Mann ging arbeiten. Damals hat man gesagt: Als Erwachsener arbeitet man oder treibt Sport aber spielt nicht». Diese klare Berufskarriere gebe es nicht mehr. «Heute sind wir viel freier, müssen und dürfen uns ständig neu erfinden. Und dazu brauchen wir eben Spiel und Kreativität.»

Viele Erwachsene spielen auch auf ihren Smartphones oder mit Spielkonsolen. Die Befürchtung aus den 90er Jahren, dass diese Spiele die analogen Brettspiele verdrängen würden, hat sich aber nicht bewahrheitet. Und das werde wohl auch so bleiben, sagt Buland.

«Mittlerweile spielt auch die jüngere Generation mit ihren Kindern Brettspiele. Je digitaler wir werden, desto interessanter werden die analogen Spiele», so Buland. Das habe noch etwas von einer Unmittelbarkeit, die wir in der digitalen Welt gar nicht mehr erleben würden.

Meistgelesen
Swiss Abroad

Meistdiskutiert

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft