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Nachrichtendienstchef Regli wird rehabilitiert aber dennoch abgelöst

Dem suspendierten Nachrichtendienstchef Peter Regli (Bild) ist weder strafrechtlich noch disziplinarisch etwas vorzuwerfen. Dies ergab die von Max Widmer geleitete Untersuchung im VBS. Regli wird dennoch abgelöst und geht nächstes Jahr in Pension.

Divisionär Peter Regli (Bild) ist voll rehabilitiert. Er kehrt aber nicht an die Spitze des Nachrichtendienstes zurück und geht im Jahr 2000 vorzeitig in Pension. Gegen mehrere Beamte hat Bundesrat Adolf Ogi Disziplinarverfahren eingeleitet. Der Verteidigungsminister zog am Donnerstag (2.12.) vor den Medien die Konsequenzen aus den Berichten der Geschäftsprüfungsdelegation,des Rechtsanwaltes Max Widmer und der Eidgenössischen Finanzkontrolle.

Diese Untersuchungen zum Fall Bellasi hätten einen grossen Handlungs- und Erneuerungsbedarf im Nachrichtendienst ausgemacht.

Regli sei durch die Berichte ‚voll rehabilitiert‘, seine Beurlaubung aufgehoben, und er könnte somit seine Chefposition wieder antreten, sagte Ogi. Im Einvernehmen mit dem Bundesrat sei aber eine andere Lösung getroffen worden: Regli übernehme erst Sonderaufgaben und trete dann vorzeitig in den Ruhestand. Der 55jährige Regli wäre ohnehin auf Ende 2000 von seiner Funktion als Nachrichtenchef abgelöst worden. Bis zu seinem Rücktritt werde Regli Vorschläge zur Zukunft des Nachrichtendienstes ausarbeiten.

Regli zeigte sich erleichtert, dass ihm seine Ehre zurückgegeben worden sei. Dass er ’schwer beschuldigt, verleumdet und vorverurteilt‘ worden sei, habe ihn ausserordentlich getroffen. Die Vorwürfe gegen seinen Führungsstil und das Arbeitsklima im Nachrichtendienst wies er als ‚bösartig und unkorrekt‘ zurück.

Mehrere Disziplinarverfahren

Im Gefolge der Berichte ordnete Ogi mehrere Disziplinarverfahren an: gegen den Chef des Strategischen Nachrichtendienstes Fred Schreier, den Militärprotokollbeamten Armin Balzer, gegen fünf weitere Mitarbeiter im Generalstab und gegen eine noch unbekannte Zahl von Revisoren des Bundesamtes für Betriebe des Heeres.

Der Bundesrat werde nun die verschiedenen Berichte vertieft prüfen, vor Entscheiden aber den Bericht der von alt Staatssekretär Edouard Brunner geleiteten Studienkommission Nachrichtendienst abwarten, sagte Ogi. Dieser Bericht werde Mitte Februar 2000 vorliegen.

Die Stelle Reglis werde danach ausgeschrieben. Es sei möglich, dass der neue Nachrichtenchef oder die neue Nachrichtenchefin kein General mehr sein werde und dass der Dienst nicht mehr im Generalstab angesiedelt sei, sagte Ogi. Denn es sei nötig, dass der Nachrichtendienst auf Stufe Bund besser vernetzt werde.

Vertrauen wieder aufbauen

Generalstabschef Hans-Ulrich Scherrer und der Chef Heer, Korpskommandant Jacques Dousse, versicherten, sie gingen nicht zur Tagesordnung über. Der Nachrichtendienst sei zu Unrecht in Misskredit geraten. Es gelte jetzt, wieder Vertrauen aufzubauen, die Kontrollen zu verstärken, ohne dadurch Initiativen abzuwürgen.

Scherrer stellte ferner einen Bericht über die Zusammenarbeit mit ausländischen Nachrichtendiensten von 1960 bis 1999 vor. Daraus ergebe sich, dass die Neutralität und die Gesetze nie verletzt worden seien. Ohne Kontakte wäre der Schweizer Nachrichtendienst nicht lebensfähig. Gegenleistungen seien aber nie gefordert worden.

Untergebene Reglis belastet

Die Untersuchung brachte einen weiteren Untergebenen Reglis ins Zwielicht, wegen der Annahme von Geschenken Bellasis im Wert von 20’000 Franken. Der Luzerner Jurist Max Widmer, ehemaliger Präsident eines Divisionsgerichtes, präsentierte am Donnerstag im Bundeshaus Ergebnisse und Empfehlungen aufgrund seiner Administrativuntersuchung, die er nach dem Auffliegen des Falles Bellasi im Verteidigungsdepartement durchführte. Der Bericht als Ganzes bleibt unter Verschluss. Denn es handelt sich laut VBS-Sprecher Oswald Sigg um ein internes Dokument; auch stehe der Persönlichkeitsschutz einer Veröffentlichung entgegen.

Was die Verantwortlichkeiten für den Fall Bellasi angeht, empfahl Widmer ein Disziplinarverfahren gegen den suspendierten Chef des Strategischen Nachrichtendienstes (C SND), Fred Schreier, und zwar unabhängig vom Strafverfahren und dessen Ausgang. Schreier hat dem mutmasslichen Betrüger Dino Bellasi 69 Vorschussmandate über 4,014 Millionen Franken unterzeichnet. Effektiv angefallen seien in dem Zeitraum Auslagen von rund 200’000 Franken, sagte Widmer. Schreier hätte das krasse Missverhältnis auffallen müssen, sein Verschulden sei als mindestens grobfahrlässig zu beurteilen. Dass er gar vorsätzlich handelte und mitprofitierte, glaubt Widmer nach eigenen Worten nicht. Vielmehr habe der Nachrichtendienstler wie andere in der Untergruppe Bellasi und dem Kontrollsystem blind vertraut. Dies sei aber keine hinreichende Entschuldigung.

Das Bundesamt für Betriebe des Heeres (BABHE) erfüllte seine Kontrollpflichten ungenügend und nicht vorschriftsmässig. Widmer sprach von gravierenden Fehlern. Schliesslich prangert Widmer Armin Balzer an, den Chef Dienststelle Besuche Militärprotokoll. Er habe es unterlassen, seine Vorgesetzten, insbesondere Regli, über die von Bellasi gegen diese noch vor seiner Kündigung erhobenen massiven Vorwürfe zu orientieren. Balzer hat zudem von Bellasi Geschenke in der Grössenordnung von 20’000 Franken angenommen. Mit der Geschenkannahme werde sich möglicherweise die zuständige Strafuntersuchungsbehörde noch befassen.

Kein ausserordentliches Veruntreuungsrisiko geortet

Die Eidgenössische Finanzkontrolle gab gleichzeitig bekannt, im VBS bestehe kein ausserordentliches Veruntreuungsrisiko. Die Abwicklung der Zahlungen und der Budgetüberwachung sei im Grossen und Ganzen zufriedenstellend organisiert. Es bestehe zwar Verbesserungspotenzial. Dass Veruntreuung trotzdem auch in Zukunft vorkommen könne, wenn mit entsprechend krimineller Energie vorgegangen werde, könne aber wie in den andern Departementen nicht ausgeschlossen werden.

SRI und Agenturen

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