
Professionalisierung von Pflegefamilien: Damit Kinder nicht mehr im Spital schlafen müssen

Die Zahl der Kinder, die ausserhalb ihrer Familie untergebracht werden müssen, explodiert in der Schweiz. In vielen Kantonen ist das Netzwerk von Heimen und Pflegefamilien allerdings überlastet. So sehr, dass Kinder vorübergehend in Spitälern leben müssen. In Genf läuft ein Projekt zur Ausbildung von Pflegefamilien.
Die städtischen Regionen mit hoher Bevölkerungsdichte sind am stärksten vom Mangel an Plätzen in Aufnahmeheimen betroffen, in der Westschweiz sind es die Kantone Waadt und Genf. Bereits traumatisiert durch schwierige Familiensituationen – Misshandlung durch die Eltern oder schwere Krankheit, Gefahren zu Hause, finanzielle Probleme – stehen viele Kinder, die in einem Heim untergebracht werden sollten, wochenlang auf der Warteliste.
Einige schlafen und leben buchstäblich im Spital. Um dieses Problem zu lösen, will der Kanton Genf in Zusammenarbeit mit Caritas mehr Pflegefamilien zu rekrutieren und ausbilden. Diskussionen über die Professionalisierung der Rolle der Pflegefamilien sind im Gange, wie es bereits in Frankreich der Fall ist.
Die Situation verschlechtert sich
Laut der Recherche von Blick wurden 2024 im Kanton Waadt 107 Kinder in einer Kinderstation im Spital untergebracht, gegenüber 66 im Jahr 2022. Im ersten Halbjahr 2025 schliefen bereits 82 Kinder auf der Kinderstation.
In Genf ist die Situation ähnlich. Dort finden jährlich 55 bis 100 Unterbringungen im Spital statt. Die Kinder sind im Durchschnitt drei Jahre alt und bleiben etwa 40 Tage dort.
«Nicht nur die Misshandlungen an sich nehmen zu, auch die Aufmerksamkeit für den Kinderschutz ist stärker geworden», sagt Barbara Kaiser, Verantwortliche bei Caritas für die Familienpflege in der Westschweiz, zu dieser Zunahme gegenüber RTS.
«Auf gesellschaftlicher Ebene interessiert man sich immer mehr für das Leben des Kindes und dessen Rechte. Es gibt viel weniger Toleranz gegenüber Gewalt gegen Kinder.»
Die entscheidende Rolle der Pflegefamilien
Kaiser beschreibt die Rolle einer Pflegefamilie: «Es geht vor allem darum, ein Kind bei sich zu Hause aufzunehmen, in das eigene Familiensystem, es einzubeziehen und in den Alltag zu integrieren. Das Kind kann in einem sicheren und warmen Rahmen leben, mit täglichen Bezugspunkten.»
Oft ist die Aufnahme des Kindes vorübergehend. Es handelt sich nicht um eine Adoption. «Die Pflegefamilien werden bei Caritas entlöhnt. Wir haben sogar einen Arbeitsvertrag mit den Familien, der auch Beiträge an die zweite Säule beinhaltet.»
In der Schweiz ist Pflegefamilie jedoch kein anerkannter Beruf. Die Ausbildung und die Anerkennung fehlen manchmal. Punkte, die Caritas durch die Professionalisierung der Personen verbessern möchte, die ein Kind aufnehmen, während sie einen anderen Beruf ausüben.
Kaiser möchte daran erinnern, dass «die Aufnahme von Kindern ein wahres Abenteuer ist, mit seinen Höhen und Tiefen, seinen Freuden und Sorgen. Um den spezifischen Bedürfnissen der aufgenommenen Kinder gerecht zu werden, sei es wichtig, dass diese Familien unterstützt, gecoacht und auf die Realität dieser Kinder vorbereitet werden, die oft Vernachlässigung und Misshandlungen erlitten haben.»

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