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Eidgenössische Abstimmungen vom 25. September 2022

Schweizer Tierschutz-Organisationen wollen Aus für Massentierhaltung

Schweine
Auslauf für alle Schweine - das wollen die Initiant:innen. Keystone / Melanie Duchene

Die Schweiz stimmt am 25. September über ein Verbot der Massentierhaltung ab. Ein heikles Thema in einem Land, wo die Landwirtschaft so wichtig ist, und bereits strenge Tierschutzgesetze gelten. Wir stellen die Volksinitiative vor.

Worum geht es?

Tierschutzorganisationen fordern ein Verbot der Massentierhaltung. Bundesrat und Parlament finden, dass das geltende Recht Nutztiere ausreichend schützt, und fordern das Stimmvolk auf, die Vorlage am 25. September abzulehnen.

Was genau fordert die Initiative?

Die InitiativeExterner Link will den Schutz der Würde von Nutztieren und das Verbot der Massentierhaltung in der Verfassung verankern. Sie sieht vor, dass innert 25 Jahren die Nutztierhaltung mindestens den Bio Suisse-Richtlinien von 2018 entsprechen muss. Diese Standards würden auch für die Einfuhr von Tieren und tierischen Produkten gelten.

Wer hat die Initiative lanciert?

Der Text wurde von TierschutzorganisationenExterner Link eingereicht. Darunter sind die Fondation Franz Weber und Sentience Politics, einem Zusammenschluss von Tierrechts-Aktivist:innen. Sentience Politics hatte im Kanton Basel-Stadt mit einer Initiative die Anerkennung der Grundrechte von Primaten gefordert. Im Februar lehnten 74% der Abstimmenden diese Forderung ab.

Die Organisation hat auch in mehreren Städten Vorstösse zur Förderung von veganem Essen eingebracht. Die aktuelle Initiative gegen Massentierhaltung wird auch von Greenpeace, Bio Suisse, der Kleinbauern-Vereinigung, dem Schweizer Tierschutz STS, Pro Natura und den Grünen unterstützt.

Ist die Massentierhaltung in der Schweiz weit verbreitet?

Die Initiative definiert Massentierhaltung als industrielle Tierhaltung “zur möglichst effizienten Gewinnung tierischer Erzeugnisse, bei der das Tierwohl systematisch verletzt wird”. Nach Angaben des Bundesrates ist die so definierte Intensivtierhaltung bereits durch die geltende Gesetzgebung verboten. Das Tierschutzgesetz Externer Linksieht vor, dass jede Person, die mit Tieren umgeht, deren Bedürfnisse bestmöglich berücksichtigt, für ihr Wohlergehen sorgen muss und ihre Würde nicht verletzen darf.

1996 wurde die Haltung von Hühnern in Legebatterien verboten, und die geltenden Gesetze sehen Mindestgrössen für die Unterbringung von Haustieren, aber auch von Rindern, Schweinen und Geflügel vor. Die Verordnung über Höchstbestände in der Fleisch- und EierproduktionExterner Link legt von Tierart zu Tierart angepasste Limiten fest. So dürfen Betriebe beispielsweise nicht mehr als 1500 Mastschweine, 27’000 Masthähnchen und 300 Kälber halten.

Das Initiativkomitee ist jedoch der Ansicht, dass diese Maximalbestände zu hoch sind und dass es sich um Intensivtierhaltung handelt. Mit der Ausweitung der Bio Suisse-Richtlinien auf die ganze Landwirtschaft wollen sie erreichen, dass Nutztiere in kleineren Gruppen leben, mehr Platz haben und garantierten Zugang ins Freie erhalten. Sie fordern, Tiere als fühlende Wesen und nicht als Ware zu betrachten.

Die Initiant:innen weisen auch auf die negativen Auswirkungen der Massentierhaltung auf die Umwelt und den Menschen hin: erhöhte Antibiotikaresistenzen, steigendes Risiko für Pandemien und massive Treibhausgasemissionen.

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Wie steht die Schweiz im internationalen Vergleich da?

In der Schweiz sind die meisten kleinen Familienhöfe grossen, spezialisierten Betrieben gewichen. Die Zahl der Bauernhöfe mit Viehhaltung hat sich in den letzten 30 Jahren halbiert, während die durchschnittliche Zahl der Tiere pro Betrieb stark gestiegen ist.

Dieser Strukturwandel vollzieht sich gemäss AgroscopeExterner Link aber langsamer als in Nachbarländern, wo die Betriebe viel grösser sind und schneller wachsen. Die Anzahl der Milchkühe, Rinder und Schweine pro Betrieb ist in Deutschland, Frankreich und Italien ebenfalls höher. In Österreich ist sie hingegen niedriger.

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Die Schweizer Tierschutzgesetzgebung ist streng und gilt auch für Nutztiere. Sie geht viel weiter als EU-Gesetze, da sie nicht Bau und die Platzverhältnisse reglementiert, sondern auch Fütterung, Transportbedingungen und die Ausbildung der Halter:innen.

In den 1990er-Jahren hat die Schweiz darüber hinaus mehrere Programme zur Förderung des Tierschutzes lanciert. Der Bund gewährt Betrieben, die über besonders tierfreundliche Haltungssysteme verfügen oder regelmässigen Auslauf ins Freie gewährleisten, höhere Direktzahlungen. Fast alle Legehennen-Betriebe sowie die meisten Rinder- und Schweinebetriebe nehmen an diesen Programmen teil.

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Wer ist gegen die Initiative?

Der Bundesrat und eine Mehrheit des Parlaments fordern das Volk auf, die Initiative abzulehnen. Auch die Mitte- und Rechtsparteien wollen keine neuen Auflagen für die Tierhaltung. Die Initiative wird zudem von Wirtschaftskreisen und Bauernverbänden bekämpft.

Für die Gegner:innenExterner Link hat das Tierwohl in der Schweiz schon heute einen hohen Stellenwert und die Tierbestände seien bereits begrenzt. Sie befürchten, viele Betriebe würden ihre Infrastruktur nicht erweitern können und auch sonst in Schwierigkeiten geraten, wenn die Initiative angenommen wird.

Sie warnen auch vor einem Anstieg der Produktionskosten, die auf die Verbraucher:innen abgewälzt werden. Der Import von Fleisch und Eiern könnte steigen, was auch den Einkaufstourismus fördern würde. Weiter sind sie der Ansicht, dass die Anwendung von inländischen Standards auf importierte Produkte gegen Vereinbarungen mit der Welthandelsorganisation WTO verstossen würde.

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