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OECD: Mehr Arbeitslosigkeit auch in der Schweiz

Die Arbeitslosigkeit wird in der Schweiz gemäss OECD vorübergehen zunehmen. Keystone

Ältere, Frauen, Alleinerziehende, Ausländer, Behinderte und junge Berufseinsteiger sind laut OECD von der Arbeitslosigkeit bedroht.

Im laufenden Jahr dürfte die Arbeitslosenrate in der Schweiz auf über 3% steigen, um sich 2004 wieder auf 2,9% abzuschwächen.

Die schwierige Lage auf dem Arbeitsmarkt hat sich 2003 in den meisten der 30 Mitgliedsländer der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) verschärft. Eine leichte Entspannung dürfte es erst im nächsten Jahr geben.

Die OECD hat am Mittwoch ihren Arbeitsmarktbericht veröffentlicht, der die Daten der einzelnen Länder vergleicht und die Perspektiven abschätzt.

Wie Aeberhardt Werner vom Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) gegenüber swissinfo betont, decken sich die OECD-Zahlen mehr oder weniger mit den Schätzungen des Amtes.

Arbeitslosigkeit in Schweiz wird steigen

Nach den OECD-Berechnungen wird die Arbeitslosigkeit in der Schweiz 2003 von im Schnitt 2,3% auf 3,1% steigen. Für 2004 erwartet sie eine Quote von 2,9%.

Die Schweiz liegt allerdings bei der Arbeitslosigkeit immer noch deutlich unter dem OECD-Durchschnitt von 7%. Bei den europäischen Mitgliedländern liegt das Mittel gar bei 9,1%.

Das seco schätzt die Arbeitslosenrate dieses Jahr auf rund 3,9% respektive 152’000 Personen. Für 2004 rechnet das seco mit rund 4% Arbeitslosigkeit.

Gewerkschaftsbund: Zu kurzer Aufschwung Ende der Neunziger

Serge Gaillard, Chefökonom des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB), erklärt den statistisch grossen Unterschied der Schweiz und den europäischen OECD-Ländern gegenüber swissinfo: “Die Schweiz kennt die Arbeitslosigkeit erst richtig seit den neunziger Jahren, viele europäische Länder kennen sie schon viel länger. Je länger ein Land damit konfrontiert ist, desto schwieriger ist der Abbau.”

Im Vergleich zu anderen rezessiven Phasen sei in der Schweiz aber der Anstieg der Arbeitslosigkeit diesmal weniger stark. Wie die OECD vermutet, kann dies mit strukturellen Reformen zusammenhängen, die sich nun positiv auswirken.

Dass es Ende der neunziger Jahre in der Schweiz aber nicht zu einem richtigen Abbau der Arbeitslosigkeit kam, erklärt Serge Gaillard mit dem Umstand, dass “damals in der Schweiz der Aufschwung zu kurz ausfiel.”

Chancen für Behinderte und flexibles Pensionsalter

Gute Noten vergibt die OECD der Schweiz bei der Beschäftigung von Behinderten. Mit 60% Beschäftigungsanteil sei der Anteil jener Behinderten, die eine Stelle haben, in der Schweiz fast drei Mal höher als beispielsweise in Spanien.

Zudem lasse man in der Schweiz, wie auch in Schweden, älteren Angestellten mehr Freiheit bei der Wahl des Zeitpunkts ihrer Pensionierung als in anderen Ländern. Dabei sei es möglich, sich frühpensionieren zu lassen ? aber auch noch länger als üblich der Arbeit nachzugehen.

Andererseits wird befürchtet, dass auch in der Schweiz der Anteil jener, die sich aus dem Arbeitsmarkt zurückgezogen haben, hoch ist. Es handelt sich dabei um Menschen, die sich nicht mehr als Arbeitslose registrieren lassen, obwohl sie eigentlich eine Beschäftigung suchen. Dazu zählen vor allem Frauen, Sozialhilfeempfänger, Alleinerziehende, Frührentner und Behinderte.

Wann lohnt sich Arbeit?

Wichtigster Anreiz ist gemäss der OECD, dass sich Arbeiten finanziell lohnen müsse. Als erfolgreich hätte sich erwiesen, Steuervorteile von Unternehmen von ihrer Beschäftigungspolitik abhängig zu machen. Es gebe Beispiele, wo sich Arbeitgeber mit der Einstellung von ungelernten Arbeitern von den Sozialabgaben befreien würden.

Hinzu kommen müssten laut OECD auch eine bessere externe Kinderbetreuung sowie Qualifizierungs-Massnahmen.

Gailliard fügt diesem Strukturbild bei, dass im Fall der Schweiz “250’000 bis 300’000 Teilzeitbeschäftigte eigentlich mehr arbeiten möchten.” Dazu gesellten sich viele, die unfreiwillig in Frühpension gehen mussten.

Aeberhardt Werner von seco wiederum sagt, dass im Gegensatz zu früheren Rezessionen in der Schweiz diesmal auch qualifiziertere Arbeitskräfte betroffen seien. Das soziale Sicherheitsnetz funktioniere aber ziemlich gut. Die Arbeitslosengelder genügten, und die Armen profitierten von anderen Massnahmen. Was Besorgnis errege, sei vielmehr die starke Zunahme der Beanspruchung der Invaliditäts-Versicherung.

swissinfo und Agenturen

Gute OECD-Noten für die Schweiz: Bei der Beschäftigung von Behinderten, in der Wahl des Pensionsalters.
Viele Arbeitslose sind allerding nicht mehr gemeldet, da sie sich vom Arbeitsmarkt abgewendet haben.

Durchschnitt der Arbeitslosen-Quote:

alle OECD-Länder: 7%
alle europäischen OECD-Länder: 9,1%
Schweiz 2002: 2,3%
Schweiz 2003 geschätzt: 3,1%
Schweiz 2004 geschätzt: 2,9%

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