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Warten auf nationales Menschenrechts-Gremium

Menschenrechts-Organisationen wollen eine nationale Menschenrechts-Kommission für die Schweiz. Keystone

Die Schweiz gehörte zu den treibenden Kräften bei der Schaffung einer neuen UNO-Menschenrechts-Organisation; im eigenen Land sieht es anders aus.

Pläne für eine ähnliche Schweizer Stelle kommen nicht vom Fleck. Nichtregierungs-Organisationen fürchten, dass es noch Jahre dauern könnte, bevor sich etwas bewegt.

Das Projekt einer Menschenrechtskommission des Bundes geht auf eine vor fünf Jahren eingereichte parlamentarische Initiative zurück.

Der Nationalrat hiess die Idee im Juni 2003 gut und beauftragte das Aussenministerium mit einer Prüfung der Möglichkeiten.

Doch seither herrscht – abgesehen von einigen kürzlich erfolgten Meldungen aus dem Aussenministerium, die Beratungen seien unterdessen weit fortgeschritten – ziemliche Funkstille.

Eine Minderheit in Europa

Die Suche nach einer politisch allseits akzeptablen Lösung werde die Schaffung einer nationalen Institution mindestens noch 3 Jahre hinauszögern.

“Die Abfassung dieses Berichts dauert unglaublich lange”, meint Daniel Bolomey, Generalsekretär der Schweizer Sektion von Amnesty International, im Gesprach mit swissinfo.

“Wir sind enttäuscht, dass sich das alles derart in die Länge zieht, auch wenn wir die Schwierigkeit des Vorhabens durchaus zu würdigen wissen. Wir brauchen letztlich ein Modell, das von einer Mehrheit des Parlaments unterstützt wird.”

Laut Amnesty International ist die Schweiz eines von wenigen europäischen Ländern ohne nationales Menschenrechts-Gremium.

Das lange Warten

Bolomey, der sagt, er habe sich mit Aussenministerin Micheline Calmy-Rey über die Frage unterhalten, glaubt “aus mehreren Gründen” nicht an schnelle Fortschritte.

Ein allfälliger Vorschlag muss zuerst von der Landesregierung (Bundesrat) gutgeheissen und dann dem Parlament unterbreitet werden. Daher die Prognose von Amnesty für eine weitere Verzögerung um 2 bis 3 Jahre.

Mit der Veröffentlichung ihres eigenen Vorschlags für einen von der Regierung unabhängigen nationalen Menschenrechts-Überwacher im letzten November haben die NGO den Druck auf Bundesrat und Parlament noch erhöht.

Einschätzung von UNO und Europarat

Bereits im vergangenen Juni hatte der Menschenrechts-Beauftragte des Europarates, Alvaro Gil-Robles, der Schweiz in seinem Bericht die Schaffung einer unabhängigen nationalen Menschenrechts-Institution empfohlen.

Das Aussenministerium prüft zurzeit offenbar verschiedene Varianten, so die Schaffung einer eidgenössischen Menschenrechts-Kommission, den Vorschlag der NGO vom letzten November sowie die Idee einer Verstärkung der Synergien zwischen bestehenden eidgenössischen Kommissionen zu Ausländern, Gleichstellung und Rassismus.

Ob Letzteres wirklich den Weg in die Zukunft weisen kann, ist zumindest fraglich.

Bei seinem Besuch im Januar hielt Doudou Diène, UNO-Sonderberichterstatter für Rassismus, fest, den bestehenden Schweizer Gremien fehlten schon heute die nötigen Mittel und Kompetenzen zur wirksamen Bekämpfung von Rassismus, Diskriminierung und Fremdenfeindlichkeit.

Vom Staat finanziert – aber unabhängig

Die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus (EKR) befürwortet hingegen die Schaffung einer weiteren eidgenössischen Kommission – an den Staat gebunden und vom Staat finanziert, aber in ihrer Arbeit unabhängig.

“Wir meinen es liege in der Verantwortung des Staates, die Kultur der Menschenrechte in der Schweiz zu fördern; dies gehört zu seiner rechtlichen Verantwortung und seinen internationalen Verpflichtungen” sagt Böel Sambuc, die Vizepräsidentin der EKR im Gespräch mit swissinfo.

Auch Sambuc beklagt den Umstand, dass der ganze Prozess so lange dauert. Sie ist enttäuscht, dass die gleiche Schweiz, die den neuen UNO-Menschenrechtsrat so tatkräftig unterstützt, im eigenen Land nicht vom Fleck kommt.

Aussenministerium bleibt vage

Laut Carine Carey, Sprecherin des Aussenministeriums, soll dem Bundesrat in Kürze ein Vorschlag zur Schaffung einer Arbeitsgruppe unterbreitet werden, welche die rechtlichen Grundlagen für eine nationale Menschenrechts-Institution prüfen würde.

Auf einen genauen Zeitpunkt für diesen Schritt wollte sie sich allerdings ebenso wenig festlegen, wie auf Hinweise über die zu erwartenden Vorschläge. Sie bestätigte lediglich, dass das Aussenministerium das Projekt der NGO zur Kenntnis genommen habe und als “interessante Option” betrachte.

“Es wird bei der Ausarbeitung eines Projekts für eine nationale Menschenrechts-Institution sicher mitberücksichtigt werden”, meinte sie.

swissinfo, Adam Beaumont in Geneva
(Übertragung aus dem Englischen: Dieter Kuhn)

An der Weltkonferenz über Menschenrechte, die 1933 in Wien stattfand, wurde den Ländern empfohlen, Institutionen zum Schutz und zur Förderung der Menschenrechte zu schaffen. Auch die Schweiz verpflichtete sich damals, Schritte in diese Richtung zu unternehmen.

Verschiedene NGO gründeten im Jahr 2000 eine Arbeitsgruppe, die sich für die längst überfälligen Schaffung einer nationalen Menschenrechts-Institution einsetzt.

Im Dezember 2001 regten die Parlaments-Abgeordneten Vreni Müller Hemmi und Eugen David die Schaffung einer Eidgenössischen Kommission an, welche die Situation der Menschenrechte in der Schweiz verfolgen und die Einhaltung internationaler Normen garantieren würde.

Die Schweiz setzt sich an vorderster Front für die Schaffung eines UNO-Menschenrechtsrats ein.
Das neue Gremium soll die in Genf ansässige Menschenrechts-Kommission ersetzen.
Die Kommission wurde für ausbleibende Sanktionen gegen Menschenrechts-Verletzer weitherum kritisiert.

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