Das unsichtbare Netz der Schweizer Diplomatie
Die Schweiz hat weltweit 225 Hobby-Diplomatinnen und Diplomaten im Einsatz: Die Honorarkonsul:innen. Wir zeigen, wo sie leben, weshalb es sie braucht und warum es immer mehr von ihnen gibt. Zudem: Wie wird man überhaupt Honorarkonsul:in?
Zwischen Australien und Fidschi liegt Vanuatu – 80 Inseln, über 300’000 Einwohnerinnen und Einwohner und gerade mal 18 registrierte Schweizer Staatsangehörige. Die nächste Schweizer Vertretung liegt 2500 Kilometer von Port Vila, dem Hauptort Vanuatus, entfernt.
Wer als Schweizerin oder Schweizer im südpazifischen Archipel in Not gerät, kann demnächst auf die Hilfe einer Honorarkonsulin oder eines -konsuls zählen. Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) sucht derzeit jemanden, der oder die im Namen der Schweiz spricht, Kontakte pflegt und in Krisen unterstützt – ehrenamtlich und mit Fingerspitzengefühl.
Das Stelleninserat liest sich nüchtern: Gesucht wird eine Person mit enger Beziehung zur Schweiz, die in oder in der Nähe von Port Vila lebt und über ein etabliertes und weitreichendes Netzwerk in Vanuatu verfügt. Zudem sollte sie das Rentenalter von 65 Jahren noch nicht erreicht haben – und gleich auch noch die nötige Infrastruktur zur Verfügung stellen können, um die offiziellen Aufgaben zu erfüllen.
«Honorarkonsulinnen und Honorarkonsuln müssen über einen guten Ruf, ein solides Netzwerk und die notwendigen Ressourcen verfügen, um die Funktion ehrenamtlich auszuüben», schreibt das EDA. Zudem dürften keine Interessenskonflikte bestehen, was etwa für Staatsangestellte des jeweiligen Empfangsstaats zutreffen könne.
Die Zahl der Honorarkonsulate nimmt zu
Das ausgeschriebene Profil steht stellvertretend für die Anforderungen, die ein weltweites, fast unsichtbares aber doch stetig wachsendes Netz an seine Mitglieder stellt. Wie das EDA auf Anfrage mitteilt, wurde das Honorarkonsulat in Vanuatu dieses Jahr neu eröffnet.
Ob in der Südsee, in Westafrika oder in einer europäischen Provinzstadt: Überall vertreten sie die Schweiz – ehrenamtlich, oft allein, und doch mit grosser Wirkung.
Weltweit gibt es derzeit 225 Schweizer Honorarkonsulate in über 100 Ländern – rund 20 Posten mehr als noch vor zehn Jahren. Die Gründe für diese Zunahme sind laut EDA vielfältig: «Immer mehr Schweizerinnen und Schweizer reisen in entsprechende Regionen, was zu einer Zunahme von konsularischen Schutzfällen führt.»
Gleichzeitig gebe es ein erhöhtes wirtschaftliches Interesse der Schweiz an verschiedenen Standorten. Und schliesslich «vertreten Honorarkonsulinnen und Honorarkonsuln die Schweiz dort, wo es keine offizielle Vertretung gibt».
Ob und wo ein Honorarkonsul oder eine Honorarkonsulin gebraucht wird, werde «bedarfsorientiert und auf Antrag der vorgesetzten Vertretung» entschieden, schreibt das EDA auf Anfrage. Sprich, die Schweizer Botschaften oder Generalkonsulate melden Bern, wo sie diplomatische Unterstützung brauchen. Bundesrat Ignazio Cassis als Departementsvorsteher beschliesst dann nach einem internen Konsultationsverfahren über die Eröffnung eines Honorarkonsulats.
Den Grundstein für das Schweizer Honorarkonsulatswesen, das bis heute eine wichtige Rolle in der Vertretung der eidgenössischen Interessen im Ausland spielt, legte Marc Antoine Pellis, der 1798 in Bordeaux als erster Honorarkonsul in der Geschichte der Schweizer Aussenbeziehungen ernannt wurde.
Eine Amtszeit als Honorarkonsul:in dauert vier Jahre und kann – sofern die Voraussetzungen erfüllt sind – mehrfach verlängert werden, jedoch höchstens bis zum Erreichen des 70. Lebensjahres.
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Was tut ein:e Honorarkonsul:in überhaupt?
Wird etwa eine Schweizerin in Bali inhaftiert, kann es gut sein, dass der dortige Honorarkonsul ihr erster Ansprechpartner wird. Weil es vor Ort keine offizielle Schweizer Vertretung gibt, übernehmen Honorarkonsulinnen und -konsuln etwa Besuche im Gefängnis oder besorgen andere Aufgaben der konsularischen Dienstleistungen.
Diese ehrenamtlichen Vertreter:innen der Schweiz stehen den zuständigen Vertretungen weltweit in Notfällen, welche Schweizer Staatsangehörige betreffen, zur Seite. Bei einer Inhaftierung handelt es sich um einen konsularischen Schutzfall.
Auch bei schweren Krisen können die Schweizer Vertretungen auf ihre Honorarkonsulate zählen. Verlorene Pässe können Honorarkonsulinnen und -konsuln jedoch nicht ersetzen. Dafür fehlt ihnen einerseits die nötige Infrastruktur, andererseits die Befugnis. Dies gilt auch für die Visumsausstellung.
In Absprache mit dem zuständigen offiziellen Posten unterstützen sie die Schweizerinnen und Schweizer, die im Gastland ansässig oder auf Reisen sind und die Honorarkonsulinnen und -konsule pflegen aktiv den Kontakt zur Auslandschweizergemeinschaft.
Die Arbeit geht aber über die Hilfe in Notfällen hinaus. So können Honorarkonsulinnen und -konsuln wertvolle Unterstützung leisten, namentlich im Bereich der Interessenwahrung. Denn meistens verfügen sie über ein grosses lokales Netzwerk, und kennen die wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Gegebenheiten der Region. «Sie fördern die Beziehungen zwischen der Schweiz und dem Gastland und tragen dazu bei, die Präsenz der Schweiz vor Ort zu stärken», beschreibt das EDA die Aufgabe.
So wie Max Rosari als Honorarkonsul in Marrakesch. Der 61-Jährige ist seit 3 Jahren für die Schweiz im Dienst.
In unserem Portrait erfahren Sie mehr über ihn und seine Tätigkeit:
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Honorarkonsul:in arbeitet gratis für die Schweiz
Für ihre Arbeit erhalten sie keinen Lohn, aber eine Aufwandsentschädigung von 6500 Schweizer Franken pro Jahr. Somit stellen Honorarkonsulate auch eine kostengünstige Alternative zu Berufskonsulaten dar.
Die Hobbydiplomat:innen erhalten denn auch keinen Diplomat:innenpass und geniessen nur «auf ihre Tätigkeit als Honorarkonsul eingeschränkte Immunität», so das EDA. Eine auf ihre Person bezogene persönliche ImmunitätExterner Link haben sie also nicht.
Der Besitz einer Schweizer Staatsbürgerschaft sei als Amtsinhaber:in nicht zwingend notwendig, schreibt das EDA. Für Dienstreisen können Honorarkonsulinnen und – konsuln einen Dienstpass beantragen, hierfür wiederum ist die Schweizer Staatsbürgerschaft Voraussetzung.
Mit dieser Serie wirft Swissinfo einen Blick auf das weit verzweigte, wenig sichtbare Netzwerk der Schweizer Honorarkonsulinnen und Honorarkonsuln. Wer sind diese Menschen, die im Namen der Schweiz wirken – von Bordeaux bis Brisbane, von Denver bis Durban? Und was treibt sie an, diese stille Rolle zu übernehmen, die im entscheidenden Moment so wichtig werden kann?
Wir stellen Ihnen in den kommenden Wochen einige von ihnen vor.
Editiert von Balz Rigendinger
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