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Von wegen uninteressierte Junge: Jungparteien sind im Aufwind

Klimaktivistin mit erhobener Faust auf dem Bundesplatz.
Eine Klimaaktivistin protestiert im September 2020 auf dem Bundesplatz. Die Klimabewegung sorgt bei den grünen Jungparteien schon länger für Mitgliederzuwachs. Keystone / Peter Klaunzer

Klimawandel und Pandemie mobilisieren. Immer mehr Jugendliche in der Schweiz finden Interesse an der Politik und treten einer Jugendpartei bei. Doch nicht alle profitieren gleich.

Das Interesse der Jugendlichen an der Politik ist in der Schweiz auf einem Rekordhoch. Das zeigte bereits der easyvote-Politikmonitor von gfs.bern, der im Mai publizierte wurde: Erstmals in der Studienreihe gab eine Mehrheit der 15 bis 26-Jährigen an, sich zumindest teilweise politisch zu engagieren. Eine aktuelle Umfrage bestätigt nun diesen Trend.

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“Das Interesse der Jungen an der Politik war immer hoch. Die Schwierigkeit ist es, das in institutionelle Bahnen zu lenken”, sagt die Politologin Martina Mousson vom Forschungsinstitut gfs.bern. Sprich: Die Jugendlichen gehen vielleicht für globale Themen wie das Klima oder gegen Rassismus auf die Strasse. Wählen, abstimmen oder Parteiarbeit stehen auf der Prioritätenliste dagegen weit unten.

Das scheint sich nun etwas zu ändern: Seit Anfang der Pandemie verzeichnen die Schweizer Jungparteien ein starkes Wachstum an Mitgliedern, wie eine aktuelle Umfrage von SRF zeigt.

Alle grösseren Parteien in der Schweiz haben ihre eigenen Jungparteien, die helfen sollen, junge Wählerinnen und Wähler anzusprechen und für die Politik zu motivieren. “In der Schweiz haben Jungparteien viel Spielraum”, so Mousson. “In den letzten Jahren haben sie sich recht emanzipiert von ihren Mutterparteien, und überraschen mit eigenen Positionen, Parolen und Initiativen.”

Durch provokative Aktionen und prominente Parteimitglieder geraten die Jungparteien immer wieder ins Scheinwerferlicht der Medien. “Jungparteien sind mittlerweile ein relevanter Player in der Schweizer Politik”, sagt Mousson.

Vor allem die Linken profitieren

Von links bis rechts fanden junge Menschen also im letzten Jahr Interesse an der Politik, doch welche Jungpartei konnte in dieser aussergewöhnlichen Zeit die Jungen am meisten mobilisieren?

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Die Jungsozialist:innen (Juso), die Jungpartei der Sozialdemokratsichen Partei (SP), verzeichnen rund doppelt so viele neue Mitglieder wie in den Vorjahren. In Zahlen bedeutet dies: 1889 Neueintritte seit Anfang 2020 und 4500 Mitglieder total.

Die Jungen Grünen weisen mit 1237 neuen und 4432 Mitgliedern insgesamt ein ähnlich hohes Wachstum auf. Mit der Klimadebatte verzeichneten die grünen Jungparteien schon vor Corona einen Aufschwung, doch auch die Pandemie hatte einen Effekt.

Julia Küng, Co-Präsidentin der Jungen Grünen, stellt fest “dass mit der Pandemie politische Entscheide viel klarer in unserem Alltag sind, dass der Effekt von Entscheiden auf unser Leben deutlicher ist, und dass das vielleicht auch Lust macht, mitzugestalten, was wir für eine Zukunft haben wollen.”

Ähnlich sieht es bei den Jungen Grünliberalen aus. Seit Beginn der Pandemie verzeichneten sie nicht rekordhohe Neueintritte, doch laut Tobias Vögeli, Co-Präsident der Jungen Grünliberalen, habe diese wahrscheinlich einen Einfluss auf ihr Wachstum gehabt. Ihm fällt auf, “dass die Massnahmen viele früher unpolitische Menschen – insbesondere auch Junge, weil lang vergessen und stark betroffen – politisiert haben”. Seit Anfang 2020 hatte die Junge GLP 1425 Neueintritte, somit kommen sie auf insgesamt 3022 Mitglieder.

So berichtete das Schweizer Fernsehen in der Tagesschau über dieses Thema:

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Auch die mitgliederstärkste Jungpartei ist gewachsen. Mit rund 1000 Neueintritten kommt die Junge SVP auf 7200 Mitglieder. Der Corona-Effekt sei deutlich: “Die Junge SVP hat sich von Beginn weg gegen einschränkende Massnahmen ausgesprochen, das bewegt die Jungen tatsächlich dazu, sich in Scharen bei uns anzumelden”, erklärt David Trachsel, Präsident der Jungen SVP.

Am wenigsten profitiert haben die Junge Mitte und die Jungfreisinnigen. Seit Anfang 2020 hat die Junge Mitte 800 neue und insgesamt 3200 Mitglieder. Doch auch dieses Wachstum sei klar überdurchschnittlich, sagen die Verantwortlichen, was laut ihnen auch an der Corona-Krise liegen könnte.

Einzig die Jungfreisinnigen (Jungpartei der FDP) können keinen Corona-Effekt ausmachen. Sie kommen nur auf 450 neue Parteieintritte seit Anfang 2020, somit auf 4450 Mitglieder insgesamt. Matthias Müller, Präsident der Jungfreisinnigen, wertet dies jedoch als sehr positiv: “Unsere Politik beziehungsweise unsere Werte und Lösungsvorschläge scheinen unabhängig von der aktuellen Lage ihre Gültigkeit und Berechtigung zu haben. Ein nachhaltiges Wachstum ist somit garantiert.”

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