So wird die Schweizerische Nationalbank die Zinsen erhöhen
In der Schweiz mehren sich die Stimmen, welche die Geldpolitik der Schweizerischen Nationalbank (SNB) kritisieren. Insbesondere die Minuszinsen – ein Mittel für tiefste Krisen – erscheinen einigen Ökonomen zunehmend widersinnig. Doch eine Zinserhöhung birgt ebenfalls Risiken. Eine ausgefuchste Taktik ist gefragt – und die gibt es.
Die Schweizerische Nationalbank hat 2007 zum letzten Mal die Zinsen erhöht. Und sie wird es wieder tun, voraussichtlich 2020.
Die Frage ist aber nicht wann die Zinsen erhöht werden, sondern wie. Denn die kommende Zinserhöhung wird ungleich komplizierter werden als die von 2007.
Vor der Finanzkrise von 2008/2009 steuerte die SNB die Zinsen mit Rückkaufs-Vereinbarungen, den sogenannten Repurchase Agreements oder kurz Repos. Weil die Banken strukturell über zu wenig Liquidität verfügten, um ihre Vorschriften betreffend Mindestreserven einzuhalten, mussten sie sich regelmässig Geld von der Nationalbank leihen.
Der Preis dafür wurde von der SNB festgelegt. Weil die Nationalbank das Liquiditätsdefizit aufrechterhielt, hatte sie volle Kontrolle darüber, zu welchem Zinssatz sich die Banken untereinander Geld ausliehen.
Heute erfüllen die Banken ihre Mindestreservepflicht um ein Mehrfaches, weil die Nationalbank aus Sorge um den Wechselkurs jahrelang Fremdwährungen kaufte. Repos können deshalb nicht mehr zur Zinssteuerung eingesetzt werden.
Vier Optionen, davon eine realistische
In der Neuen Zürcher ZeitungExterner Link vom 23. Januar 2019 listen die Ökonomen Ernst Baltensperger und Peter Kugler vier Wege für eine geldpolitische Normalisierung in der Schweiz auf. Drei der vier genannten Wege scheinen für die Schweiz jedoch nicht plausibel.
Erstens ist eine Reduktion der Bilanzsumme unwahrscheinlich, weil der Verkauf von Fremdwährungspositionen zu einer Aufwertung des Frankens führt.
Zweitens wäre es überraschend, wenn die SNB begänne, Zinsen auf den Reserven der Geschäftsbanken zu zahlen (interest on reserves, IOR). Zwar wird dieses Instrument zurzeit in den USA eingesetzt, um das Zinsniveau zu kontrollieren. Allerdings hatte die US-Notenbank schon mehrere Jahre Erfahrung mit IOR, bevor sie ihre Zinsen erstmals mit diesem Instrument erhöhte. Die SNB hat keine Erfahrung mit positiven IOR.
Drittens ist eine Erhöhung der Mindestreservevorschrift mit politischen Risiken für die SNB verbunden, wie die NZZ-Autoren selbst feststellen. Eine wirkungsvolle Verschärfung der Mindestreserveregelung wäre überdies nicht in der alleinigen Kompetenz der Nationalbank.
Das wahrscheinlichste Instrument, das die SNB nutzen wird, um die Zinsen dereinst zu erhöhen, sind SNB Bills. Es sind diese Schuldverschreibungen der Nationalbank, also verzinste Wertpapiere.
Vor 10 Jahren ins Spiel gebracht
Warum spricht vieles für diese Lösung? SNB-Bills wurden mehrfach von SNB-Offiziellen als mögliches Instrument zur geldpolitischen Normalisierung ins Spiel gebracht. Mitunter auch vom heutigen SNB-Präsidenten Thomas Jordan. Bereits 2009 sprach er in einem Referat davon, dass «den SNB Bills beim Übergang (…) zu einer regulären Zinssteuerung eine wichtige RolleExterner Link» zukommen werde.
Angesprochen auf die Vor- und Nachteile der verschiedenen Instrumente wird im Umfeld des Direktoriums zudem auffällig häufig auf die Vorteile der SNB Bills hingewiesen. Dazu gehört deren Übertragbarkeit auf Drittparteien, also auch auf Nicht-Banken.
In der Praxis erprobt
Die SNB hat ausserdem bereits praktische Erfahrung mit der Ausgabe von SNB Bills. Zwischen 2008 und 2011 wurden über 120 Milliarden Franken an SNB eigenen Schuldverschreibungen ausgegeben, um die Geldmenge zu kontrollieren.
Seither hat die SNB, gemäss ihren Geschäftsberichten, mehrfach SNB Bills «im Rahmen von Testoperationen» ausgegeben. Vieles deutet also darauf hin, dass die SNB dereinst ihr bereits erprobtes Instrument nutzen wird, um die Zinsen anzuheben.
Von zinslos zu zinstragend
Wie aber funktionieren solche SNB Bills? Im Allgemeinen möchten Banken ihre Überschussliquidität loswerden, weil diese keine oder gar negative Zinsen abwerfen. Weil alle Banken in derselben Situation sind, ist das für diese untereinander aber nicht möglich.
Mit der Ausgabe von SNB Bills stellt die Nationalbank eine attraktive Anlagemöglichkeit zur Verfügung: Zinslose Reserven können gegen zinstragende SNB Bills eingetauscht werden.
Wenn Geschäftsbanken Reserven gegen SNB Bills tauschen, verringert sich die Überschussliquidität im Bankensystem. Diese Verknappung führt an und für sich schon zu einem höheren Geldmarktzins.
Noch wichtiger aber: Weil die Banken ihr Geld zu einem von der SNB gewählten Zinssatz anlegen können, werden sie nicht mehr bereit sein, dasselbe Geld zu weniger als diesem Zins an andere Banken auszuleihen. Die Folge: Das Zinsniveau steigt.
Es gibt noch Herausforderungen
Noch gibt es technische und politische Herausforderungen, die im Zusammenhang mit der kommenden Politiknormalisierung gemeistert werden müssen. Unter anderem muss die SNB der Schweizer Öffentlichkeit erklären, weshalb es notwendig sein wird, Zinsen an die Banken auszuzahlen, um das Zinsniveau anzuheben.
Zudem muss sie verhindern, dass in der Öffentlichkeit die Erwartung entsteht, dass die SNB Bills irgendwann monetarisiert werden. Technische Fragen zum Volumen der SNB Bills und deren Fristigkeit bedürfen ebenfalls der Klärung.
Die Frage, wie die Nationalbank die Zinsen dereinst anheben wird, ist aber mit grosser Wahrscheinlichkeit bereits beantwortet.
*Autor Fabio CanetgExterner Link ist Makroökonom an der Universität Bern. Mit Unterstützung von Daniel Kaufmann.
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