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Wie eine AHV-Initiative die Schweizer Stimmberechtigten überzeugte

Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider blickt in die Kamera.
Die zuständige Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider spricht an einer Medienkonferenz über die Abstimmungsergebnisse. Keystone/Peter Klaunzer

Die Überraschung ist gelungen: Die Schweiz nimmt die 13. AHV-Rente mit 58,2% Ja-Stimmen an. Dieses Resultat kam zustande, weil nicht nur Linke für die Gewerkschaftsinitiative gestimmt haben. Die Stimmbeteiligung fiel mit 58,3% hoch aus.

Historisch, sensationell, chancenlos: Diese Worte sind am heutigen Abstimmungssonntag immer wieder gefallen. Die Schweizer:innen haben heute die Initiative des Gewerkschaftsbundes für eine 13. AHV-Rente klar angenommen und gleichzeitig eine Initiative zur Erhöhung des Rentenalters deutlich abgelehnt.

58,2% der Schweizer:innen haben für eine 13. AHV-Rente gestimmt. Und auch bei den Auslandschweizer:innen war die Zustimmung, wie erwartet, gross. Manche hatten sich schon im Vorfeld der Abstimmung für eine zusätzliche Rente ausgesprochen, was dazu geführt hatte, dass die Gegner:innen aus dem rechten Lager auf die Fünfte Schweiz zielten.

Auslandschweizer:innen aus fast allen Kantonen für 13. AHV-Rente

Die Auslandschweizer:innen haben in allen ausser einem Kanton mehrheitlich für die 13. AHV-Rente gestimmt. Im Kanton Waadt waren 70% Auslandschweizer:innen für die Initiative, auch im Kanton Freiburg gab es mit 61.9% eine grosse Zustimmung.

Der Kanton Uri vermeldet 52.4% Ja-Stimmen von den Schweizer:innen im Ausland, aus Luzern sind es 60.5%. Einzig die Auslandschweizer:innen im Kanton Appenzell Innerrhoden lehnten die Gewerkschafts-Initiative mit 50.4% Nein-Stimmen ganz knapp ab.

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In den letzten Wochen vor der Abstimmung war die anfänglich komfortable Unterstützung für die 13. AHV-Rente geschmolzen. Bis zum Schluss wurde diskutiert, ob die Initiative, wenn nicht am Volksmehr doch am Ständemehr scheitern würde.

Umso grösser waren die Freude und der Jubel an der Feier der Befürworter:innen, als sich das Ja immer deutlicher abzeichnete. Pierre-Yves Maillard, Präsident des Schweizer Gewerkschaftsbundes, stand mittendrin und war von Emotionen überwältigt. Er spricht von “einer neuen Seite der Geschichte”.

Lesen Sie hier, was die Schweiz aus dem heutigen Abstimmungssonntag mitnehmen kann:

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Stimmbürger an der Urne.

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Fünf Lehren dieser AHV-Abstimmung

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Die Annahme der Initiative für eine 13. AHV-Rente ist eine grosse Überraschung. Fünf Lehren, die man aus diesem Abstimmungssonntag ziehen kann.

Mehr Fünf Lehren dieser AHV-Abstimmung

Das Wort historisch ist für einmal angebracht: Es ist das erste Mal, dass eine Gewerkschaftsinitiative angenommen wird, die Sozialleistungen ausbauen will.

In der Schweiz gibt es regelmässig Volksabstimmungen. Doch an der heutigen hat das Volk so richtig gesprochen. Da sind sich Politiker:innen von links bis rechts einig. “Die Leute haben gesagt, jetzt sind wir dran”, sagt SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer in der Elefantenrunde von SRF.

SVP-Nationalrat Franz Grüter von der Gegenseite stimmt Meyer in diesem Aspekt zu. “Die Leute haben gesagt, wir wollen wieder einmal für uns schauen. Diese Stimmung hat man gespürt.”

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Dies war der Schlüssel zum Erfolg der linken Initiative, sagt Politologe Urs Bieri im Interview mit SWI swissinfo.ch. “Die Initiative ist auch weit ins bürgerliche und vor allem ins rechtskonservative Lager hineingedrungen.” Während für die einen das Argument der Solidarität zählte, sei es für die anderen mehr ein “jetzt komme ich” gewesen.

Die Gegnerschaft betont die Mehrkosten

FDP-Chef Thierry Burkart zeigt sich enttäuscht über das Resultat und weist auf einen Punkt hin, von dem die Linken in ihrer Kampagne ablenken konnten, wie auch Politologe Urs Bieri festhält. “Wir haben es zu wenig geschafft, die Kosten in den Mittelpunkt zu rücken”, sagt Burkart, “Wie sollen wir die vier bis fünf Milliarden Mehrkosten bezahlen.”

Burkart und SVP-Nationalrat Franz Grüter sind sich einig, dass der Mittelstand nicht mit höheren Steuern und Abgaben belastet werden soll. Grüter schlägt ein Sparpaket in Bundesbern vor.

Wie die Finanzierung aussehen wird, ist eine Entscheidung, die Bundesrat und Parlament in der kommenden Zeit verhandeln müssen.

Lesen Sie hier das Interview mit Politologe Urs Bieri:

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Die Renteninitiative hatte keine Chance

Die Jungfreisinnigen hatten die Renteninitiative lanciert, welche die Erhöhung des Rentenalters auf 66 Jahre forderte. Doch schon vor dem Abstimmungssonntag war klar, dass es an Unterstützung mangelt und die Initiative wahrscheinlich wenig Aussichten auf Erfolg hat.

Und so kam es auch. Nur 25,3% der Stimmenden war für die Erhöhung des Rentenalters. Sie war bereits Mitte Nachmittag kaum mehr Thema.

Auch die Auslandschweizer:innen waren gegen eine Erhöhung des Rentenalters. Allerdings zeigt sich bei der genaueren Betrachtung, dass die Ablehnung bei der Fünften Schweiz nicht ganz so stark ausfiel.

38.4% der Auslandschweizer:innen aus dem Kanton Zürich haben für ein höheres Rentenalter gestimmt, in Basel-Stadt waren es 36% und im Kanton Aargau 39.1%.

Matthias Müller, Präsident der Jungfreisinnigen, gibt sich gefasst: “Es war klar, dass dieses Thema keine Begeisterungsstürme auslösen wird”, sagt er gegenüber SRF. “Das Ziel war es, es auf die Bildschirme zu bringen. Wir machen dies der AHV zuliebe.” Auf diese würden – besonders mit der Annahme der 13. AHV-Rente – Defizite in Milliardenhöhe zukommen. “Sie werden uns zwingen, das Rentenalter zu erhöhen.”

Schauen Sie sich die Reaktionen der verschiedenen Lager im Video an:

Für die Gegner:innen der Initiative zeigt der heutige Ausgang jedoch gerade das Gegenteil in der Frage des Rentenalters. SP-Nationalrätin Flavia Wasserfallen sagt bei SRF: “Nach diesem Resultat ist ein höheres Rentenalter kein Thema mehr.”

Ungewöhnlich hohe Stimmbeteiligung

Heute war auch noch in anderer Hinsicht ein aussergewöhnlicher Abstimmungstag. Politologe Lukas Golder spricht bei SRF von zwei Sensationen: Die erste war das Ja zur 13. AHV-Rente. Die zweite ist die hohe Stimmbeteiligung von 58,3% bei dieser Initiative. Es war die neunthöchste Beteiligung seit der Einführung des Frauenstimmrechts.

“Die hohe Stimmbeteiligung zeigt, dass wir eine unheimlich energievolle Politik erleben und dieser Trend nach der Pandemie weitergeht”, sagt Golder bei SRF. Die Initiativen schafften es über die politischen Lager und Altersgrenzen hinaus, Leute an die Urne zu locken.

“Wenn 58% zustimmen, sind da noch mehr Leute dabei als die Senioren und die Wähler linker Parteien”, sagt Mitte-Präsident Gerhard Pfister in der Elefantenrunde. “Das Anliegen ist mehrheitsfähig geworden. Die Leute haben gemerkt, dass das Leben teurer geworden ist.”

SRF-Journalist Urs Leuthard glaubt, dass auch viele Frauen abgestimmt haben. “Sie haben tiefe Renten und ihr Rentenalter wurde gerade eben noch erhöht”, sagt er im Schweizer Fernsehen.

Nach der Annahme der 13. AHV-Rente muss die Schweiz über die Finanzierung reden, welcher Ansatz ist der richtige? Diskutieren Sie mit:

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Debatte
Gastgeber/Gastgeberin Samuel Jaberg

Abstimmung vom 3. März: Wo soll das Geld für die 13. AHV-Rente jetzt herkommen?

Für die Finanzierung der 13.-AHV-Rente kursieren viele Vorschläge. Was sagen Sie: Woher sollen die nötigen vier bis fünf Milliarden Franken jährlich herkommen?

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