Wallis und Tessin: Hoffen und aufräumen

Nach den Unwettern vom Wochenende sinkt im Tessin der Pegel des Langensees langsam. Und im Wallis sinkt die Hoffnung, noch Überlebende bergen zu können. Nun wird mit grossen Maschinen statt von Hand gesucht.
Mehr als drei Tage nach der Katastrophe von Gondo, wo eine Schlammlawine niederging und zahlreiche Häuser mit sich riss, schwindet die Hoffnung Überlebende zu finden. Auch in der Nacht auf Mittwoch (18.10.) suchten rund 40 Helfer vergeblich nach Vermissten.
Suche mit Maschinen
Die Rettung wird neu mit grossen Maschinen durchgeführt, da kaum noch Hoffnung besteht, jemanden lebend zu finden.
Aufgeben will in Gondo und Simplon-Dorf aber niemand. «Solange nicht jede Mauer und jede Decke abgebaut ist, besteht ein Funke Hoffnung», sagte Alfred Squaratti, Sprecher des Krisenstabs von Gondo.
Jetzt gehe die Arbeit zwar maschinell statt von Hand weiter, aber sehr behutsam. Um jede Maschine stehen laut Squaratti zwei, drei Beobachter. Die Rettungsaktion wird auf «unbestimmte Zeit» weitergeführt. «Bis wir sicher sind, dass sich kein Vermisster mehr in Gondo befindet», sagte Squaratti.
Die Arbeiten gestalten sich schwierig. So müssen noch stehende Fassaden zuerst gefestigt werden, bevor die Suchtrupps dort arbeiten können.
Bewohner und Bewohnerinnen von Gondo informiert
Am Dienstagabend (17.10.) informierten die Behörden im nahen Simplon Dorf die Bewohner von Gondo. Diese dürfen in den nächsten Tagen für eine halbe Stunde in ihr Dorf zurück, um das Nötigste aus ihren beschädigten oder unversehrten Häusern zu holen, wie z.B. Wertsachen und Ausweispapiere. Und um Ausmessungen vorzunehmen, damit später Fenster und Türen vernagelt werden können.
Die ehemaligen Bewohner und Bewohnerinnen der vollständig zerstörten und weggerissenen Häuser dürfen aber vorerst nicht nach Gondo zurück. Zumindest so lange nicht, wie ihre Sicherheit nicht gewährleistet werden kann und bis das Gröbste nicht aufgeräumt ist. Die Behörden wollen ihnen vor allem den Schock ersparen. Sie werden erst später mit psychologischer Begleitung den Unglücksort aufsuchen können.
Nach dem Unwetter vom Wochenende werden im Wallis noch neun Menschen vermisst. Sieben Leichen wurden bisher geborgen.
Der Verkehr ist immer noch behindert
Die Verkehrslage im Kanton bessert sich allmählich. So wurde am Mittwochmorgen die Bahnstrecke von Brig nach Domodossola wieder geöffnet. Auch die Zermattbahn nahm ihren Betrieb auf einigen Teilstrecken wieder auf.
Tessin: Langsame Rückkehr zur Normalität
In den Hochwassergebieten des Locarnese normalisiert sich die Situation langsam. Nach einer Woche Dauerregen erwachte die Region am Mittwoch erstmals unter einem blauen, wolkenfreien Himmel.
Der Pegel des Langensees sinkt wenige Zentimeter pro Stunde. Nach einem Rekordhoch sank er bereits um 30 Zentimeter. Am Dienstag (17.10.) war der Seespiegel auf maximal 197,55 Meter gestiegen.
In den überschwemmten Gebieten bleibt die Situation weiter kritisch. Der Zivilschutz versorgt die in ihren Wohnungen verbliebenen Einwohner im Quartiere Nuovo von Locarno mit Lebensmitteln und stellt den Transport auf Booten sicher.
Kritische Verkehrssituation
Insgesamt haben rund 2’000 Personen in den Hochwassergebieten ihre Wohnungen verlassen oder sind evakuiert worden. Betroffen sind neben Locarno insbesondere Ascona, das linke Seeufer am Gambarogno sowie die Magadino-Ebene, die weitgehend unter Wasser steht. Viele Strassen bleiben vorläufig gesperrt.
Die Behörden appellierten erneut an die Einwohner im Locarnese, das Auto nur im absoluten Notfall zu benützen und auf die Bahn umzusteigen. Sechs Schulen in Locarno und Gordola bleiben die ganze Woche geschlossen.
Wieder Regen
Die Meteorologen sagen neue Niederschläge für Donnerstag und Freitag voraus. Der Regen wird den Rückzug des Sees voraussichtlich etwas abbremsen. Eine Rückkehr zum Normalniveau wird für 26. oder 27. Oktober erwartet.
Regierung hilft
Der Bundesrat sicherte am Mittwoch (18.10.) den von den Unwettern betroffenen Kantonen Wallis und Tessin einen solidarischen Beitrag zur Behebung der Schäden zug. Er beauftragte das Departement von Verkehrs- und Energieminister Moritz Leuenberger, gemeinsam mit den kantonalen Behörden und den zuständigen Bundesstellen die Schäden zu erheben.
Alarm in der Po-Ebene
Nach den verheerenden Überschwemmungen im Alpenraum, vor allem im Aostatal, gilt jetzt Hochwasser-Alarm in der norditalienischen Po-Ebene.
Wie das italienische Fernsehen am Mittwochmorgen berichtete, trat der Fluss in der Nacht nahe der Stadt Cremona an mehreren Stellen über die Ufer. Mehr als 7’500 Retter sind im Einsatz. Bis zum Mittwochmorgen wurden in den Krisengebieten 19 Tote geborgen; nach elf Vermissten wird weiter gesucht.
Insgesamt 40’000 Menschen mussten in Italien ihre Häuser verlassen. Weite Teile der Krisenregionen stehen weiter unter Wasser. Ganze Ortschaften, insbesondere im nordwest-italienischen Aostatal, wurden verwüstet.
swissinfo und Agenturen

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