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«Wenn ein Staat es nicht schafft, eine digitale Identität auszustellen, hat er schon abgedankt»

Plakat mit Klaubär
e-id-referendum.ch

Hat prinzipielle Vorbehalte: Sibel Arslan erläutert im Interview warum sie sich gegen das E-ID-Gesetz ausspricht. Und warum eine Rückweisung eine Chance für die Digitalisierung ist. 

Bundesrat und Parlament haben das Bundesgesetz über elektronische Identifizierungsdienste (BGEID) erarbeitet, dass die Identifizierung von Personen im Internet regeln soll. Damit werde die Grundlage für eine einfache, sichere und vom Bund anerkannte elektronische Identität geschaffen, wird im Abstimmungsbüchlein geschrieben.

Am 7. März kommt das Referendum «Nein zum E-ID-Gesetz» an die Urne. Damit bekämpft ein überparteiliches Komitee das neue Gesetz über die elektronische Identität. Dieses sieht vor, dass private Unternehmen den digitalen Ausweis herausgeben können – damit werde eine staatliche Kernaufgabe ausgelagert, so die Gegner.

Die Nationalrätin Sibel ArslanExterner Link (BastA/Grüne) engagiert sich im Referendumskomitee gegen das E-ID-Gesetz. Im Interview erklärt sie, dass ihre Vorbehalte prinzipieller Natur sind und sich um die Frage drehen, für was ein Staat zuständig ist und was die Bürgerinnen und Bürger von ihm erwarten können.

swissinfo.ch: Frau Arslan wollen Sie keine E-ID?

Sibel Arslan: Selbstverständlich möchte ich eine E-ID. Im Zeitalter der Digitalisierung wäre es weltfremd, keine digitale Identität zu wollen. Die Frage ist aber vielmehr: Wer soll der Herausgeber sein? Soll sie von Privaten oder vom Staat zur Verfügung gestellt werden? Wo und wie werden unsere Daten gespeichert und verwendet? Es handelt sich dabei schliesslich um höchst sensible Daten. Letztlich stellt sich auch die Frage: Was ist die Rolle des Staates? Das Verfügen über Identifikationsdaten der Bürgerinnen und Bürger ist eine hoheitliche Aufgabe.

Sibel Arslan
Parlamentsdienste / Alessandro Della Valle

Die Gegner des Referendums monieren, die Schweiz verliere so wertvolle Zeit – dabei sind wir in Sachen E-ID schon ziemlich spät dran. Stört Sie das nicht?

Die Schweiz hinkt im Ländervergleich in Sachen Digitalisierung tatsächlich hinterher – leider nicht nur bei der E-ID. Aber wenn ein Staat nicht einmal die Infrastruktur dafür zur Verfügung stellen kann, dann ist das ja erst recht ein Argument dafür, hier die Kapazitäten auszubauen. Die Geschwindigkeit kann nicht als Argument dienen, um eine mangelhafte Lösung zu akzeptieren. Wir wollen lieber ein gutes vertrauenswürdiges Gesetz ohne Lücken.

Mit der vorliegenden Lösung würde die Dominanz von Silicon Valley gebrochen und zudem die Daten in der Schweiz gespeichert. Ist das nicht in Ihrem Sinne?

Das Gegenteil wäre der Fall. Auch international tätige Unternehmen sollen mit dem neuen Gesetz berechtigt sein, die E-ID auszustellen. Bezüglich Datenschutzes ist das höchst problematisch. Aber auch strukturell: Wir wollen noch weiterreichende Datenschutzbestimmungen, die wir als Schweiz auch international vorantreiben sollten. Solche Bestrebungen würden die Dominanz des Silicon Valley durchbrechen, und nicht das vorliegende Gesetz.

Gehen Sie davon aus, dass der Staat in Sachen Sicherheit und Datenschutz per se besser ist als die Privaten?

Es geht doch in erster Linie um Verantwortlichkeiten, Haftung und Pflichten. Und um die Frage der Datensparsamkeit. Daten, die nicht anfallen, muss man auch nicht vor Missbrauch schützen. Und egal, wie gut man das macht, Datenprobleme gibt es immer wieder.

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Wenn ein Staat es aber nicht einmal schafft, eine digitale Identität auszustellen, hat er schon abgedankt. Letztlich ist es eine Willensfrage – bei der SwissCovid App hat es schliesslich auch funktioniert. Selbstverständlich habe ich nichts dagegen, wenn private Anbieter da mitmachen. Aber als Politikerin, als Juristin und als Bürgerin möchte ich, dass es mindestens die Möglichkeit gibt, eine staatliche Lösung auswählen zu können. Dies bemängeln inzwischen auch der Polizeiverband wegen den Haftungsbestimmungen und die Patientenschützerin wegen der Verknüpfung mit dem elektronischen Patientendossier. Mit dem neuen Gesetz wäre ich verpflichtet, meine elektronische Identität an einem Bankschalter oder in einer Postfiliale zu beziehen.

Aber gewisse Bedenken flossen ja ins Gesetz ein, etwa hinsichtlich der Weitergabe von Daten. Reicht das nicht aus?

Das zeigt doch nur auf, dass das Gesetz von Anfang an mangelhaft war. Wir haben früh in der politischen Diskussion den Vorschlag eingebracht, dass auch staatliche Lösungen zur Verfügung stehen sollten. Dass beispielsweise die E-ID beim Schalter auf der Gemeinde ausgestellt werden kann. Das wollte man aber nicht so im Gesetz drin haben. Erst in der letzten Ausarbeitungsphase des Gesetzes wurde die Idee einer Kommission eingebracht, die das Ganze überwachen soll. Das haben wir natürlich mitgetragen und unterstützt, auch wenn es von der Gegenseite eingebracht wurde, um das ganze Vorhaben vor dem Scheitern zu bewahren.

Mit den Änderungen wurden zwar einzelne Lücken geschlossen. Aber wir haben weiterhin grosse Bedenken in Sachen Sicherheit und Weitergabe von Daten. Denn die Daten werden nicht, wie es jetzt der Kanton Schaffhausen handhabt, dezentral, also bei den Bürgerinnen und Bürgern sein, sondern zentral bei den privaten Unternehmen.

Auch wenn das gerne so dargestellt wird: Mit der E-ID wird man nicht nur Sachen online bestellen. Es wird auch möglich sein, Verträge abzuschliessen, Betreibungsregisterauszüge einzufordern, die Steuererklärung einzureichen etc. Es handelt sich also um das digitale Äquivalent zur physischen Identitätskarte. Und das soll nun rein privat abgewickelt werden? Wir finden, das geht so nicht.

Ist die E-ID nun ein digitaler Pass oder nicht?

Da wird der ganze Widerspruch sichtbar bei den Unterstützern des Gesetzes, die betonen, dass es sich nicht um ein amtliches Dokument handle. Reisen kann man zwar noch nicht damit, aber die Funktion der Identifizierung erfüllt die E-ID trotzdem. Wie will man das den sonst nennen? Übrigens gibt es Bestrebungen, digitale Reisedokumente zu schaffen, die international anerkannt sein sollen. Und ich bin sicher, dass wir irgendwann dort landen werden. Bereits mit dieser Vorlage können biometrische Angaben wie das Gesichtsbild verknüpft werden. Darum ist es umso wichtiger, den Weg korrekt aufzugleisen.

Sind Sie zuversichtlich?

Es geht um sehr viel Geld und darum gehe ich davon aus, dass der Abstimmungskampf sich noch zuspitzen wird. Wichtig ist, dass wir den Stimmberechtigten erklären können, um was es genau geht und dass sie die Wahlfreiheit haben. Dank dem Referendum wurde eine gesellschaftliche Diskussion angestossen. Die Regierung wollte das Projekt am liebsten einfach durchwinken. Mit dem Signal «Zurück an den Absender» können die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger aber sagen, dass wir durchaus eine E-ID wollen und dass auch Private da mitmachen dürfen. Aber wir wollen eben auch, dass eine staatliche Lösung zur Verfügung steht.

André Golliez setzt sich für das E-ID-Gesetz ein. Im Interview verrät er weshalb:

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