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Umweltverbände wehren sich

Erfolgreich: Der Protest von Umwelt-Verbänden gegen die Erweiterung des Skigebiets von Balme (VS) . Keystone Archive

Am Verbands-Beschwerderecht darf nicht gerüttelt werden: Das fordern Umwelt- und Naturschutz-Verbände. Sie schieben den Schwarzen Peter an die Behörden weiter.

Die Umweltschützer bemängeln die Koordination von Umweltrecht und Raumplanung und fordern raschere Verfahren.

Elf beschwerdeberechtigte Umweltverbände weisen die massive Kritik an der Verbands-Beschwerde zurück. Nicht die Verbands-Beschwerde oder die Umweltverbände seien das Problem. Vielmehr versagten die Behörden bei der Raumplanung, sagten die Umweltschützer an einer Medienorientierung in Bern.

An der Substanz des Verbands-Beschwerderechts dürfe nicht gerüttelt werden. Ein Abbau wäre kontraproduktiv und widerspreche dem Verfassungsauftrag zur nachhaltigen Entwicklung.

Das Beschwerderecht kam in letzter Zeit untern anderem ins Gerede, weil die Zürcher Sektion des Verkehrsclubs der Schweiz (VCS) Einsprache gegen das geplante Zürcher Fussballstadion gemacht hatte.

Die Fertigstellung des Stadions auf die Fussball-Europameisterschaft von 2008 ist heute fraglich. Inzwischen hat der VCS seine Einsprache zurückgezogen. Ein privater Einspruch ist jedoch noch hängig und verhindert den Baubeginn weiter.

Mangelhafte Koordination

Die Umweltverbände prangern die ihrer Ansicht nach mangelhafte Koordination von Umweltrecht und Raumplanung beim Bund an. Zudem sollen die Verfahren in den Behörden meist schleppend behandelt werden.

«Die Kritik am Verbands-Beschwerderecht kaschiert Planungs-Mängel von Gemeinden, Behörden und Kantonen», kritisiert Beat Jans von Pro Natura.

Jans liess die Kritik nicht gelten, das Verbands-Beschwerderecht sei ein Wachstumshemmer. Es bestünde kein quantifizierbarer Einfluss auf die Bautätigkeit.

Die Umweltschützer sind überzeugt, dass Konflikte vermieden werden könnten, wenn die Raumplanung von Bund, Kantonen und Gemeinden besser koordiniert würde.

Der Bund lasse die Zügel zu sehr schleifen, kritisierten sie. Zudem versuchten einzelne Kantone und Gemeinden sich durch eine Laisser-faire-Politik Standortvorteile zu verschaffen. Daher verlangen die Umwelt-Organisationen von den Behörden, Umweltauflagen schon auf Planungsstufe konsequent durchzusetzen.

Der Appell an den Bund: Einführung von Behandlungsfristen für Behörden und Gerichte sowie eine Vereinheitlichung der kantonalen Baurechte.

Mit Grundsätzen gegen Missbrauchsvorwürfe

David Häne vom WWF Schweiz wies auch die Vorwürfe zurück, die Umweltverbände würden sich mit dem Verbands-Beschwerderecht bereichern und systematisch Bauvorhaben verzögern. Gründe für Verzögerungen lägen vielmehr meist bei privaten Einsprachen, ungenügenden Dossiers, beim uneinheitlichen Baurecht und bei zu langen und komplizierten Verfahren.

Die Umweltverbände haben fünf Grundsätze beschlossen, um die Missbrauchsvorwürfe gegen sich zu entkräften. Darin werden die Wahrung der Unbestechlichkeit aufgeführt sowie Stillschweige-Klauseln in Vereinbarungen ausgeschlossen. Weiter sind sie bereit, Qualitäts-Standards zur Handhabung des Verbands-Beschwerderechts einzuführen.

Bei den elf Umweltorganisationen handelt es sich um Pro Natura, WWF, VCS, den Heimatschutz, die Stiftung Landschaftsschutz, Greenpeace, Equiterre, den Rheinaubund, den Vogelschutz, Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz sowie den Praktische Umweltschutz Schweiz. Beschwerdeberechtigt sind in der Schweiz gegenwärtig 30 Organisationen.

Parlamentarische Initiative als Damoklesschwert

Die Gegenoffensive der Umweltverbände geschieht mit Blick auf die Sitzung der ständerätlichen Rechtskommission vom kommenden Montag. Thema ist die parlamentarische Initiative des Zürcher SVP-Politikers Hans Hofman, die das Verbands-Beschwerderecht erheblich einschränken will.

Mit dem Vorstoss soll verhindert werden, dass wichtige öffentliche oder private Bauten durch zu lange Bewilligungs- und Beschwerde-Verfahren verzögert werden.

Um einer «schleichenden Ausweitung» Einhalt zu gebieten, verlangt die Initiative auch Präzisierungen bei der Beschwerdemöglichkeit der Umweltorganisationen.

So soll eine Beschwerde nur so weit aufschiebende Wirkung haben, als die Ausführung des Projekts der Umwelt einen nicht wieder gut zu machenden Schaden zufügen würde.

An ihrer Sitzung will die Kommission entscheiden, wie die vom Rat grundsätzlich gutgeheissene Initiative umgesetzt werden soll.

Seit 1992 wurden 23 parlamentarische Vorstösse zur Abschaffung oder Einschränkung des Verbands-Beschwerderechts eingereicht.

swissinfo und Agenturen

Das Verbands-Beschwerderecht wurde 1966 eingeführt.
2003 kamen 172 Beschwerden von Umweltorganisationen vor Gericht.
Mehr als 60% der Beschwerden wurden von den Gerichten gutgeheissen.

Umweltverbände wehren sich gegen die Aufweichung ihres Beschwerderechts.

Sie fordern von den Bundesbehörden, bei der Koordination von Umweltrecht und Raumplanung eine klare Führung zu übernehmen.

Die politische Rechte und Wirtschafts-Kreise wollen das Verbands-Beschwerderecht mit einer parlamentarischen Initiative entschärfen.

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