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Illustration Aussenpolitik

Die Neutralität der Schweiz – wohin des Weges?

Die schweizerische Neutralität kommt in Krisenzeiten immer unter Druck. Für die Schweiz stellt sich derzeit eine zentrale Frage: Öffnung oder Isolationismus? Es zeichnet sich eine Weichenstellung für die künftige Ausrichtung des Landes ab.

Der Ukraine-Krieg hat die Debatte um die Schweizer Neutralität neu lanciert. Die Schweiz habe ihre Neutralität aufgegeben, so ein häufiger Vorwurf, da sie sich den Sanktionen gegen Russland angeschlossen hat.

Aus völkerrechtlicher Sicht ist das Verhängen von reinen Wirtschaftssanktionen jedoch unproblematisch, da es sich gerade nicht um das Beziehen einer konkreten Position im Rahmen eines bewaffneten Konflikts handelt, schreibt eine österreichische Völkerrechtlerin im Standpunkt.

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Meinung

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«Auch die neutrale Schweiz darf Sanktionen verhängen»

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Standpunkt der Sicherheitsforscherin Elisabeth Hoffberger-Pippan vom Deutschen Institut für Internationale Politik und Sicherheit in Berlin.

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Dieser Vorwurf wird auch im Inland erhoben. Insbesondere von der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP), die an einer strikten Neutralität festhalten will und eine Volksinitiative plant, mit der eine eng definierte Neutralität in die Verfassung geschrieben würde.

Auf der anderen Seite drängt ein liberaleres Lager auf eine «aktive» Neutralität.

Die Schweiz ist schon lange nicht mehr «klassisch neutral»

Schon länger hat sich die Schweiz – wie die meisten neutralen Staaten – von einem traditionellen Neutralitätskonzept entfernt und der Staatengemeinschaft zugewandt: Seit sie 2002 der Uno beigetreten ist, muss die Schweiz Uno-Sanktionen nachvollziehen. Schon länger nimmt sie an Friedensmissionen teil.

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Die Schweiz geht davon aus, dass das Neutralitätsrecht nicht auf militärische Uno-Einsätze anwendbar ist, weil der Sicherheitsrat schliesslich für den Weltfrieden zuständig ist. Der österreichische Völkerrechtler Peter Hilpold von der Universität Innsbruck sagt hingegen: «Neutralität im klassischen Sinn ist kaum mit einer UN-Mitgliedschaft vereinbar und mit einer EU-Mitgliedschaft noch weniger.»

Laut der Völkerrechtlerin Elisabeth Hoffberger-Pippan vom Deutschen Institut für Internationale Politik und Sicherheit in Berlin ist der Bevölkerung mitunter nicht bewusst, dass eine EU- beziehungsweise UNO-Mitgliedschaft mit einer gewissen Verwässerung der Neutralität einhergehen kann.

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«Die Schweiz ist auch schon ganz klar nicht neutral gewesen», sagt Stefanie Walter, Professorin für Internationale Beziehungen und Politische Ökonomie an der Universität Zürich. «Im Kalten Krieg beispielsweise war die Schweiz implizit klar auf der Seite des Westens. Und auch in Sachen Menschenrechte hat sie eine Position.» Im Ukraine-Krieg hat die Schweiz den russischen Angriff auf die Ukraine umgehend als völkerrechtswidrig verurteilt.

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Was bedeutet Neutralität überhaupt?

Die Schweiz muss nach aussen immer wieder ihr Neutralitätskonzept erklären, da es oft falsch verstanden wird. Es basiert auf der Unterscheidung von Neutralitätsrecht und Neutralitätspolitik.

Als die Siegermächte am Wiener Kongress 1815 der Schweiz immerwährende Neutralität gewährten, lautete der Deal: Die Schweiz beteiligt sich nicht an Konflikten und stellt keine Söldner zur Verfügung, dafür werden auf ihrem Gebiet keine Kriege mehr ausgetragen.

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Schweizer Fahne und Soldaten

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Was heisst «neutral»?

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Die Schweiz ist auf der Suche nach einer neuen Auslegung ihrer Neutralität. Der internationale Vergleich zeigt: Neutralität hat viele Gesichter.

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An diesem Prinzip hat sich wenig geändert, auch heute verpflichtet das Neutralitätsrecht in erster Linie dazu, nicht an Kriegen teilzunehmen, weder direkt noch indirekt. Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) definiertExterner Link das Neutralitätsrecht folgendermassen: Ein neutraler Staat hat die Pflicht

  • sich der Teilnahme an Kriegen zu enthalten
  • seine Selbstverteidigung sicherzustellen
  • alle Kriegsparteien im Hinblick auf den Export von Rüstungsgütern gleich zu behandeln
  • den Kriegsparteien keine Söldner zur Verfügung zu stellen
  • den Kriegsparteien sein Staatsgebiet nicht zur Verfügung zu stellen.

Diese eng definierten Pflichten sind in der Schweiz breit akzeptiert. Trotz ihrer eindeutigen Westbindung hat sie beispielsweise Nato-Mitgliedern wiederholt den Überflug untersagt, etwa während der amerikanischen Irak-Invasion oder jüngst bei Waffenlieferungen an die Ukraine.

Zudem verweigerte sie Deutschland, Spanien und Dänemark die Zustimmung, von der Schweiz gekaufte Panzer und Munition an die Ukraine weiterzugeben. Der Druck auf die Schweiz, von dieser strikten Haltung abzurücken, nimmt im Ausland zu.

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Die Neutralitätspolitik wird hingegen flexibel gehandhabt, da es sich nicht um einen rechtlichen Rahmen handelt, sondern um «die Gesamtheit der Massnahmen, die ein neutraler Staat von sich aus ergreift, um die Berechenbarkeit und Glaubwürdigkeit seiner dauernden Neutralität zu gewährleisten», wie das EDA schreibt. Diese Massnahmen werden dem jeweiligen (geo)politischen Kontext angepasst.

Zentral für das Selbstverständnis einer neutralen Schweiz sind die humanitäre Tradition und die Guten Dienste, die zusammen mit der Handelspolitik die Schwerpunkte der schweizerischen Aussenpolitik sind.

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Debatte
Gastgeber/Gastgeberin Giannis Mavris

Welche Zukunft hat das Schweizer Neutralitätsmodell?

Kann es in Zeiten der Blockbildung und des geopolitischen Antagonismus überhaupt einen neutralen Weg geben?

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Die Neutralität steht europaweit in einem Spannungsverhältnis

Solche Diskussionen finden nicht nur in der Schweiz statt: Schweden und Finnland sind nach einer sicherheitspolitischen Kehrtwende der Nato beigetreten – nachdem sie ihre langjährige Neutralität und Bündnisfreiheit aufgaben. Auch andere neutrale Staaten in Europa und darüber hinaus suchen den Platz ihrer Neutralität in der veränderten weltpolitischen Konstellation.

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Ebenfalls für laute Debatten und emotionale Kontroversen sorgt in der Schweiz das Verhältnis zur Verteidigungsallianz Nato. Gemäss einer regelmässig durchgeführten UmfrageExterner Link der ETH Zürich bewerten immer mehr Schweizer:innen die weltpolitische Lage pessimistischer als zuvor. Das allgemeine Sicherheitsempfinden im Land leidet darunter jedoch nicht, noch immer fühlen sich die allermeisten in der Schweiz sicher.

Die Berührungsängste mit der Nato aber haben abgenommen – mehr als die Hälfte der Befragten spricht sich für mittlerweile eine Annäherung aus. Ein Nato-Beitritt hat weiterhin keine Mehrheit hinter sich (und wird auch politisch nicht diskutiert), aber eine engere Kooperation auf institutioneller und auf technischer Ebene erfährt eine breite Zustimmung.

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Unter dem Radar fliegt ein sicherheitsrelevanter Aspekt, der vermutlich an Bedeutung zunehmen wird: Die Schweiz rühmt sich als «Silicon Valley der Robotik» und ist ein wichtiger Player in der Drohnentechnologie. Immer wieder landen jedoch Drohnen oder Drohnenteile in Kriegsgebieten, was Konfliktpotenzial hinsichtlich der Neutralität birgt.

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mann mit drohne

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Das Drohnen-Dilemma der Schweiz

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Die Rüstungsindustrie ein lukrativer Markt für Schweizer Innovationen – ein Engagement in diesem Bereich kollidiert jedoch mit der Neutralität der Schweiz.

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Welche Zukunft hat der Multilateralismus?

Die Jahre 2023/24 sass die Schweiz zum ersten Mal im UNO-Sicherheitsrat, gewählt für zwei Jahre als eines von zehn nichtständigen Mitgliedern. Der Sicherheitsrat ist das wichtigste multilaterale Gremium, das die Hauptverantwortung für «die Wahrung des Weltfriedens» trägt, ist aber aufgrund der Vetos seiner fünf ständigen Mitglieder (USA, Grossbritannien, Frankreich, China, Russland) zurzeit in wichtigen Dossiers blockiert.

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Blick in den UNO-Sicherheitsrat

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Der Sicherheitsrat versagt – das sind die Gründe

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Die Schweiz sitzt zurzeit im UNO-Sicherheitsrat. Dieser wird immer wieder lahmgelegt. Kleine Länder wollen ihn reformieren.

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In dieser Zeit präsidierte die Schweiz zwei Mal den Rat. Bei den grossen Fragen – im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, in der Sudan-Krise oder im israelisch-palästinensischen Krieg – konnte sie die Parteien nicht zu Zugeständnissen bewegen. Sie hat jedoch in weniger augenfälligen Geschäften eine Stärkung des Multilateralismus bezweckt, etwa mit gemeinsamen Veranstaltungen der UNO und der Afrikanischen Union.

Kommt das multilaterale System noch mehr unter Druck, leiden vor allem kleinere Länder wie die Schweiz darunter: Denn eine regelbasierte Ordnung sorgt dafür, dass sich nicht bloss der Stärkere durchsetzen kann. Verschiedene Akteure haben seit Jahren dem Multilateralismus offen den Kampf angesagt.

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People sitting in a room

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Was die Schweiz im UNO-Sicherheitsrat erreicht hat

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Was hat die Schweiz im UNO-Sicherheitsrat angesichts des stark polarisierten internationalen Umfelds erreicht? Eine Analyse.

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Es gibt aber auch gegensätzliche Entwicklungen auf eher unerwarteter Seite: Der Internationale Strafgerichtshof sucht eine aktivere Rolle – es stellt sich die Frage, inwieweit er die Weltpolitik beeinflussen kann. Zudem erstarkt das Weltrechtsprinzip, das bei schwersten Verbrechen sämtliche Staaten zur Verfolgung und Anklage ermächtigt, auch wenn es noch lange nicht weltumspannend funktioniert. Hier spielt die Schweiz eine wesentliche Rolle, vor allem weil sich im Internationalen Genf einiges in dieser Richtung tut.

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Eines ist sicher: Die Schweizer Neutralität ist noch nicht an ihr Ende angelangt. Aber welche Richtung sie in Zukunft einschlagen wird, das ist noch Gegenstand erhitzter Debatten.

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Editiert von Mark Livingston

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