Flüchtlingshilfe kritisiert Rückführungen in den Kosovo
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) hat einzelne Rückführungen von Kosovo- Flüchtlingen als übertrieben hart und unmenschlich kritisiert. Sie rief den Bund dazu auf, sozial Schwachen den weiteren Aufenthalt in der Schweiz zu gestatten.
Es gebe im Kosovo kaum Unterstützung für Fürsorgefälle. Alte, alleinstehende Frauen oder Minderjährige gerieten bei ihrer Rückkehr in ein soziales Vakuum, sagte Rahel Bösch, SFH- Länderverantwortliche, am Dienstag (22.08.) in Bern.
Nachdem im Frühling die Nothilfephase abgeschlossen worden sei, hätten sich viele Hilfs-Organisationen aus dem Kosovo zurückgezogen. Gleichzeitig griffen die zivilrechtlichen und sozialstaatlichen Strukturen noch nicht. Die Sozialhilfe reiche nur für 24’000 Menschen, und Fürsorgeämter seien erst im Aufbau.
Es gebe keine Arbeitslosenversicherung, keine Alters-, Waisen- oder Invalidenrente. Die medizinische Versorgung sei schlecht oder überlastet. Zudem seien die familiären Netze durch den Krieg oft zerrissen.
Die Übergangsverwaltung UNMIK habe immer auf die fragile Situation hingewiesen; trotzdem sei die Rückführung fortgesetzt worden, sagte Bösch. Der Druck auf die Rückkehrer habe zudem zusammen mit der Androhung von Zwangsausschaffungen dazu geführt, dass in vielen Fällen auch sozial Schwache «freiwillig» aus der Schweiz ausgereist sein.
Die SFH habe den Bund aufgefordert, auf Sozialhilfe angewiesene Flüchtlinge nicht zurückzuschicken und entsprechende Kriterien auszuarbeiten, sagte Pressesprecher Christian Levrat. Diese Empfehlung habe kein Gehör gefunden, vielmehr liege es nun in der Kompetenz der Kantone, über die Rückschaffungen zu entscheiden.
So sei es zu unverständlich harten Fällen gekommen. Als Beispiel nannte die SFH die Ausschaffungen einer 17-Jährigen ohne soziales Netz und einer schwangeren Frau sieben Wochen vor der Niederkunft, oder die Rückführung von Kriegstraumatisierten, die nun in einem Zelt leben müssten.
In gewissen Kantonen sei es zu unwürdigen und unmenschlichen Aktionen gekommen, insbesondere in Zürich, Luzern, St. Gallen, Bern und Luzern, sagte Levrat weiter. Handschellen kämen regelmässig zum Einsatz, auch bei jungen Frauen. In einem Fall sei eine Frau mit einem einjährigen Kind alleine ausgeschafft worden, weil der Ehemann zur Zeit der Polizeiaktion nicht zu Hause gewesen sei. Eine psychisch kranke junge Frau sei zwei Tage in Ausschaffungshaft genommen worden und habe danach notfallmässig in eine psychiatrische Klinik eingeliefert werden müssen. Levrat rief die Kantone dazu auf, ihre Verantwortung wahrzunehmen und die Verhältnismässigkeit und die Menschenwürde zu wahren.
Gemischte Reaktion auf Fristverlängerung
Auf die kürzlich beschlossene neunmonatige Fristverlängerung für ethnische Minderheiten aus dem Kosovo reagierte die SFH mit gemischten Gefühlen. Einerseits sei die SFH sehr erleichtert, sagte Levrat. Andererseits sei es nicht verständlich, warum diese Menschen nur eine Verlängerung und keine provisorische Aufenthaltsbewilligung erhielten und damit endlich ihre Koffer auspacken und ihre Zukunft planen könnten.
swissinfo und Agenturen

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