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Eizenstat-Buchumschlag provoziert die Schweiz

NS-Goldbarren als Hakenkreuz über der Schweizer Fahne: Der Einband von Eizenstats Buch. Keystone

Schweizer Kreuz, Hakenkreuz und Goldbarren empören den Aussenminister: Das Cover von Stuart Eizenstats Buch soll verboten werden. In den USA werden die Chancen für ein Verbot allerdings unterschiedlich beurteilt.

Die Bergier-Kommission reagiert gelassen auf den Buchumschlag.

Das Titelbild des neuen Buches “Imperfect Justice” (“mangelhafte Gerechtigkeit”) von Ex-US-Unterstaatssekretär und Anwalt Stuart Eizenstat löst in Bern heftige Reaktionen aus: Bundespräsident Kaspar Villiger findet den Buchumschlag “geschmacklos”. Es lohne sich aber nicht, sich darüber Gedanken zu machen. Zu einer Staatskrise werde die Geschichte nicht führen, erklärte Villiger.

EDA-Chef empört über Verunglimpflichung

Aussenminister Joseph Deiss reagierte hingegen empört, wie sein Sprecher Livio Zanolari sagte. Das Titelbild sei eine “Verunglimpfung” der Schweizer Fahne. Der Aussenminister will nun von der Schweizer Botschaft in Washington wissen, ob eine Publikation in dieser Form mit rechtlichen Schritten verhindert werden kann.

Ex-Botschafter Defago: Nur kleine Chancen vor Gericht

“Die Empörung ist berechtigt”, meinte Alfred Defago gegenüber SR DRS. Defago war während der Nazi-Gold-Affäre in den 90er-Jahren Schweizer Botschafter in den USA.

Defago hält jedoch ein gerichtliches Vorgehen für wenig erfolgversprechend. “In den USA gilt der Schutz der Meinungsäusserungs-Freiheit fast absolut.” Dass ein Gericht den entsprechenden Verfassungs-Zusatz nicht stütze, sei sehr unwahrscheinlich.

Er verwies auch darauf, dass fast jedes Jahr im US-Parlament Gesetze gegen die Verbrennung der US-Fahne zwar hart diskutiert würden, aber keine Aussicht auf eine Mehrheit haben.

Borer gegen diplomatisches Vorgehen

Die Aufregung auf dem internationalen Parkett erachtet auch Thomas Borer, 1997 zum Leiter der Task-Force des Bundes “Schweiz – Zweiter Weltkrieg” berufen, als sinnlos.

In einer Kolumne der Westschweizer Sonntagszeitung “Matin Dimanche” schreibt er, die Schweiz solle nicht auf dem diplomatischen Weg die Publikation Buches zu verhindern versuchen. Eizenstat sei heute keine Staatsperson mehr, sondern Anwalt in einer US-Kanzlei, die die Interessen einer grossen Schweizer Bank vertrete. Auf diesem Terrain müsse die Schweiz aktiv werden.

Bergier: Poltische Intervention nötig

Auch wenn die historischen Ereignisse die im Buch beschrieben sein sollen korrekt sind, hat Jean-François Bergier, Leiter der nach ihm benannten Historiker-Kommission, wenig Verständnis für den Umschlag. “Die Tatsache stimmt, aber diese Zusammensetzung der Goldbarren die mit der Nationalbank zu tun haben und der Schweizer Fahne, die das ganze Land symbolisiert, das ist sehr schockierend”, sagte er in der Tagesschau von SF DRS.

Der Bundesrat solle ganz energisch politisch intervenieren. “Es ist richtig, dass er der Botschaft in Washington die Instruktion erteilt hat, den Versuch zu unternehmen, die Publikation rechtlich zu verhindern”, meinte er gegenüber dem Boulevardblatt “Blick”.

Kreis: Historische Tatsache

Für Georg Kreis, der ebenfalls in der Bergier-Kommission mitarbeitete, ist dagegen die Darstellung auf dem Buchumschlag sachlich richtig. “Das Gold ist eindeutig als Nazi-Gold symbolisiert. Dass es mit dem Schweizer Kreuz in Verbindung gebracht wird, ist eine historische Tatsache”, sagte Kreis gegenüber dem “Tages-Anzeiger”.

“Statt sich über den Deckel eines Buches zu ärgern, das noch niemand gelesen hat, sollte man darüber nachdenken, dass unsere Nationalbank (…) bedenkenlos Nazi-Gold gewaschen hat.”

Israelitischer Gemeindebund schockiert

Der Schweizerische Israelitische Gemeindebund (SIG) zeigte sich schockiert über das Umschlagbild. Der Autor selber habe ja die Schweiz gelobt, wie diese das Problem der nachrichtenlosen Vermögen gelöst habe, heisst es in einer Mitteilung des SIG.

Der SIG unterstütze Bundesrat Deiss in seinen Bemühungen, ein Verbot des Vertriebs des Eizenstat-Buches in der vorliegenden Form zu erwirken.

Eizenstat: Schweizer Fahne nicht absichtlich beschmutzt

Eizenstat selber hat sich in Interviews mit der Schweizer Sonntags-Presse gerechtfertigt. Er bedauere die Reaktion auf den Buchumschlag, sagt er gegenüber der “SonntagsZeitung”. Er habe “in keiner Weise die Schweizer Fahne beschmutzen wollen”.

Das Bild beziehe sich nur auf die Rolle der Schweizerischen Nationalbank und nicht auf die Schweiz von heute. Die Schweiz und ihre Banken seien heute viel stärker und “Lichtjahre von dem entfernt, was sie noch vor fünf Jahren waren”.

Anderer Umschlag für deutsche und französische Ausgabe

Im “Tages-Anzeiger” zeigte sich Eizenstat beinahe versöhnlich: Leider könne er das Cover für die englische Ausgabe nicht mehr ändern, da das Buch bereits gedruckt sei.

Für die deutsche und die französische Ausgabe wird der Buchumschlag abgeändert. Das ursprüngliche Titelbild werde durch einen schwarzen Schriftzug vor einem roten Hintergrund ersetzt, sagte Margrit Schönberger, Sprecherin der Münchner Bertelsmann Verlage am Montag.

Nicht das erste “Goldhakenkreuz”

Schon einmal – 1998 – zierten Schweizer Kreuz, Hakenkreuz und Goldbarren gemeinsam einen Buchdeckel: “Die Schweiz, das Gold und die Toten” des ehemaligen Genfer SP-Nationalrats Jean Ziegler.

Im Buch warf Ziegler der Schweiz Hehlerei für Hitler, Waffenlieferungen ans Dritte Reich, eine antisemitische Flüchtlingspolitik und die Unterschlagung nachrichtenloser Vermögen vor. Es wurde zum Bestseller.

swissinfo und Agenturen

Stuart Eizenstats Buch-Einband zeigt Goldbarren in Form eines Hakenkreuzes auf dem Schweizer Kreuz. Die Schweizer Regierung reagiert empört und will das Cover verbieten lassen. Es werden ihr nur geringe Chancen eingeräumt. Der Autor überlegt sich, die französische und deutsche Ausgabe zu ändern.

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