Zwischen Krebsforschung, Kühen und Konsulatsfragen: Adrian Blaser ist Honorarkonsul in Neuseeland
Kaum ein Schweizer Honorarkonsulat liegt weiter von der Heimat entfernt als jenes im neuseeländischen Auckland. Seit 2019 vertritt der Berner Chemiker Adrian Blaser dort die Schweiz – neben seiner Arbeit in der Krebsforschung, dem Bierbrauen und dem Alphornspiel.
Seit 2019 hält Adrian Blaser das Amt des Schweizer Honorarkonsuls in Auckland inne – am wohl entferntesten Aussenposten der Eidgenossenschaft.
Der 53-jährige lebt seit 2001 in Neuseeland. «Ursprünglich wollten wir nur für ein Jahr nach Neuseeland reisen», sagt Blaser am Telefon. Damals flog er zusammen mit seiner Frau und dem 18 Monate alten Sohn ans andere Ende der Welt.
Drei erwachsene Kinder später lebt Blaser mit seiner Frau rund eine Fahrstunde ausserhalb von Auckland, auf einem sogenannten Lifestyle-Block – einer kleinen Farm mit zwei Kühen, Laufenten und einem grossen Gemüsegarten. «Ja, so geht es», sagt er über die vergangenen 24 Jahre in Neuseeland.
Das unsichtbare Netz der Schweizer Diplomatie
Swissinfo beleuchtet das Netzwerk der Schweizer Honorarkonsulinnen und -konsuln – Menschen wie Adrian Blaser in Auckland, die ehrenamtlich die Schweiz vertreten. Sie helfen Schweizer:innen in Notfällen, pflegen Kontakte vor Ort und fördern kulturelle sowie wirtschaftliche Beziehungen, wo es keine offizielle Vertretung gibt.
Weltweit gibt es 225 Schweizer Honorarkonsulate. Die Arbeit ist ehrenamtlich, zentral für die Auslandschweizer:innen und sorgt dafür, dass die Schweiz überall präsent bleibt. In den kommenden Wochen stellt Ihnen Swissinfo einige dieser «Hobby-Diplomat:innen» vor.
Vom Schweizer Club zum Honorarkonsulat
Blaser ist ein Tausendsassa. Der Chemiker, der an der Universität Bern Chemie studiert und dort doktoriert hat, arbeitet heute an der Universität Auckland in der Krebsforschung. In seiner Freizeit braut er Bier und Schnaps – ein Hobby, das er dem Lockdown während der Corona-Pandemie zu verdanken hat.
Ausserdem spielt er Alphorn und jasst regelmässig. Das Alphornspielen hat er erst vor rund sechs Jahren begonnen, zu seinem 50. Geburtstag hat er ein eigenes Alphorn geschenkt bekommen.
Blaser engagiert sich schon lange in der Schweizer Community in Neuseeland: Seit 2006 ist er Mitglied des Auckland Swiss Club, war fünf Jahre lang dessen Präsident und unterstützte zahlreiche Aktivitäten der Schweizer in der Region. Durch dieses Engagement wurde er 2018 auf das Amt des Honorarkonsuls aufmerksam. «Ich wurde angefragt, ob ich dieses Amt übernehmen möchte», erzählt Blaser. Er sei neugierig gewesen und habe sich deshalb beworben.
So begann ein Rekrutierungsverfahren, das sich zwischen der offiziellen Vertretung der Schweiz in Wellington, dem Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten in Bern und den neuseeländischen Behörden abspielte – ein Prozess, der seine Zeit in Anspruch nahm.
Da Blaser zudem noch für «Justice of the Peace» in Neuseeland – als eine Art Friedensrichter – amtiert, musste während des Bewerbungsverfahrens auch noch geprüft werden, ob sich beide Ämter vereinbaren lassen. So ist Blaser nun schon in seinem siebten Jahr als Honorarkonsul.
Ein zeitaufwändiges Ehrenamt
Sein Amt verbindet offizielle Aufgaben mit persönlichem Engagement. «Ich erhalte täglich Telefonanrufe und E-Mails zu Visa-, Pass- oder anderen konsularischen Fragen», erklärt Blaser. «Oft muss ich erklären, warum ich als Honorarkonsul gewisse Dinge nicht selbst erledigen darf», sagt er.
Diese Visa- oder Pass-Anfragen können jedoch nur von der Botschaft in Wellington bearbeitet werden. Ab und zu müsse er sich dafür rechtfertigen, dass das Honorarkonsulat keine grösseren administrativen Strukturen hat, aber trotzdem wichtig ist.
Was tut ein Honorarkonsul überhaupt? Unser Explainer:
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Das unsichtbare Netz der Schweizer Diplomatie
Blaser steht in engem Kontakt mit der Schweizer Botschaft in Wellington. Durch sein Amt kommt er zudem mit rund 70 Konsulaten von Ländern aus aller Welt in Kontakt, die im Raum Auckland vertreten sind.
«Wir treffen uns einmal im Monat», sagt der 53-Jährige. Blaser ist auch aktiv im New Zealand Europe Business Council, wo er nicht nur repräsentative Aufgaben übernimmt. «Als Schweizer wird man immer als Schatzmeister angefragt», erzählt Blaser.
In ganz Neuseeland leben derzeit rund 7380 Schweizerinnen und Schweizer (Stand 2024), allein in Auckland sind es etwa 2500. «Ich kenne natürlich nicht alle zweieinhalbtausend Schweizer, die wir hier haben», sagt Blaser, «aber doch eine rechte Anzahl.»
Über 1000 Schweizer:innen wollten zu Beginn der Pandemie zurück
Blaser hat sein Amt kurz vor Beginn der Corona-Pandemie übernommen. Besonders der Lockdown ist ihm in Erinnerung geblieben. Als Neuseeland 2020 seine Grenzen schloss, half er zahlreichen Schweizer Touristinnen und Touristen, die nicht wussten, wie sie zurück nach Hause kommen sollten. «Damals wollten rund 1100 Schweizerinnen und Schweizer zurück», so Blaser.
Er und seine Familie organisierten Unterkünfte und unterstützten die Gestrandeten bei den Repatriierungsflügen – es gab sogar Schweizer:innen, die kurzfristig bei ihm privat Unterschlupf fanden. «Am 8. April 2020 brauchte es meine ganze Familie am Flughafen, um die Leute vor dem Repatriierungsflug zu betreuen», erzählt er.
«Zwar erfordert das Ehrenamt ein paar Stunden Arbeit pro Woche, aber es ist absolut mit Familie und Beruf vereinbar», sagt er. Man müsse aber schon Freude daran haben.
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Die Balance zwischen Arbeit, Familie und Honorarkonsulat funktioniere gut: Seine Frau arbeitet als Osteopathin, und die Kinder sind mittlerweile erwachsen. Zuhause spreche seine Familie mehrheitlich Englisch, alle könnten aber auch Berndeutsch. Die Kinder waren im Alter zwischen 10 und 11 Jahren jeweils für drei Monate in der Schweiz und besuchten dort die Schule.
Wie lange will Blaser sein Amt ausüben? «Meine Vorgänger waren beide über 20 Jahre im Amt. Ich werde es so lange machen, wie es mir Spass macht», sagt Blaser. Das Mandat als Honorarkonsul:in muss alle vier Jahre vom EDA bestätigt werden, dies kann bis zur Vollendung des 70. Lebensjahres wiederholt werden.
«Ich mag den direkten Kontakt zu den Leuten», sagt Blaser über seine Tätigkeit als Honorarkonsul. «Man ist eine Verbindung zwischen den offiziellen Kanälen und den Schweizerinnen und Schweizern vor Ort.»
Besonders schätzt er, dass er helfen kann, wenn jemand in einer schwierigen gesundheitlichen Lage sei – etwa mit einem Spitalbesuch. Auch die gute Zusammenarbeit mit der Botschaft in Wellington und der Austausch mit anderen Honorarkonsulinnen und -konsuln seien bereichernd.
Rentensystem und Auslandschweizer:innen – ein Dauerbrenner
In Neuseeland speziell herausfordernd sei, dass das komplizierte Rentensystem immer wieder etwas zu tun gibt. «Viele Auslandschweizerinnen und -schweizer sind froh, wenn sie eine Ansprechperson haben in Bezug auf das Problem mit der neuseeländischen Altersvorsorge und der Schweizer AHV.» Das Thema sorge immer wieder für grosse Verunsicherung.
Deshalb erhalten Schweizer Rentner:innen in Neuseeland weniger Rente:
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Umstrittene Abzüge, Schlupflöcher und Showdown
Für Blaser bedeutet das Amt als Honorarkonsul vor allem eines: Horizonterweiterung. «Man lernt Menschen aus allen Bereichen kennen, kann helfen und gleichzeitig die Verbindung zur Heimat pflegen», sagt er.
Und so mischt der Chemiker, Bierbrauer, Alphornspieler und Honorarkonsul in Auckland Wissenschaft, Genuss und Konsulararbeit zu einer ungewöhnlichen, aber erfüllten Mischung.
Editiert von Balz Rigendinger
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