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Erneute Abfuhr für Regierung und Parlament

Sämtliche Kantone haben die drei Vorlagen wuchtig abgelehnt. Keystone

Die Schweizerinnen und Schweizer haben alle drei eidgenössischen Vorlagen wuchtig abgelehnt.

Der Bundesrat musste damit zum zweiten Mal in diesem Jahr eine flächendeckende Niederlage einstecken.

Nach Auszählung der Resultate aus allen Kantonen ist klar: Das Volk hat am Wochenende die drei eidgenössischen Vorlagen wuchtig abgelehnt. Sämtliche Kantone sagten deutlich Nein zu allen Vorlagen.

Der Nein Stimmen-Anteil liegt bei allen Vorlagen knapp unter 70%. Am deutlichsten ist das Nein mit 68,6 bei der Mehrwertsteuer ausgefallen.

Die 11. AHV-Revision lehnten die Stimmenden mit 67,9% Nein Stimmen ab. Das Steuerpaket lehnten 65,9 der Stimmenden ab.

Überdurchschnittlich deutlich wurden die 11. AHV-Revision und das Steuerpaket in der Romandie abgelehnt. Bei der Mehrwertsteuer gab es keine grossen regionalen Unterschiede.

Die Stimmbeteiligung war mit 51,1% relativ hoch.

Die zweite flächdeckende Niederlage

Der Versuch der rechtsbürgerlichen Kräfte, den Sozialstaat zurückzufahren, ist nach Einschätzung des Politologen Werner Seitz gescheitert. In diesem Sinne bedeute der Urnengang sicher einen Richtungsentscheid.

In einem polarisierten Umfeld sei ein klar rechtsbürgerlicher Kurs offensichtlich nicht mehrheitsfähig, erklärte Seitz vom Bundesamt für Statistik. Für Seitz war das dreifache Nein auch ein Votum gegen den neuen, «nach Rechts gerückten» Bundesrat.

Wurden Behörden-Vorlagen bisher in eidgenössischen Abstimmungen meist angenommen, so musste die Regierung dieses Jahr schon zum zweiten Mal eine flächendeckende Niederlage einstecken.

Zwar stammten die drei Vorlagen aus der früheren Legislatur. Aber die beiden neuen der politischen Rechten zugeordnete Exponenten des Bundesrates – Christoph Blocher und Hans-Rudolf Merz – setzten sich besonders dafür ein. In diesem Sinne könne man von einer Niederlage des neuen Bundesrates sprechen, sagte Seitz.

Zum ersten Mal eine AHV-Revision abgelehnt

Die 11. AHV-Revision ist die erste, die vom Volk abgelehnt wurde. Die beiden letzten Revisionen wurden in der Volksabstimmung klar angenommen. Über die vorangegangenen acht Revisionen (von 1951 bis 1973) wurde nicht abgestimmt.

Die Gesetzesrevision sah verschiedene Massnahmen vor, mit denen die AHV jährlich um 925 Mio. Franken entlastet werden sollte. Rund die Hälfte dieser Einsparungen sollte durch die Anpassung des Rentenalters der Frauen von heute 64 an jenes der Männer (65) erreicht werden.

Weitere Massnahmen: Witwen- und Witwerrenten sollten schrittweise von 80 auf 60% einer Altersrente gesenkt werden, die Waisenrenten werden erhöht. Zusätzlich war geplant, die AHV-Renten nicht mehr alle zwei, sondern nur noch alle drei Jahre der Teuerung anzupassen.

Überladenes, kompliziertes Steuerpaket

«Besonders beim Steuerpaket hatten wir es mit einer sehr komlizierten Vorlage zu tun», sagt der Emanuel von Erlach, Politologe an der Universität Bern im Gespräch mit swissinfo. «Es ist klar, die Politik kann dem Stimmbürger nicht mehr länger solche Pakete verkaufen.»

Aber auch inhaltlich sei die Steuervorlage problematisch gewesen, argumentiert Werner Seitz. Im Verlauf der parlamentarischen Debatte hatte sich eine klare rechtsbürgerliche Linie durchgesetzt – in Richtung weniger Staat und Umverteilung. Gegen diesen rechtsbürgerlichen Kurs habe es ein klares Nein gegeben.

Für Seitz zeigte sich eine ähnliche Entwicklung wie beim Avanti- Gegenvorschlag, der im Februar zur Abstimmung gelangte: Auch dort seien die nachträglichen Korrekturen des Parlaments (Stichwort: zweite Gotthard-Röhre) ziemlich einseitig gewesen. Sie brachten die Vorlage zu Fall.

«Es bekommt einer Vorlage nicht, wenn das Parlament sie zu einseitg abändert», so Seitz.

Das Steuerpaket sollte Familien und Verheiratete finanziell entlasten. Ein Systemwechsel bei der Besteuerung des Wohneigentums, die Abschaffung des Eigenmietwertes, sollte steuerliche Vereinfachungen und gezielte Entlastungen in der Wohneigentums-Förderung bringen.

Auch Erhöhung der Mehrwertsteuer klar abgelehnt

Am wenigsten umstritten war im Vorfeld der Abstimmung die Vorlage, die durch eine Anhebung der Mehrwertsteuer die Finanzierung von AHV und IV sichern wollte.

Konkret sollte die Mehrwertsteuer für die IV ab 2005 um 0,8% auf 8,4% angehoben werden (heute: 7,6%). Für die AHV sollte die Massnahme (plus 1,0%) frühestens 2009 – und nur bei Bedarf – greifen.

Weil die Massnahme für die AHV eine Steuer auf Vorrat sei, hatten sich rechtsbürgerliche Parteien gegen die Vorlage ausgesprochen. Dass die IV Geld nötig hat, ist jedoch unbestritten.

Weil aber auch diese Vorlage als Paket geschnürt wurde, konnten sich Volk und Stände nicht einzeln zu den beiden Punkten äussern. Eine Tatsache, die nun der Anhebung der Mehrwertsteuer den Kopf kostete.

swissinfo und Agenturen

11. AHV-Revision: 32,1% Ja, 67,9% Nein
Anhebung MWSt: 31,4% Ja, 68,6% Nein
Steuerpaket: 34,1% Ja, 65,9% Nein
Stimmbeteiligung: 50,3%

Die Schweizer Stimmberechtigten haben am Wochenende die zwei Vorlagen betreffend Sozialversicherungen und das Steuerpaket mit jeweils komfortablen 2/3-Mehrheiten abgelehnt.

Die 11. AHV-Revision sah vor, bei der Alters- und Hinterbliebenen-Versicherung jährlich 925 Mio. Fr. einzusparen. Dies hauptsächlich durch die Angleichung des Rentenalters der Frauen von heute 64 an jenes der Männer (65).

Die Anhebung der Mehrwertsteuer zu Gunsten von AHV und IV hätte bezweckt, die beiden Sozialwerke mittelfristig auf eine solide finanzielle Basis zu stellen.

Das Steuerpaket bestand aus drei Teilen: Erstens sollten Familien und Ehepaare entlastet werden. Der Eigenmietwert für Wohneigentum wäre abgeschafft worden. Und schliesslich sollte die Revision der Umsatzabgabe die Rahmenbedingungen für den Finanzplatz Schweiz verbessern.

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