CH/Steuerstreit zwischen Deutschland und Schweiz vor Ende
BERLIN/BERN (awp international) – Deutsche Finanzämter können Steuerbetrügern in der Schweiz künftig leichter auf die Spur kommen. Auch für Milliarden-Altvermögen, das am Fiskus vorbei in die Alpenrepublik geschleust wurde, sollen Bundesbürger zur Kasse gebeten werden. Eine anonyme Abgeltungssteuer könnte Milliarden in deutsche Kassen spülen. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und sein Schweizer Kollege Hans-Rudolf Merz wollten an diesem Mittwoch in Bern das neue Doppelbesteuerungsabkommen unterzeichnen – einen Tag früher als geplant. Deutschland und die Schweiz wollen damit ihren jahrelangen, teils heftigen Steuerstreit endgültig beilegen.
Auch sollen Verhandlungen zwischen beiden Ländern zur Legalisierung von nicht versteuertem deutschem Geld in der Schweiz begonnen werden. Dabei geht es um das Milliarden-Altvermögen sowie um eine Abgeltungssteuer für künftige Geldanlagen in Schweizer Banken.
Es ist Schäubles erster Auslandsbesuch nach seinem jüngsten, dreiwöchigen Klinikaufenthalt. Für seinen Berner Kollegen Merz ist es praktisch der letzte Arbeitstag. Der Minister übergibt dann die Amtsgeschäfte und scheidet aus der Schweizer Regierung aus. Das Doppelbesteuerungsabkommen gilt nur für neue Fälle.
Ungeklärt ist bisher, wie der deutsche Fiskus an das riesige Vermögen von Alt-Anlegern herankommt, die unversteuertes Geld bei Schweizer Banken versteckt haben. Groben Schätzungen zufolge sollen mehr als 100 000 Deutsche insgesamt bis zu 30 Milliarden Euro am Fiskus vorbei im Nachbarland angelegt haben.
Für künftige Fälle hatte die Schweiz eine Abgeltungssteuer ins Spiel gebracht. Zuletzt hiess es, Berlin könnte eine solche – von Schweizer Banken eingezogene und anonym an Deutschland weitergegebene – Steuer auf nicht deklarierte Vermögen akzeptieren.
Eine anonyme Abgeltungssteuer ist für die Schweiz attraktiv, weil sie den Schutz der Privatsphäre mit der Steuerpflicht verbindet. Damit bliebe das Schweizer Bankgeheimnis zumindest teilweise gewahrt, da den Finanzämtern keine Namen gemeldet werden. Im Gespräch war zuletzt ein Steuersatz zwischen 25 und 35 Prozent.
Offen ist auch, wie stark Besitzer von Altvermögen zur Kasse gebeten werden. Im Gespräch war eine rückwirkende Strafsteuer, die ebenfalls von Banken erhoben und anonym nach Deutschland überwiesen werden würde. Danach könnte die Bank für zehn Jahre den Vermögenszuwachs errechnen und davon pauschal einen Teil abführen.
Thema in den Verhandlungen ist auch die Frage einer möglichen Straffreiheit nach der Abgeltung. Eine Steueramnestie – egal in welcher Form – hatte Berlin bisher immer abgelehnt. Schweizer Banken wiederum hoffen auf einen erleichterten Marktzugang in Deutschland.
Bisher hat die Schweiz schon mit der EU eine Vereinbarung, nach der 20 Prozent auf Zinserträge einbehalten werden. Ab 2011 sollen es 35 Prozent sein. Von diesem Zins werden drei Viertel an die EU- Staaten ausgezahlt, den Rest behält die Schweiz.
Das neue Doppelbesteuerungsabkommen nach OECD-Standard sieht einen besseren Informationsaustausch der Behörden vor. Mit der Vereinbarung hebt die Schweiz den Unterschied zwischen Steuerhinterziehung, die weitgehend straffrei ist und keine Amtshilfe vorsieht, und Steuerbetrug auf. Die Schweiz will mit diesen Abkommen – auch mit anderen Ländern – vermeiden, auf einer Sünderliste der internationalen Wirtschaftsorganisation OECD zu erscheinen.
Eine vor Monaten vom deutschen Fiskus gekaufte Daten-CD mit Informationen über mutmassliche Steuerbetrüger bei einer Schweizer Bank hatte für Verstimmungen zwischen Berlin und Bern gesorgt. Es folgte in Deutschland eine bundesweite Welle von Selbstanzeigen.
Zuvor hatte Ex-Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) im Zusammenhang mit dem schärferen Vorgehen führender Wirtschaftsmächte (G20) gegen Steueroasen die Schweiz mit dem Satz verärgert: «Die Kavallerie in Fort Yuma muss nicht immer ausreiten, manchmal reicht es, wenn die Indianer wissen, dass sie da ist.» Steinbrück wollte damit generell den Druck auf Steueroasen erhöhen./sl/tb/DP/jha