

Heute in der Schweiz
Liebe Schweizerinnen und Schweizer im Ausland
Im heutigen Briefing sprechen wir über Aufbrüche: über den immer späteren Auszug der jungen Generation aus dem Elternhaus und den möglichen Wegzug der Grossbank UBS aus der Schweiz – eine laut einem Professor für Wirtschaftsrecht gar nicht so abwegige Hypothese.
Wir befassen uns zudem mit einer Initiative, die den Bund dazu verpflichten will, den Staat Palästina anzuerkennen, und mit einer in den USA lebenden Schweizer Schriftstellerin, die den prestigeträchtigsten Literaturpreis Deutschlands gewonnen hat.
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Die neuen Eigenkapitalanforderungen, welche die Schweizer Behörden der UBS auferlegen wollen, gefallen der Grossbank nicht. Sie drohte aus diesem Grund sogar damit, ihren Hauptsitz ins Ausland zu verlegen. Laut einem Experten, den das italienischsprachige Radio und Fernsehen RSI interviewte, ist ein Wegzug der UBS keine so abwegige Möglichkeit.
Ist es wirklich möglich, dass die UBS die Schweiz verlässt? «Das ist es», antwortet Henry Peter, Professor für Wirtschaftsrecht an der Universität Genf und Verwaltungsratsmitglied verschiedener Banken und Versicherungsgesellschaften. Der Ökonom betont, das eigentliche Problem sei nicht, was viele denken würden, nämlich dass die UBS die Regierung «erpressen» wolle, um die Verschärfung der Eigenkapitalvorschriften zu vermeiden.
Der Knackpunkt sei vielmehr das Aktionariat, von dem 70-80% aus dem Ausland stammten. «Wenn sie den Eindruck haben, dass ihr Investment ausserhalb der Schweiz mehr wert wäre, weil es diesen Anforderungen nicht unterworfen wäre, und sie entscheiden das, könnten sie beschliessen, den Sitz der Bank zu verlegen.» Die zweite Hypothese wäre, ein Kaufangebot zu akzeptieren. «Es gibt zweifellos viele Banken, die daran interessiert sind, die UBS zu kaufen», fügt Peter hinzu.
Welche Konsequenzen hätte ein Wegzug? Laut dem Ökonomen wäre der Verlust jenes Teils der Kundschaft, die der UBS nur treu ist, weil es eine Schweizer Bank ist, für das Geldinstitut unbedeutend. In der Schweiz hingegen würden etwa 15’000 Arbeitsplätze verloren gehen, sehr wichtige Steuereinnahmen und die Dienstleistungen, welche die Gruppe etwa einem Drittel der Unternehmen des Landes erbringt, warnt Peter.

Die Jugendlichen und vor allem jungen Schweizerinnen und Schweizer verlassen das Elternhaus immer später. Das geht aus den Daten des Bundesamts für Statistik hervor, wonach die Hälfte der zwischen 1988 und 2007 geborenen Personen erst mit 23,7 Jahren das Elternhaus verlässt, während die zwischen 1968 und 1987 Geborenen dies fast zwei Jahre früher getan haben.
Insgesamt zieht die Mehrheit der jungen Menschen in der Schweiz zwischen 20 und 30 Jahren aus dem Elternhaus aus: Im Durchschnitt hat ein Viertel von ihnen bereits im Alter von 20 Jahren die Koffer gepackt, fast 70% sind bis zum Alter von 25 Jahren ausgezogen und etwa 90% bis zum Alter von 30 Jahren. Neben dem Alter spielt auch das Geschlecht eine entscheidende Rolle. Bei den Männern dauert es durchschnittlich 23,4 Jahre, bis die Hälfte von ihnen das Haus von Mama und Papa verlässt, gegenüber 21,9 Jahren bei den Frauen.
Ausserdem trennen sich Personen aus der italienischsprachigen Schweiz etwas später von der Familie (50% sind im Alter von 24,4 Jahren aus dem Elternhaus weggezogen) als die aus der deutschsprachigen Schweiz (50% im Alter von 22,5 Jahren) und der französischsprachigen Schweiz (50% im Alter von 22,8 Jahren).
Viele der 20- bis 39-Jährigen, die das Elternhaus verlassen haben, leben immer noch in der Nähe: Fast ein Viertel (22%) braucht höchstens zehn Minuten, um sie zu besuchen, fast die Hälfte (48%) braucht nicht mehr als eine halbe Stunde und 61% nicht mehr als eine Stunde. Weitere 22% hingegen leben mehr als fünf Stunden entfernt.

Die in den USA lebende Zürcher Schriftstellerin Dorothee Elmiger hat mit ihrem Buch «Die Holländerinnen» den Deutschen Buchpreis 2025 gewonnen – die prestigeträchtigste Auszeichnung für deutschsprachige Literatur.
Elmiger wurde 1985 in Wetzikon (Kanton Zürich) geboren, wuchs in Appenzell Innerrhoden auf und studierte Politikwissenschaften in Berlin und Luzern. Heute lebt sie in New York. «Die Holländerinnen» ist ihr viertes Buch, in dem sich Krimi, Horror und theatralische Momente überlagern, zusammen mit vielen Fragen zur Gegenwart und zum Schreiben.
Das Buch erzählt von einer Schriftstellerin, die mit einer Dokumentartheatergruppe auf die Spuren zweier niederländischer Frauen geht, die im südamerikanischen Dschungel verschwunden sind. Doch das Projekt verwandelt sich in eine Reise ins Herz der Finsternis.
Der Roman «berührt aktuelle Themen wie die zweifelhafte Anziehung von ungelösten Kriminalfällen, die aus dem True-Crime-Trend bestens bekannt ist – oder die Sehnsucht, durchs Erzählen irgendeine Form von Ordnung in die Welt zu bringen«, schreibt SRF-Literaturredaktor Simon Leuthold. «Die vielfach verschachtelte Erzählweise verlangt dem Publikum zwar einiges ab. Doch für alle, die sich darauf einlassen, gibt es unzählige Anspielungen und sprachbildliche Perlen zu entdecken.»

Die Schweiz soll Palästina offiziell als Staat anerkennen. Das fordert eine Koalition aus der Zivilgesellschaft, Juristinnen, Juristen und politischen Persönlichkeiten der Linken, die am Dienstag eine entsprechende Volksinitiative lanciert hat. Um das Stimmvolk an die Urnen zu bringen, muss sie bis zum 14. April 2027 100’000 Unterschriften sammeln.
76 Jahre sind vergangen seit der Anerkennung des Staats Israel durch die Schweiz, und dasselbe für Palästina zu tun sei «eine unerlässliche Bedingung für den Aufbau eines gerechten und dauerhaften Friedens im Nahen Osten, der die Gleichberechtigung aller Völker respektiert», erklären die Initiantinnen und Initianten. Sie erinnern daran, dass derzeit bereits 80% der Länder der Vereinten Nationen diesen Schritt vollzogen hätten.
Sollte die Unterschriftensammlung erfolgreich sein, würde die Schweiz das erste Land der Welt werden, das die Stimmberechtigten über die Anerkennung des Staats Palästina entscheiden lässt.
«Wir werden uns für die Errichtung einer palästinensischen Behörde im Hinblick auf die Schaffung eines palästinensischen Staats einsetzen», erklärte der Schweizer Aussenminister Ignazio Cassis am Dienstag, einen Tag nachdem in Ägypten ein Friedensabkommen unterzeichnet wurde mit dem Ziel, dem israelisch-palästinensischen Konflikt ein Ende zu setzen. Die Regierung hatte ihre Zurückhaltung bisher damit begründet, dass eine Anerkennung nur dann in Betracht gezogen werden könne, wenn konkrete Massnahmen zugunsten einer Zweistaatenlösung eingeleitet würden.

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