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Planted: “Unsere Hauptkonkurrenz ist die Fleischindustrie”

Judith Wemmer auf einer Treppe am Hauptsitz in Kempthal.
Judith Wemmer, Mitglied des Exekutivausschusses von Planted. Jeff Zuerich Gmbh

Obwohl seine pflanzlichen Fleischalternativen noch ein Nischenprodukt sind, strebt das Zürcher Start-up Planted ein starkes internationales Wachstum an. Das Unternehmen arbeitet daran, die Preise zu senken, um die breite Öffentlichkeit zu erobern.

Mit seinem “pflanzlichen Fleisch” ist Planted auf dem Vormarsch. Im September schaffte es das Zürcher Start-up zum dritten Mal in Folge auf das Siegertreppchen des TOP100 Swiss Startup AwardsExterner Link, mit dem die vielversprechendsten Schweizer Start-ups ausgezeichnet werden.

Das Unternehmen kündigte im September 2022 eine Finanzierungsrunde von 70 Millionen Franken an, zusätzlich zu einer ersten Finanzierungsrunde von 35 Millionen Franken, die 2021 durchgeführt wurde. Vier Jahre nach seiner Gründung beschäftigt Planted über 200 Mitarbeitende und vermarktet seine Produkte in ganz Europa.

Der Markt für pflanzliche Fleischersatzprodukte wächst rasant, da immer mehr Menschen angeben, ihren Konsum von Fleischprodukten vor dem Hintergrund der Klimakrise und der zunehmenden Berücksichtigung des Tierschutzes zu reduzieren oder aufzugeben.

Sowohl in der Schweiz Externer Linkals auch in anderen Teilen EuropasExterner Link zeigen Umfragen einen starken Anstieg der Nachfrage nach diesen Produkten.

Planted hat keinen CEO, sondern wird von einem vierköpfigen Exekutivkomitee geleitet, zu dem auch Judith Wemmer gehört. SWI swissinfo.ch traf sie am Firmensitz im Industriegebiet von Kemptthal, im Zürcher Umland.

SWI swissinfo.ch: Derzeit machen pflanzliche Alternativprodukte nur 1 bis 2% des Lebensmittelmarktes aus. Welche Entwicklung erwarten Sie für diesen Sektor?

Judith Wemmer: Derzeit sind es vor allem Early Adopters, die unsere Produkte konsumieren, ähnlich wie die ersten Kunden von Tesla vor etwa 15 Jahren.

Diese Pionierkundschaft schätzt die innovativen Produkte, obwohl die Preise noch hoch sind und die Qualität noch verbessert werden kann.

Später wird eine Phase starken Wachstums folgen. Zunächst müssen wir jedoch die Qualität unserer Produkte weiter verbessern, z. B. durch die Weiterentwicklung der Fermentationsprozesse.

Darüber hinaus ist es wichtig, dass wir unser Sortiment erweitern und unsere Preise senken, insbesondere durch Skaleneffekte in der Produktion.

Eine Frau und zwei Männer mit Hygiene-Masken und Hauben an einem Fliessband mit Planted-Produkten
Einblick in die Herstellung von Planted-Produkten am Hauptsitz in Kemptthal in der Nähe von Winterthur. © Keystone / Gaetan Bally

Viele pflanzliche Fleischalternativen sind ultraverarbeitete Produkte, die mit einem erhöhten Risiko für Krankheiten, insbesondere Krebs, in Verbindung gebracht werden. Vermeidet Planted diese Gefahr?

Unser Produktionsprozess ist ähnlich wie bei der Herstellung von Brot oder Nudeln: Wir folgen sorgfältig einer Reihe von Schritten, um unser pflanzliches Fleisch herzustellen. Alle unsere Zutaten sind natürlich und frei von Zusatzstoffen. 

Unser Körper braucht keine speziellen Nahrungsmittel, aber er muss bestimmte Nährstoffe aufnehmen. Wir stellen sicher, dass unsere Produkte reich an Proteinen, Ballaststoffen und Mikronährstoffen sind und gleichzeitig wenig gesättigte Fettsäuren und Zucker enthalten. 

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Unser Produktionsprozess führt also nicht zu den typischen ungesunden und kalorienreichen Produkten, die mit dem Begriff “ultraverarbeitet” assoziiert werden. Unsere Lebensmittel sind so konzipiert, dass sie sich nahtlos in eine gesunde und nachhaltige Ernährung einfügen.

Ernährungswissenschaftler:innen betonen, dass pflanzliches Eiweiss nicht genau gleichwertig mit tierischem Eiweiss istExterner Link. Optimiert Planted den Nährstoffgehalt seiner Produkte?

Unser wichtigstes Ziel ist es, die ernährungsphysiologische Integrität unseres Produkts in jeder Phase des Produktionsprozesses zu bewahren. Aus diesem Grund verwenden wir keine Zusatzstoffe und wichtige Mineralien wie beispielsweie Eisen sind in unseren Produkten völlig natürlich enthalten. 

Unabhängig von ihrer Quelle haben alle Proteine die gleichen Bausteine, die als Aminosäuren bezeichnet werden. Planted liefert alle essentiellen Aminosäuren. Hülsenfrüchte wie Erbsen sind in der Regel reich an Aminosäuren wie Lysin, Leucin und Phenylalanin, aber eher arm an Methionin und Cystein. 

Die beste Verfügbarkeit von pflanzlichem Eiweiss wird durch die Kombination von Hülsenfrüchten, Samen und Getreide erreicht. Ideal ist es daher, unsere Produkte mit Reis, Nudeln, Brot usw. zu kombinieren.

Sie betonen Ihre Bemühungen, den Geschmack und die Textur Ihrer Produkte zu verbessern. Wie sieht es mit dem Aussehen aus?

Auch die Optik unserer Produkte und ihrer Verpackungen ist von erheblicher Bedeutung, da unsere Kund:innen ihre Kaufentscheidungen unter anderem auf dieser Grundlage treffen.

Planted ist in der Deutschschweiz bekannt, in der Romandie jedoch viel weniger. Wie erklären Sie sich das?

Zurzeit sind unsere Produkte speziell auf die Geschmacksvorlieben der Deutschschweizer:innen abgestimmt. Allerdings etablieren wir uns langsam auch in der Westschweiz.

Beispielsweise haben wir vor kurzem mit dem Chefkoch Damien Germanier aus Sion, der einen Michelin-Stern besitzt, ein Hühnerfilet auf den Markt gebracht. Dieser Koch nimmt unser Huhn in seine Auswahl an Gerichten auf.

Warum konzentrieren Sie sich nicht auf technologische Entwicklungen, die Sie an andere Unternehmen wie z. B. Nestlé verkaufen könnten?

Wir haben uns für einen integralen Ansatz entschieden, weil wir der Meinung sind, dass es in einer neuen Nische wie der unseren von Vorteil ist, nicht nur Forschung und Entwicklung zu betreiben, sondern unsere Produkte auch selbst herzustellen und zu vermarkten.

Durch diese starke Integration können wir schneller innovieren, die Qualität besser kontrollieren und letztendlich profitabler sein.

Natürlich erfordert ein solcher Ansatz mehr Finanzmittel, insbesondere um ein Vertriebsnetz aufzubauen und eine starke Marke auf internationaler Ebene zu entwickeln.

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Welche Vertriebskanäle haben Sie?

Derzeit verkaufen wir über das Internet in ganz Europa. Darüber hinaus werden unsere Lebensmittel in acht europäischen Ländern über Restaurants und Einzelhändler (u. a. Migros und Coop in der Schweiz sowie Tesco in Grossbritannien) vertrieben.

Wir haben mehrere Partnerschaften abgeschlossen. Ein Beispiel ist unsere Vereinbarung mit Fleury Michon, einem französischen Unternehmen, das sich auf Wurstwaren spezialisiert hat, mit dem wir drei Sorten pflanzliches Geschnetzeltes vermarkten.

Um unsere internationale Entwicklung zu unterstützen, haben wir Verkaufsbüros in Frankreich, Deutschland, Österreich, Grossbritannien und Italien.

Fleischersatzprodukte in halbtransparenter Verpackung.
Planted-Produkte, fotografiert im Restaurant des Unternehmens. © Keystone / Gaetan Bally

Sind Sie bereits profitabel?

Wir sind noch nicht profitabel. Wir könnten es sein, ziehen es aber vor, weiter zu wachsen und zu investieren, insbesondere in die Forschung und in Produktionsanlagen.

Wer sind Ihre Hauptkonkurrenten?

Das sind vor allem die Fleischproduzenten. Es gibt auch andere Start-ups aus dem In- und Ausland, die in unserem Bereich tätig sind, aber die meisten von ihnen konzentrieren sich auf die Vermarktung und den Vertrieb von Produkten, die sie von externen Herstellern kaufen.

Weltweit tätige Unternehmen wie Nestlé oder Unilever interessieren sich ebenfalls für pflanzliche Alternativen.

Wie auch immer, der Lebensmittelmarkt ist riesig und es wird zwangsläufig Platz für eine Vielzahl von Akteur:innen geben.

Oatly, der schwedische Marktführer für pflanzliche Alternativen zu Milchprodukten, hat mit mehreren Schwierigkeiten zu kämpfen – globales Wachstum, hohe Kosten, Produktionsprobleme. Wie wollen Sie eine vergleichbares Szenario vermeiden?

Wir konzentrieren uns auf unsere Produkte, unsere Innovationen und den Aufbau eines soliden Schweizer Unternehmens und nicht darauf, wie andere Unternehmen von der Presse und von Analyst:innen bewertet werden.

Auf jeden Fall bestärkt uns unser sehr starkes Wachstum in der Schweiz und im Ausland darin, unseren eigenen Weg mit Überzeugung zu gehen.

Die Produktion eines pflanzlichen Proteins verursacht 40-mal weniger CO2 als die Produktion eines tierischen Proteins. Werden Sie für Ihren Beitrag zum Klimaschutz belohnt?

Absolut nicht, obwohl ein Unternehmen wie Tesla durch den Verkauf von “Emissionsgutschriften” an traditionelle Autohersteller erhebliche Gewinne erwirtschaftet.

In den politischen Arenen wirkt eine mächtige Fleischlobby. Ausserdem müssten wir die ernährungsphysiologische Gleichwertigkeit unserer Produkte im Vergleich zu Fleischprodukten mit nachweisen.

Letztendlich geht der Trend derzeit dahin, dass der Staat nicht eingreift, um die Ernährungsentscheidungen der Bevölkerung zu lenken.

Ihr gesamtes Unternehmen ist derzeit in Kemptthal angesiedelt. Was sind die Vor- und Nachteile dieses Standorts?

Als Teil der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETHZ) haben wir enorm von unserer Nähe zur ETHZ profitiert, insbesondere in der Zusammenarbeit bei Forschungsprojekten.

Wir haben auch eine Vielzahl von Talenten rekrutiert, sowohl von der ETH Zürich als auch von der Universität St. Gallen oder anderen Schulen in der Region.

Zudem ist Zürich ein beliebter Kanton für qualifiziertes Personal, und da wir in Kemptthal ansässig sind, haben unsere Mitarbeitenden die Wahl, ob sie auf dem Land oder in der Stadt Zürich leben möchten.

Aber die Kosten sind in der Schweiz natürlich hoch. Zudem würden wir, wenn wir in den Kantonen Freiburg oder Waadt ansässig wären, wahrscheinlich mehr Unterstützung erhalten, da die Lebensmittelbranche für diese beiden Kantone von strategischer Bedeutung ist.

Planen Sie, im Ausland zu produzieren, um Kosten zu sparen und die Logistik zu erleichtern?

Langfristig werden wir sicherlich auch im Ausland produzieren. Wir sind derzeit auf der Suche nach einem potenziellen Standort in Europa.

Natürlich werden wir immer einen Teil unserer Produktion in Kemptthal behalten, um die Zusammenarbeit mit unseren Forschungs- und Entwicklungsteams zu optimieren.

Zur Person

Judith Wemmer stammt aus Deutschland und hat ihre akademische Ausbildung an der ETH in Zürich absolviert. Unter anderem promovierte sie 2019 im Bereich Lebensmittelverfahrenstechnik. An gleicher Stelle war sie auch als Assistentin, Postdoc-Forscherin und Dozentin tätig.

Im Februar 2020 trat Judith Wemmer dem Team von Planted Foods bei und wurde im August desselben Jahres eines der vier Mitglieder des Exekutivkomitees, das für Produktentwicklung, Produktion, regulatorische Aspekte und geistiges Eigentum zuständig ist.

Judith Wemmer ist ausserdem Präsidentin der Swiss Protein Association.

Planted wird nicht von einem oder einer CEO, sondern von einem Exekutivausschuss geleitet. Kann das effizient sein?

In Wirklichkeit kann Planted auf etwa 50 Führungskräfte zurückgreifen. Darüber hinaus hat jeder von uns im Exekutivausschuss klar definierte Verantwortlichkeiten und wir ergänzen uns perfekt.

Diese flache Organisation ermöglicht eine hohe Agilität, da wir nicht auf die Zustimmung eines CEO oder einer CEO warten müssen. Selbstverständlich fordern wir uns regelmässig gegenseitig heraus.

Planted beschäftigt über 200 Mitarbeiter, 51% davon sind Frauen. Sind sie besonders an nachhaltiger Ernährung interessiert?

Ich denke, Frauen fühlen sich von unserer Vision angezogen, leckere Fleischersatzprodukte aus pflanzlichen Proteinen herzustellen. Sie mögen auch unsere flachen Hierarchien, die gemeinsame Ergebnisse über Egos stellen.

Während meiner Doktorarbeit über Lebensmittelverfahrenstechnik waren 70% meiner Kommiliton:innen weiblich.

Editiert von Pauline Turuban. Übertragung aus dem Französischen: Marc Leutenegger.

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Debatte
Gastgeber/Gastgeberin Sara Ibrahim

Wie haben sich Ihre Essgewohnheiten verändert?

Immer mehr Menschen entscheiden sich für eine vegetarische oder vegane Ernährung oder reduzieren ihren Konsum von Lebensmitteln tierischen Ursprungs. Wie sieht das bei Ihnen aus?

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