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Der Faktor Vertrauen: Was ist seine Bedeutung für die Schweiz

Wie Vertrauenspersonen um Vertrauen ringen

Ärztin bei der Arbeit
Keystone / Alessandro Della Valle

Auch Autoritätspersonen wie Ärzt:innen und Richter:innen müssen heute aktiv um Vertrauen kämpfen. Wie geht man mit dem Vertrauensverlust um, wie gewinnt man Vertrauen zurück? Hier teilen sie ihre Empfehlungen.

Vertrauen ist ein kostbares und, so scheint es, schwindendes Gut.

Vertrauen: Seine Bedeutung ist für einen Politiker etwas anderes als für eine Pfarrerin, für eine Richterin als für einen Arzt. Die einen müssen vermitteln – zwischen Eltern und der Schule, zwischen dem Göttlichen und der Welt. Bei Anderen geht es um handfestes Wissen, das eine Abhängigkeit schafft.

Also wie gehen diese Berufsgruppen mit der Vertrauenskrise um?

Für die Ausstellung “FAKE. Die ganze Wahrheit” (2018 bis 2020) hat das Stapferhaus Lenzburg gut 250 Personen aus Medizin, Politik und Justiz zum Vertrauen. Die Befragung erfolgte anonym, was die Antworten umso ehrlicher gemacht hat.

Wir konnten alle Antworten sichten. Hier präsentieren wir eine Auswahl* der nützlichsten und kuriosesten Tipps, wie die Befragten in ihrem Berufsfeld Vertrauen herstellen, wenn es mal schwierig wird.

Die Politiker:innen

Von allen OECD-Ländern geniesst die Schweizer Landesregierung das höchste Vertrauen: 85% der Menschen in der Schweiz haben gemäss einer OECD-UntersuchungExterner Link 2020 der Regierung vertraut.

Die Vertrauensstudie 2022Externer Link des Vergleichsportals Moneyland.ch stellte hingegen fest, dass 29% der Schweizer Bevölkerung den Bundesrät:innen misstrauten. Schweizer Politiker:innen unterhalb der Regierungsstufe kommen in der Vertrauensstudie 2022 deutlich schlechter weg: 46% haben “wenig oder kein Vertrauen” in Politiker:innen.

Die vom Stapferhaus befragten Politiker:innen schätzten das in sie gelegte Vertrauen sehr unterschiedlich ein. Die Einschätzungen gehen in dieser Frage unter Schweizer Politiker:innen ebensoweit auseinander wie bei jedem anderen Thema.

Richter:innen und Anwält:innen

Die Jurist:innen, die meisten darunter Richter:innen, schätzen das Vertrauen in die Institution Justiz fast alle als hoch ein. Einige Vertrauensdellen können sie sich mit Logik erklären, so antwortete jemand: “Leute, die Recht bekommen, haben mehr Vertrauen als solche, die nicht Recht bekommen.” 

In der Schweizer Bevölkerung geniessen Richter:innen tatsächlich ein breites Vertrauen: 42% haben gemäss Vertrauensstudie 2022 grosses bis sehr grosses Vertrauen in die Justiz. Dazu kommen 37%, die ein mittleres Vertrauen angeben. Die Justiz geniesst also das Vertrauen von 79% der Bevölkerung in der Schweiz.

Die Lehrer:innen

Humor, Humor und nochmals Humor: Erstaunlich viele Lehrer:innen erzählten gegenüber dem Stapferhaus Lenzburg, dass ihnen Komik und Selbstironie als Instrument zur Vertrauensbildung dienen. Das in ihre Arbeit gelegte Vertrauen schätzen die befragten Lehrer:innen als generell gross ein. 

Laut Vertrauensstudie 2022 haben nur 16% der Bevölkerung kein Vertrauen in Lehrpersonen. Damit liegen sie vor den Richter:innen und nur hinter den Ärzt:innen.

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Die Ärzt:innen

Die medizinischen Berufe landen auf den vordersten Plätzen der Vertrauensstudie 2022: Nur 10% der Schweizer Bevölkerung hat demnach wenig oder gar kein Vertrauen in Ärzt:innen. 64% legen grosses bis sehr grosses Vertrauen in die Mediziner:innen. 

Das deckt sich mit dem Selbstbild: Die meisten vom Stapferhaus Lenzburg befragten Ärzt:innen schätzen das in sie gelegte Vertrauen als “sehr hoch” ein. Selbst, wenn manche über besserwisserische Patient:innen klagen, die mit “Googlediagnosen” kommen. 

Spannenderweise sehen auch einige Mediziner:innen zu hohes Vertrauen als problematisch. Eine Person meint “Patient:innen sollten teilweise mehr Hinterfragen” und “weniger blindes Vertrauen haben”.

Die Ärzt:innen sind die einzigen, die gegenüber dem Stapferhaus Lenzburg vor der Pandemie zu viel Vertrauen als Problem nannten.

Die Pfarrer:innen

Die christlichen Geistlichen und Kirchenangestellten schätzen das in sie gelegte Vertrauen in der Stapferhaus-Befragung als tendenziell tief ein. Manche erleben noch “von sehr vielen Menschen” ein “nahezu ungebrochenes Vertrauen in die Kirche”. Viele sehen einen “unheimlichen Schaden” wegen “Machtspielen” und “unstatthaftem Verhalten wie sexuelle Übergriffe”. 

Stabiles Land, stabiles Geld, stabile Lebensentwürfe: Im internationalen Vergleich läuft vieles rund in der Schweiz.

SWI swissinfo.ch befasst sich in dieser Serie mit dem Vertrauen in Institutionen, dieser Grundlage für funktionierende Demokratien.

Wir gehen der Frage nach, wo die historischen Ursachen dafür liegen, dass für einige in der Schweiz Langeweile das grösste Problem ist, wie es um das Vertrauen in der Gegenwart bestellt ist – und welche Stolpersteine auf die Schweiz zukommen.

Gemäss Vertrauensstudie 2022 haben 45% der Menschen in der Schweiz kein oder wenig Vertrauen in Pfarrer:innen. Immerhin 22% vertrauen ihnen sehr.

Die Wirtschaftskader

“Ach, was heisst schon Vertrauen. Muss man einem Wirtschaftskonzern vertrauen?”, antwortete eine Wirtschaftsführungsperson dem Stapferhaus Lenzburg offen.

Die Vertrauensstudie 2022 weist darauf hin, dass es die Schweizer Bevölkerung ähnlich sehen könnte: 46% haben gegenüber Unternehmer:innen ein mittleres Vertrauen. Das ist von allen Berufsgruppen der höchste Wert. Ein Viertel hat wenig oder kein Vertrauen, 26% vertrauen Unternehmer:innen stark. 

Die Journalist:innen

38% der Menschen in der Schweiz haben gemäss der Vertrauensstudie 2022 wenig oder kein Vertrauen in Journalist:innen. Ebensoviele geben ein mittleres und 22% ein grosses bis sehr grosses Vertrauen an. 

Auch in der Befragung des Stapferhaus Lenzburg schätzten manche Journalist:innen das Vertrauen in ihre Arbeit als “miserabel” ein. Einige finden aber auch, es sei “besser, als die teils laut geführten Diskussionen vermuten lassen”. Die Mehrheit erlebt das Vertrauen aber zumindest als schwindend. Andere sehen eine positive Entwicklung in einer kritischeren Öffentlichkeit: “Ich spüre eine wachsende Neugier daran, wie Journalisten arbeiten.”

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* Im Sinne der Lesbarkeit wurden manche Zitate gekürzt und leicht redigiert.

Editiert von Marc Leutenegger.

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