Wie die Finger aus der Hand wachsen

Forscher in Genf präsentierten neue Erkenntnisse über die Entwicklung und das Wachstum unserer Finger und Zehen.
In der über 5 Jahre angelegten Studie konnten die Mechanismen erhellt werden, welche Finger wachsen lassen.
Die neuen Erkenntnisse sind wahrhafte Exploits in der Genforschung. Exploits, welche den Genfern Forschern ein Papier in der aktuellen englischen Wissenschaftszeitschrift «Nature» eingebracht hat.
Bereits vor 15 Jahren hat die Abteilung für Zoologie und Tierbiologie der Universität Genf Hinweise publiziert, dass es eine Verbindung gibt zwischen der Reihenfolge der Gene auf den Chromosomen und der Architektur des menschlichen Körpers.
Die Forscher hatten entdeckt, dass die Gene für Schultern, Arme, Unterarme und Hände in einer Abfolge aufgereiht sind. Und zwar eben in der gleichen Reihenfolge wie die Körperteile, für deren Entwicklung sie zuständig sind.
Fünfjährige Forschungsarbeit
Vor einigen Tagen präsentierte das Team um Professor Denis Duboule das Resultat der neuen Langzeitstudie. In den fünf Forschungsjahren haben die Genfer Biologen es geschafft, das Kontrollzentrum zu isolieren, welches das Wachstum der Finger bestimmt.
Die Entdeckung untermauert also die Theorie, dass jeder Mensch einen «Montageplan» in sich trägt – nicht in den Genen, sondern aufgrund deren Reihenfolge.
Geheimnis Gehirn
Es ist also vielleicht nur «ein kleiner Finger für die Menschheit, aber ein grosser für die Forschung», wie der Pressedienst der Universität Genf die Entdeckung umschreibt.
«Seit einigen Jahren schreiten wir in unserem Verständnis des menschlichen Erbgutes in grossen Schritten voran. Wir beginnen sogar die Montagepläne der inneren Organe gut zu verstehen», sagt Denis Duboule.
Allerdings: Das Gehirn bleibt die grosse Unbekannte. Der Genfer Professor definiert es als «den kleinen Teil des Hauses, den sich der Architekt auf die Seite gelegt hat, um in letzter Minute entscheiden zu können, was daraus nun zu machen ist».
Verbindungen der Nervenzellen entstehen in der Tat das ganze Leben lang. Und jedes Individuum weist eine eigene Hirnstruktur auf.
«Therapeutische Perspektiven»
In Bezug auf die Hand hingegen scheinen die Dinge einfacher zu sein. Und der Genfer Exploit bleibt nicht einfach eine Forschungs-Leistung, die nur ihren Eintrag im grossen Buch des Wissens finden wird.
Die Erkenntnis öffnet Perspektiven für die Früherkennung von missgebildeten Händen – ein Problem, von welchem eines von 1000 Kindern betroffen ist.
«Man ist sich dies nicht wirklich bewusst, weil die Chirurgie hier riesige Fortschritte gemacht hat, und man diese Kinder sehr früh operieren kann. Dennoch ist die Zahl der genetisch bedingten Hände-Missbildungen immer noch sehr hoch», unterstreicht Denis Duboule.
Riesige Mäusepopulation
Um zu ihren Resultaten zu gelangen, haben die Genfer Forscher mit Mäusen gearbeitet. Dies nach einer Methode, welche sozusagen weltweit einzigartig ist.
Ausgehend von einem einzigen Paar genetisch veränderter Mäuse hat man eine Nachkommenschaft entstehen lassen, welche die Eigenschaft haben, dass sie spontan mutieren. Die Mäuse vermehrten nach Lust und Laune und die Forscher konnten so – aus einer Population von mehreren tausend Mäusen – einfach die Mäuse auswählen, die sie interessierten.
In ihrer Arbeit haben die Forscher auch von der immensen Logistik des Nationalen Forschungsschwerpunkts «Frontiers in Genetics» profitieren können. Dieser Forschungsschwerpunkt unter der Leitung von Denis Duboule vereint Projekte der Universitäten Zürich, Genf und Lausanne.
swissinfo, Marc-André Miserez

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